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Opium. Mélodies françaises
Info
Musikrichtung:
19. Jahrhundert Lied
VÖ: 06.03.2009 (Virgin / EMI / CD / DDD / 2008 / Best. Nr. 2166212) Gesamtspielzeit: 66:06 |
FRANZÖSISCHER CHERUBINO
Die Kastraten-Partien in den Opern G. F. Händels wurden noch vor nicht allzu langer Zeit meist von Baritonen und Bässen gesungen. Koloraturen gerieten dabei oft zu rumpelnden Vokalausbrüche. Umgekehrt haben es sich einige Barocksänger, namentlich Counter-Tenöre, nicht nehmen lassen, den Spieß ab und zu umzudrehen und romantische Lieder des 19. Jahrhunderts in ihrer hohen Stimmlage zu interpretieren (immerhin hatten sich ja auch immer wieder Frauen erfolgreich den Helden Schumanns und Schuberts gewidmet, an der „Höhe“ konnte also niemand Anstoß nehmen …). Tja. Die Ergebnisse nahmen sich meist ebenso grotesk aus wie die Bemühungen der traditionellen tiefen Opernstimmen im barocken Fach. Vokales Cross-Over geht selten gut.
Wenn jetzt ein Mezzo-Sopranist wie Philippe Jaroussky hingeht und sich auf seinem neuesten Album Opium. Mélodies françaises den ebenso fein- wie hintersinnigen Salonkostbarkeiten des Fin de siècle widmet, dann tut er dies ebenfalls außerhalb seines angestammten Terrains, das bislang im Wesentlichen Vivaldi und Händel umfasste.
Es gibt dabei durchgängig Momente, wo man ihm sofort glaubt, dass diese sehr romantischen und sehr französischen Lieder auch sein Repertoire sein können. In den elegischen, entrückten Augenblicken wie Chaussons ‚Le colibri‘, ‚Les heures‘ und ‚Le temps de lilas‘ oder Faurés ‚Automne‘ beispielsweise. Jaroussky singt diese Lieder aufrichtig, mit echter, ungekünstelter Empfindung; seiner androgynen Silberstimme kommen die Melancholie und das Träumerische entgegen. Zumindest so lange, wie sie in der passenden, nicht zu hohen Lage gefordert ist. Dynamische und expressive Spitzen im oberen Register wirken dagegen leider oft forciert, die Stimme klingt dann hart und grell. Immer wieder ist man zunächst fasziniert, wie Jaroussky das Zarte, Flüchtige einfängt, den Hörer auf den Flügeln seiner Stimme entführt. Um gleich darauf frustriert zu erleben, wie der Zauber bricht, weil die Stimme an ihre Grenzen stößt. In Dukas aufregend modernen ‘Sonnet‘ gewinnt Jaroussky daraus noch eindringliche Ausdrucksnuancen. Aber gegen den gleißenden Klang der Violine in Camille Saint-Saëns ‚Violons dans le soir‘ behauptet er sich nicht genügend. Und temporeiche Exzentritäten wie Chaminades ‚Sombrero‘ geraten bei aller vokalen Klarheit schnell atemlos.
Vielleicht fehlt Jaroussky für das Zweideutige und Erotische auch einfach der nötige doppelte Boden in der Stimme. Er ist anrührend, jünglinghaft. Ein kühler Sopran könnte da aber wohl mit mehr Nonchalance agieren, z. B. bei den aufreizenden „Kieksern“ in Hahns ‚Fêtes galantes‘. Da ist Jaroussky mehr ein Cherubino, der sich eine erwachsene Maske aufgesetzt hat. Ähnlich ist es mit dramatischen Akzenten von Saint- Saëns ‚Tournoiement „Songe d’opium“‘, wo das vokale Delirum eine Miniatur bleibt.
Als Muttersprachler hat Jaroussky allerdings keine Schwierigkeiten mit der heiklen Musikalität der französischen Sprache, die es nicht verträgt, in ein enges metrisches Korsett gesperrt zu werden. Und auch seine ausgezeichneten Begleiter, allen voran der Pianist Jérôme Ducros, wissen um die zerbrechlichen Stimmungswerte dieser Musik.
Ein Opiat für die Ohren ist diese Einspielung immer für einige Augenblicke. Doch für einen längeren Rausch reicht es nicht.
Georg Henkel
Besetzung
Jérôme Ducros: Klavier
Sowie
Renaud Capuçon: Violine
Cautier Capuçon: Cello
Emmanuel Pahud: Flöte
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |