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Info
Zeit: 02.03.2015
Ort: Wilhelmshaven - Finnland
Interview: E-Mail
Stil: Jazz
Internet:
http://www.eerokoivistoinen.com/ek/
In den Siebzigern war unser Autor Wolfgang Giese richtig tief in der Jazz Rock/Fusion-Szene verhaftet, als Resultat der Musik, die Miles Davis seinerzeit ins Rollen brachte. So kam er auch mit skandinavischer Musik in Berührung. Über einen Schallplattenversand hat er aus Finnland viele LPs gekauft, unter anderem von Love Records und anderen Firmen. Eine dieser Schallplatten war The Original Sin aus 1971. Das war dann sein erster Kontakt zur Musik von Eero Koivistoinen. Im Interview interessierter er sich rückblickend erst einmal für die Hintergründe dieser Aufnahmen.
Eero Koivistoinen: Ich wollte etwas komponieren für ein größeres Ensemble, so dass ich eine Band mit fünf Bläsern gründete, Trompete, Altsaxofon, Tenorsaxofon, Posaune und Baritonsaxofon plus eine Rhythmusgruppe. Das war zu jener Zeit, als ich klassische Musik an der Sibelius-Akademie studierte. Es gab keine Möglichkeit in Finnland, um Jazz zu studieren, aber ich hatte natürlich viele verschiedene Aufnahmen verschiedener Ensembles verschiedener Größen gehört und versucht, diese zu analysieren. In der Rhythmusgruppe gab es zwei Schlagzeuger, die gleichzeitig spielten. Ich glaube, diese Idee hatte ich von Funk-Bands, die ich in New York anlässlich meiner ersten Reise dorthin im Jahre 1969 gesehen hatte. So wollte ich diesen Einfall in einem Jazzumfeld ausprobieren. Das Fender Rhodes war damals auch sehr populär, und so nutzten wir auch ein solches Instrument.
MAS: Wie stehst Du heute zu dieser Musik?
Eero Koivistoinen: Einige Stücke haben die Zeit besser überstanden als andere. Ich mag die unisono gespielte Bassklarinette bei „Original Sin“, die Melodie in Viertelintervallen in „Bye Bye / Hello“ und einiges an der Komposition von „Both & And“. Ich bin mir über mein eigenes Spiel auf dem Saxofon nicht so sicher. Ich denke, seitdem habe ich gelernt, viel besser zu spielen, als auf diesen frühen Aufnahmen.
MAS: Du hast eine Menge Platten aufgenommen. Welche ist Deine liebste und warum?
Eero Koivistoinen: Üblicherweise mag ich die letzten Aufnahmen am liebsten. (Hati Hati). Eine andere von mir favorisierte Aufnahme ist Altered Things. Das war für mich eine großzügige Gelegenheit mit solchen Jazzgrößen wie Randy Brecker, John Scofield, Ron McClure, Jack DeJohnette und weiteren aufzunehmen. Alles funktionierte ganz einfach im Studio. Ich war so glücklich, die Chance zu erhalten mit diesen großartigen Musikern zusammenzuarbeiten. Dann mag ich noch das Album Sometime Ago, und meine liebsten Jazz Funk–Alben sind Wahoo! und X-Ray.
MAS: Einige Deiner Platten entstanden zur Hochzeit des des Jazz Rocks. Gibt es aus der Zeit Musiker, die Du heute als Einfluss bezeichnen würdest?
Eero Koivistoinen: Ich mochte das, was Miles Davis und Herbie Hancock spielten. Ebenfalls gefielen mir Weather Report und Frank Zappa. Dann hörte ich viele der großartigen Soulsänger und Funkbands, die zu jener Zeit aktuell waren.
MAS: Seit vielen Jahren bin ich regelmäßiger Zuschauer des European Song Contests. So hatte ich gelesen, dass auch Du im Jahre 1974 als Komponist des Songs „Älä mene pois“ für Carita Holmström daran beteiligt warst. Erinnerst Du Dich noch daran, und wie denkst Du heute über diesen Song?
Eero Koivistoinen: An den erinnere ich mich noch gut. Das Lied ist soweit in Ordnung für diese Kategorie. Ich war in Brighton, UK, und saß direkt neben Stikkan Anderson, dem damaligen Manager von Abba, als deren Song „Waterloo“ gespielt wurde. Mich interessierte es, seine Reaktion zu beobachten, als er bemerkte, dass Abba den Wettbewerb gewonnen hatte.
