Reviews
Scenes from hell
Info
Musikrichtung:
Avantgarde Black Metal
VÖ: 29.01.2010 (The End Records/Soulfood) Gesamtspielzeit: 43:02 Internet: http://www.sighjapan.com http://www.myspace.com/sighjapan |
Ein neues Album der Japaner Sigh in den Händen zu halten ist jedes Mal so, als würde man eine Wundertüte bekommen. Man kann zwar in etwa erahnen was drin sein könnte, der eigentliche Inhalt ist allerdings stets überraschend. Einst als reinrassige Black Metal-Band gestartet, führt der Weg immer wieder in eine andere Richtung, fernab irgendwelcher Genrekonventionen. Das achte Studioalbum bildet hiervon keine Ausnahme, orientiert sich aber erstmals an seinem Vorgänger. Hangman’s hymn stellte den Hang zur Klassik in den Mittelpunkt. Scenes from hell verfeinert dies noch und schafft damit ein ganz neues musikalisches Inferno. Und wenn die Plattenfirma auf die CD „for fans of Dimmu Borgir, Slayer and Wagner“ schreibt, ist das gar nicht mal so fernab der Wahrheit.
Der gebotene Klangcocktail setzt sich aus 80er Jahre Thrashriffs, schwarzmetallischre Raserei, natürlichen Orgelsounds und jeder Menge Klassikversatzstücke, gespielt von echten Bläsern und Streichern, zusammen. Umgerührt wurde er mit jeder Menge Wahnwitz und Kompromisslosigkeit. Aus Ermangelung dieses durchdringende Soundkonstrukt stilistisch einzuordnen, packt man es am besten in das Fach Avantgarde und man holt es wieder heraus, wenn einem der Sinn nach einem echten Höllenritt steht. Würde die Welt eines Hieronymus Bosch-Gemäldes jemals zum Leben erweckt werden, wäre Scenes from hell der richtige Soundtrack dazu. Für intolerante Hörer ist das Album wahrscheinlich auch die absolute Hölle. Denn das ganze wirkt dermaßen „over the top“ und mit wird mit so einem rustikalen Sound versehen präsentiert, dass empfindliche Ohren bald die weiße Fahne schwenken werden.
Denn von Beginn an wird hier richtig auf die Kacke gehaut. Da wird Krach alsbald zur Kunst, wenn sich das traditionelle Metalinstrumentarium, ein Kammerorchester, sowie die Röchelstimmen von Bandleader Mirai Kawashime und seinem hübschen, schwarzen Todesengel Dr. Mikannibal um Blastbeats herum gegenseitig duellieren, also hätten vorher alle eine Steroideinjektion verabreicht bekommen. Dabei ist die Sinfonik nicht lediglich ein bombastisches Beiwerk, sondern alle Instrumente gehen tatsächlich eine Symbiose ein. Allerdings keine für schwache Nerven. Wäre inmitten des ganzen Getöses nicht der Trauermarsch „The summer funeral“, zu dem sogar Tom Waits sein Glas erheben würde, müsste man zu Scenes from hell noch eine Packung Beruhigungspillen dazu legen.
Hiermit haben Sigh ein weiteres Mal bewiesen, dass in ihnen eine außergewöhnliche Band mit verrückten Ideen steckt. Zwar scheint auf diesem Album oberflächlich gesehen das Chaos zu regieren, aber bekanntlich liegen Genie und Wahnsinn sehr eng beieinander. Hiermit wird es auf ein weiteres bewiesen. Würden nicht alle Songs aufgrund einer latenten Überladung so ähnlich klingen, hätten wir es sogar mit einem zukünftigen Krachklassiker zu tun.
Mario Karl
Trackliste
1 | Prelude to the Oracle | 4:10 |
2 | L'art de Mourir | 4:55 |
3 | The Soul Grave | 3:59 |
4 | The Red Funeral | 6:54 |
5 | The Summer Funeral | 7:06 |
6 | Musica in Tempora Belli | 5:59 |
7 | Vanitas | 6:24 |
8 | Scenes from Hell | 3:35 |
Besetzung
Shinichi Ishikawa (Guitars)
Satoshi Fujinami (Bass)
Junichi Harashima (Drums)
Dr. Mikannibal (Alto saxophone, Vocals)
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |