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Reviews

Jesse Lee

Room to breathe


Info

Musikrichtung: Country / New Country

VÖ: 2003

(Direct Image Records)

Gesamtspielzeit: 32:07

Internet:

www.jesseleefanclub.com

Ein neuer Name, eine neue Stimme! Jesse Lee ist tatsächlich neu, genauer gesagt: 17 Lenze jung. Auf sich aufmerksam machte die junge Lady aus Palo Alto/Kalifornien, die seit 4 Jahren in Delray Beach/Florida wohnt, als Finalistin von "American Idol", dem amerikanischen Gegenstück zu "Deutschland sucht den Superstar". Und statt die Interpreten durch die Bohlen-Pop-Mühle zu drehen, hat man in den USA wohl die Country-Roots und die entsprechenden gesanglichen Vorgaben erkannt und Jesse Lee dem Genre überlassen, für das sie auch wie gemacht erscheint. Dass sie dafür nicht den Segen aller Juroren fand, war vorauszusehen; dafür findet sie nun die Zustimmung aller Country-Fans.

Im Einzelnen:

Bereits der Opener "River Child" macht klar, dass man nicht nach glattgeschliffenen Countrysongs gesucht hat, um die junge Dame in die Country-Pop-Charts zu treiben. Der Titel verfügt über Blues- und Rock-Elemente und erzählt vom Leben am Fluss, also ein eher schwierigeres Metier, dass aber sehr gut umgesetzt wird. Dass Jesse Lee diesen Titel selbst komponiert hat, zwingt dem Hörer doch erheblichen Respekt ab. Unterstützt wurde sie dabei von Chris Anderson von der Gruppe Blackhawk und dem bereits mehrfach Award-prämierten Don Goodman, der an mehreren Songs beteiligt ist und auch als Co-Produzent verantwortlich zeichnete. "Back to the flame" nimmt den Blues-Rock wiederum auf und man hört eine kraftvolle Jesse Lee, die auch hier an der Entstehung des Songs maßgeblich beteiligt war und eine voluminöse Stimme hinterlässt. Für das erste Album verwundert die zutage getretene Energie den Hörer schon. Doch warum sollte man bei diesem stimmlichen Potenzial schüchtern ans Werk gehen? Nur keine Zurückhaltung, junge Lady!

Gleich darauf empfängt uns eine Ballade - so ein Ding, an dem die meisten Kandidaten von Casting-Shows scheitern -, die mir beim Zuhören ständig eine Gänsehaut beschert, denn dieser Song ist sehr schön und harmonisch geschrieben und wird von Jesse Lee richtig tiefgehend interpretiert. Ein dezenter Piano- und Streicher-Background lässt der Stimme ausreichend "Room to breathe", womit auch schon der nächste Titel seine Schatten vorauswirft. Endlich darf eine 17-jährige über Probleme ihrer Altersklasse singen und wird nicht ständig in Lovesongs gejagt. Diesen Erfolg hat sich Jesse Lee vielleicht selbst zuzuschreiben, denn der Song stammt zum großen Teil aus ihrer Feder. Das Nichtverständnis zwischen Eltern und Tochter und der tägliche Kampf um unterschiedliche Vorstellungen werden gut umgesetzt, und vielleicht kann der Song für ein wenig mehr Verständnis für die "Gegenseite" sorgen. Thematisch und auch musikalisch erinnert er ein wenig an "The wild one" von Faith Hill.

Bei "Happily ever after you" geht es um den Wandel eines Mädchens zur Frau, textlich interessant aufgegriffen durch die Abwandlung von Abzählreimen und Märchengestalten aus der Kinderzeit, die nunmehr mit Beziehungsthemen und -sprüchen aufgepeppt werden. Allein dieses Stilmittel hat schon einen Preis verdient. Hinzu kommt noch die Stimme von Jesse Lee, der man anhört, dass sie noch recht jung ist, aber gerade das lässt diesen Song zu einem runden Ergebnis werden. Auch die Ballade "Ohio" hat Jugenderfahrungen zum Inhalt, in diesem Fall die Trennung von einem Freund, dessen Familie aus beruflichen Gründen nach Ohio umsiedeln muss. Sehr gut wird hierbei die freundschaftliche Beziehung beschrieben, und ebenso gut kommt gesanglich der Trennungsschmerz zur Geltung. Eine absolut "erwachsene" Leistung der jungen Country-Lady, die bereits zusammen mit Clay Walker, Tracy Byrd, Brooks & Dunn, Brad Paisley, Rascal Flatts und vielen anderen auf der Bühne stand und dort über eine sehr gute Präsenz verfügen soll, was man sich lebhaft vorstellen kann.

"Redemption", Titeltrack des gleichnamigen Films, lässt wieder die wilde Jesse Lee zum Vorschein kommen, die bei diesem Song die Grenze zwischen Country und Rock überschritten hat und dem straighten Rock ihre Visitenkarte hinterlässt. Natürlich kann man eine 17-jährige Sängerin noch nicht in Schubladen stecken, und so ist dieser Titel vielleicht eine gute Möglichkeit, sich in mehreren Schattierungen zu präsentieren, und Jesse Lee wäre schlecht beraten, wenn sie diese Chance nicht genutzt hätte, bevor "You go girl" wieder auf den Pfad der Country-Tugend zurückführt und die Linedancer zwingend in Richtung Hardwood-Floor zieht, denn hier gibt es Uptempo-Country mit Slideguitar und Fiddle zu hören, wie man es ansonsten von den Top-Interpreten kennt.

Fazit:

Nach den (leider nur) neun Songs des Albums macht sich Enttäuschung breit, denn gerne hätte man noch mehr von diesem Multitalent gehört. Sie komponiert und textet und versieht alle Titel mit einer absolut passenden Stimme und Stimmung. Ganz gleich, ob man eine Gänsehaut erzeugende Ballade oder einen mitreißenden Country-Rock zu hören bekommt: Jesse Lee´s Stimme kommt genau auf den Punkt. Natürlich hört man ihr die Jugend an, aber auch das hat seine Reize, wenn es so gut zum Songmaterial passt wie die Texte, die sich mit Teenagerproblemen befassen. Gerade hier könnte das Ergebnis kaum runder sein. Und auch die Ausflüge in die rockige Abteilung nimmt man der jungen Kalifornierin ehrlich ab.

Es ist schön zu sehen und zu hören, dass Finalisten in Casting-Shows nicht immer in die Fänge von Produzenten und Komponisten mit randvoll gefüllten Songschubladen geraten, sondern dass sie wie hier ihre Seele, Songs und Texte mit einbringen können und ein absolut empfehlenswertes Album auf den Markt bringen. Schade ist nur, dass nicht mehr als 9 Songs auf dem Silberling enthalten sind (was sich leider in der Endbewertung niederschlagen muss). Deshalb freuen wir uns schon jetzt auf ihr nächstes Album, das wohl auch bei www.cdbaby.com erhältlich sein wird.



Lothar Heising

Trackliste

1River child 4:19
2Back to the flame 3:20
3Time stands still 3:34
4Room to breathe 3:12
5Happily ever after you 3:13
6Ohio 3:55
7Stronger than that 3:44
8Redemption 3:45
9You go girl 3:05
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So bewerten wir:

00 bis 05 Nicht empfehlenswert
06 bis 10 Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert
11 bis 15 (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert
16 bis 18 Sehr empfehlenswert
19 bis 20 Überflieger