MAS: Spielst Du auch auf der Platte?
Eero Koivistoinen: Nein, ich spiele nicht auf der Platte. Das war eine Studioband.
MAS: War das Dein einziger Beitrag zu diesem Wettbewerb, oder warst Du in früheren oder späteren Jahren noch einmal beteiligt?
Eero Koivistoinen: Ich war an den Vorentscheidungen einmal vorher und einmal danach beteiligt; danach nicht mehr.
MAS: Ich hatte von Carita Holmström erstmalig im Jahre 1975 gehört als Sängerin auf dem Album Social Sketches von Mark Levin. So erinnere ich mich gut an den Song „Nylon Coverin‘, Body Smotherin‘“. Kennst Du diese Platte und hast Du Mark Levin jemals getroffen, vielleicht, weil das Album mit anderen finnischen Musikern zusammen aufgenommen wurde, mit Seppo Paakunainen, Teppo Auto-Aho und Reino Laine?
Eero Koivistoinen: Ich weiß gar nichts von diesen Aufnahmen.
MAS: Hast Du für weitere Songs mit Carita zusammengearbeitet?
Eero Koivistoinen: Da gibt es die B-Seite der Single, ein Lied namens „Shadow On The Wall“.
MAS: Seit ich auf ihn aufmerksam wurde, bin ich ein großer Anhänger der Musik von Edward Vesala. Hast Du jemals mit ihm zusammengearbeitet und was weißt Du über ihn zu berichten? Ich las, dass Du eine EP mit ihm und Pekka Sarmanto aufgenommen hattest
Eero Koivistoinen: Edward war der Schlagzeuger meines ersten Trios mit Pekka Sarmanto. Wir spielten am Anfang unserer Karrieren oft zusammen. Edward war ein sehr bunter und visionärer charaktervoller Mensch.
MAS: Wann interessiertest Du Dich erstmalig für Musik und welche war das?
Eero Koivistoinen: Ich startete mit klassischer Musik. Mein erstes Instrument war eine Violine, und ich spielte leichte Barockmusik.
MAS: Wie wurde Dein Interesse für Jazz geweckt?
Eero Koivistoinen: Mein Bruder war zu jener Zeit Seemann und brachte einige Jazzplatten aus dem Ausland mit. Ich hörte sie mir an und verliebte mich in die Musik. Da gab es eine Doppel-LP, eine Kompilation This Is Jazz auf Phillips.
MAS: Welche Musiker waren Deine ersten Einflüsse?
Eero Koivistoinen: Ich begann mit einem Altsaxofon. So hörte ich viele Altsaxofonisten, Paul Desmond, Lee Konitz, Charlie Parker, Eric Dolphy. Später interessierten mich auch die Tenoristen wie Sonny Rollins, John Coltrane, Stan Getz. Wayne Shorter. Ferner hörte ich Miles Davis, Ellington, Art Blakey, Mingus und auch Monk.
MAS: Vor Deinen Jazzaufnahmen gab es eine Band namens Blues Section. Hast Du schon einmal darüber nachgedacht, solche Musik wieder zu spielen?
Eero Koivistoinen: Warum nicht, ich mag Blues noch immer. Aber er ist schon so oft in gleicher Manier gespielt worden. Es ist schwierig, neue und frische Wege zu finden für die Aufnahmen.
MAS: Mit welchen Musikern hast Du am liebsten zusammengearbeitet?
Eero Koivistoinen: Ich mag so viele, dass es schwierig ist, nur Einen zu nennen. So habe ich fünfzehn Jahre mit dem UMO Jazz Orchestra zusammengearbeitet und wir hatten das Privileg, mit einigen Größen zu spielen: Dizzy Gillespie, Thad Jones, Clark Terry, Bob Brookmeyer, Joe Henderson, Dexter Gordon, Gil Evans, McCoy Tyner etc..
MAS: Du hast auch mit amerikanischen Musiker zusammengespielt, zum Beispiel auf der Platte Picture In Three Colours. War die Zusammenzuarbeit mit amerikanischen Musikern anders als mit finnischen? Wenn ja, wo sind die Unterschiede?
Eero Koivistoinen: Mit großartigen Musikern in den USA zusammenzuspielen, ist immer ein Höhepunkt. Da gibt es so viele hoch musikalische und erfahrene Musiker, die es einfach auf den Punkt bringen. Musiker, mit denen ich arbeitete, spornten mich an, besser zu werden. Heutzutage gibt es großartige Musiker überall auf der Welt. Das Schulsystem hat mehr und mehr neue Talente hervorgebracht. Aber es ist noch immer schwierig, seinen eigenen Stil und Ausdruck zu finden. Das musikalische Niveau in Finnland ist hoch und steigt ständig.
