····· Wolvespirit verkaufen Bullshit ····· Rock of Ages - Zusatzshows in 2025 ····· Ally Venable veröffentlicht Video zur neuen Single „Do you cry“ ····· Das zweite Album von Wizrd kommt zum Nikolaus ····· 40 Jahre Helloween - Das muss gefeiert werden ·····  >>> Weitere News <<<  ····· 

Reviews

Bach, J. S. (Mai u. a. - Aumüller)

Die Kunst der Fuge (arrangiert für 16 Streicher, Bläserquartett, Cembalo und Orgel)


Info

Musikrichtung: Barock Ensemble

VÖ: 02.11.2009

(Arthaus / Naxos DVD / live 2008 / Best. Nr. 101467)

Gesamtspielzeit: 82:00

GRENZÜBERSCHREITEND

Arrangements von J. S. Bachs unvollendeter Kunst der Fuge gibt es zahlreiche. Da der Komponist nur einen nackten Satz hinterlassen hat, ohne die Instrumente festzulegen, konnten sich historisch wie modern orientiere Interpreten an diesem Rätselwerk versuchen. Aber ob man nur einer Cembalofassung, einer Orgel- oder Klavierversion, einem Streich- oder Saxophonquartett oder einem bunt gemischten Ensemble bzw. Sinfonieorchester lauscht: Immer wieder zeigt sich aufs Neue, dass diese Musik nicht einfach nur für die Schublade zum Zweck kontrapunktischer Studienzwecke geschrieben worden ist, sondern mit offenen Ohren komponiert wurde. Herz und Hirn kommen gleichermaßen auf ihre Kosten.

Der jüngste Versuch einer „Lösung“ stammt von der Akademie für Alte Musik, die zwar auf (neo)barocken Instrumenten spielt, ansonsten aber einen offenen, geradezu experimentellen Ansatz vertritt. 16 Streicher formen Ensembles unterschiedlicher Besetzungsstärke, vom Duo über das Terzett und Quartett bis zum Tutti. Dazu kommt eine weitere Gruppe mit vier barocken Blasinstrumenten: Oboe, Oboe da caccia, Fagott und Posaune. Orgelpositiv und Cembalo runden das „Orchester“ ab. Die AAM hat sich bei ihrer Einrichtung an den Registern einer Orgel orientiert. Während die Streicher als „Brust-„ oder „Hauptwerk“ fungieren, setzen die Bläser im „Oberwerk“ klangfarbliche Akzente bzw. Kontrapunkte. Orgel und Cembalo „grundieren“ oder treten auch als „Seitenwerke“ solistisch hervor.
Eine Stärke der Einspielung liegt ohne Zweifel in der räumlichen, dynamischen und klangfarblichen Auffächerung der streng, aber nicht akademisch komponierten Musik, die im Kern auf einem sehr einfachen, offenbar vom Choral „Aus tiefer Not schrei ich zu dir“ abgeleiteten Thema beruht. Dieses Thema aber wird von Bach kunstvoll variiert, umgestellt, erweitert und mit neuen Themen kombiniert bzw. kontrastiert. Bach wollte nicht nur ein Kontrapunktlehrbuch komponieren, sondern erkunden, ob eine Fuge z. B. auch ein Konzertsatz sein kann bzw. welche Ausdruckspotentiale in ihr liegen. Emotionalität und auch Virtuosität sind keine unwesentlichen Aspekte des Zyklus. Aus den 22 Nummern des Originals, das aus unterschiedlich komplizierten Fugen und vier Kanons besteht, haben die Musiker sechzehn ausgewählt und spielen sie in wechselnden Kombinationen. Die letzte, unvollendete Nummer über vier Themen bleibt wie in der Originalfassung ein Torso, dafür wurde besagter Choral in der Bearbeitung BWV 38 bei diesem Konzert vorangestellt.

Faszinierend ist das Stil- und Epochengrenzen überschreitende Ergebnis dieses Projekt: Unabhängig von barocken Instrumenten und Spielweisen klingt die Musik vor allem in den vollen Besetzungen, z. B. beim dem sehr verschachtelten Contrapunctus 11, fast wie ein Stück von Johannes Brahms. Der freilich zeigte von jeher eine starke Affinität zu der Satzkunst der alten Meister, das Arrangement hätte durchaus auch von ihm stammen können.
Sehr schön sind auch die Effekte, die sich aus der zunehmenden Aufstockung der Instrumente ergeben, also zu Beginn ein Streichquartett, dann das Tutti, schließlich, gleichsam als orchestraler Lüster, die Bläser. Das ermöglicht den Nachvollzug des Bauplans und der internen Dramaturgie der Musik, zugleich kommen die Ohren bei den sonoren Reizen auf ihre Kosten.
Die Tempi sind insgesamt ruhig und kontemplativ. Das wirkt bei den größeren Besetzungen suggestiv, ja beinahe hypnotisch (doch ohne pompöse Dimensionen à la Stockowski zu erreichen). Bei den kleineren Besetzungen hätte ich mir dagegen auch mal einen temperamentvolleren Zugriff gewünscht, z. B. beim Oktavkanon, der mir auf dem Cembalo etwas zu abgezirkelt wirkt (wo bleibt der konzertante Schwung?). Dafür liegt der Satz dann allerdings sehr deutlich zu Tage. Kleinere Intonations- und Homogenitätstrübungen sind der Live-Aufnahme geschuldet und fallen nicht wesentlich ins Gewicht.



Georg Henkel

Trackliste

Keine Extras

Enthalten sind die Kontrapunkte 1,3,4,6-9,11-18

Besetzung

Akademie für Alte Musik / Berlin
Konzept und Leitung: Stephan Mai & Bernhard Forck (Violine), Xenia Löffler (Oboe)

Regie: Uli Aumüller
Zurück zum Review-Archiv
 


So bewerten wir:

00 bis 05 Nicht empfehlenswert
06 bis 10 Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert
11 bis 15 (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert
16 bis 18 Sehr empfehlenswert
19 bis 20 Überflieger