MAS: Du warst der Mitbegründer von UMO. Spielst Du noch mit der Band?
Eero Koivistoinen: Gerade vor einer Woche hatte ich mit UMO & Paquito D’Rivera einige Stücke gespielt. Im letzten Jahre hatte ich ein Album mit Kinderliedern für die Band komponiert. So gibt es hin und wieder eine Zusammenarbeit.
MAS: Was hältst Du allgemein von der Jazzszene, und speziell jener in Finnland?
Eero Koivistoinen: Es gibt so viele gute Musiker und so wenig Möglichkeiten für sie aufzutreten. Das ist auch in Finnland so. Ein Jazzmusiker zu sein ist meistens gar nicht so einfach, so dass viele von uns nebenbei lehren, oder mit ähnlichen Tätigkeiten beschäftigt sind.
MAS: Kannst Du einige aktuelle Musiker aufzählen, die sich Deiner Meinung nach gerade als große Talente entwickeln, und gibt es welche, die Du empfehlen würdest, denen man unbedingt zuhören sollte?
Eero Koivistoinen: Ich denke, die jungen Musiker in meinem Quartett zählen dazu. Der Gitarrist Teemu Viinikainen und die Trompeter Jukka Eskola, Kalevi Louhivuori und Verneri Pohjola sind auch sehr gut. Alle stammen aus Finnland.
MAS: Wie denkst Du über die heutige Musikszene generell?
Eero Koivistoinen: Nun, es könnte besser sein. Plattenfirmen und Plattenläden haben eine schwere Zeit, Musik wird illegal heruntergeladen, zu viele Schmarotzer gibt es da. Jazz ist am besten live, so braucht man mehr Auftrittsmöglichkeiten und –orte.
MAS: Gibt es irgendwelche Musiker, a) der skandinavischen Jazzszene und b) der internationalen Jazzszene, mit denen Du gern ein Album aufnehmen würdest?
Eero Koivistoinen: Ich würde gern mit Palle Danielsson (Bass), Bobo Stenson (Piano), Herbie Hancock (Piano) und den SängernLizz Wright und Kevin Mahogany aufnehmen.
MAS: Hatte Franz Zappa recht, als er sagte, „Jazz is not dead, it only smells funny”? Glaubst Du, es gibt eine Zukunft für Jazz?
Eero Koivistoinen: Es gibt eine Zukunft für den Jazz, aber wir müssen darauf aufpassen, sie auch zu ermöglichen.
MAS: Sollte es Veränderungen im Jazz geben? Sollten mehr Einflüsse aus anderen Musikstilen Einzug halten?
Eero Koivistoinen: Jazz verändert sich eigentlich ständig. Die Geschichte zeigt es, und ich hoffe, er wird sich weiterhin in verschiedene interessante Bereiche bewegen.
MAS: Beim Anhören Deines aktuellen Albums habe ich festgestellt, dass mich einige Teile daraus an Musik erinnern, wie ich sie vom Münchener Plattenlabel ECM kenne. Hast Du schon einmal darüber nachgedacht, für dieses Label aufzunehmen?
Eero Koivistoinen: Warum nicht, wenn sich die Möglichkeit bieten sollte.
MAS: Welche Musiker waren Deine Haupteinflüsse?
Eero Koivistoinen: Vorab habe ich bereits viele davon erwähnt.
MAS: Welche Musiker sind Deine liebsten im Jazz und darüber hinaus?
Eero Koivistoinen: Ich mag Ellington, Coltrane, Miles Davis, Elvin Jones, Nill Evans, Keith Jarrett, Charlie Parker, Frank Zappa, Chet Baker, Jean Carne, Busi Mhlongo, Oumou Sangare und viele mehr.
MAS: Kannst Du Platten nennen, die Du auf eine einsame Insel mitnehmen würdest?
Eero Koivistoinen: Vielleicht etwas klassische Musik – Bartok, Stravinski, Sibelius?
MAS: Hast Du Tourneen in Deutschland geplant?
Eero Koivistoinen: Bis jetzt noch nicht, aber ich hoffe bald.
MAS: Vielen Dank dafür, dass Du dieses Interview ermöglicht hast.
Eero Koivistoinen: Danke für Dein Interesse.
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