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Il Giardino di Guilio Caccini
Info
Musikrichtung:
Lautenlieder
VÖ: 01.11.2003 (Alpha / Note 1) Best. Nr. Alpha 043 Gesamtspielzeit: 71:07 Internet: Alpha |
BLUMEN AUS SG. CACCINIS GARTEN UND ANDERE GEWÄCHSE
DIE ENTDECKUNG DES SUBJEKTS IN DER MUSIK
Zu jenem elitären Kreis aus Künstlern, Intellektuellen und Mäzenen, die um die Wende zum 17. Jahrhundert in Florenz den einstimmigen Kunstgesang als revolutionäre musikalische Gattung etablierten, gehörte auch der Komponist, Lautenist und Sänger Giulio Caccini (1551-1618). Er war einer der Väter jener zunächst als dramma per musica bezeichneten Gattung, die kurz darauf als Oper ihren Siegeszug antreten sollte. Statt ihn wie bisher zu beherrschen, sollte die Musik nun als Dienerin des Textes jeder seiner Bewegungen folgen, die in ihm angelegten Gefühle aufschließen und in Gesang transformieren. Das lyrische Ich erschien nun nicht mehr in Gestalt des Chor-Kollektivs, sondern in der Gestalt einzelner Sängerinnen und Sänger als individueller Affekttyp. Der Gesangsstil wurde emotional direkter und sprachnäher; für die Expression und Erregung der Leidenschaften brauchte es eine neue harmonische und melodische Sprache, die auch vor Dissonanzen und Regelbrüchen bei der Stimmführung nicht zurückschreckte.
BLÜTENLESE
Welch schöne Blüten die neue Stilrichtung trieb, läßt sich auf dieser gelungenen Einspielung mit dem Sänger-Lautenisten Marco Horvat verfolgen. Horvats 'Songbook' vereinigt Stücke aus Caccinis zwei Le nuove musiche-Sammlungen von 1602 und 1614, ergänzt um einige Werke von Zeitgenossen und -genossinen, darunter seine Tochter Francesca Caccini (1587-1640). Dieser leiht die Sopranistin Olga Pitarch in einigen solisitschen Nummern und Duetten ihre jugendlich-frische Stimme.
Caccinis Lieder sind ausgesprochen virtuos, sowohl was die Beweglichkeit der Singstimme als auch ihren Umfang angeht. Dass sie kein 'reines' Kunstprodukt sind, sondern ihre Inspirationen auch aus der Volksmusik ziehen, sorgt über alle historische Distanz hinweg für Eingängigkeit. Ein besonderer Reiz liegt nun darin, dass die überwiegende Anzahl der Stücke für einen Bass geschrieben wurde - der Komponist war nämlich der Meinung, dass zu diesem Stimmtyp der verzierte Gesang besser passe, als zu einem Tenor! Häufig kommt der trillo zum Einsatz, der bei Caccini die unterschiedlichsten Formen annimmt: vom knappen Akzent auf einer Note bis zu mehr oder weniger ausgedehnten Tonreptetitionen und ausgreifenden Koloraturen. Insbesondere die gewundenen passagi verleihen das der Musik einen exotischen Reiz, der gelegentlich an orientalische Gesangsmanieren denken läßt.
ABER BITTE MIT NONCHALANCE!
Der Komponist wünschte sich eine volle, natürliche Stimme. Marco Horvat meistert sämtliche Anforderungen mit seinem markanten, leicht körnigen Bass bravourös. Besonders der farbige, offene Ton seiner Stimme besticht. Mit größter Selbstverständlichkeit balanciert Horvat auf dem schmalen Grat zwischen Kunst- und Volksgesang, was seinen Darbietungen etwas frappierend Gegenwärtiges verleiht. Der Sänger realisiert das, was Caccini mit dem Begriff sprezzatura als ideale Vortragsweise bezeichnet hat: eine gewisse vornehme Natürlichkeit, die die Anstrengung der Kunst hinter unangestrengter Leichtigkeit verbirgt. Diese Nonchalance gelingt Horvat nicht zuletzt dadurch, dass er sich - wie schon der Komponist seinerzeit - selbst zu seinem Gesang auf der Theorbe, der Barock-Gitarre oder Lirone begleitet. Die Einheit von Sänger und Instrumenatlist ermöglicht sowohl größere Feinabstimmung wie auch Spontanität und führt zu einem im besten Sinne darstellenden Singen. Die Verstärkung durch weitere Musiker mit zusätzlichen Zupf- und Schlaginstrumenten ist damit natürlich nicht ausgeschlossen. Das bringt weitere Farben in Caccinis poetischen Garten hinein, die nicht zuletzt wegen des vorzüglichen Klangbildes bestens zu Geltung kommen (der Komponist war übrigens wirklich ein erfolgreicher Gärtner, aber das ist jetzt eine andere Geschichte ...)
Georg Henkel
Trackliste
1 | Tu ch'ai le penne, Amore | 4:30 |
2 | Muove si dolce | 2:08 |
3 | Torna, deh, torna | 3:04 |
4 | Amor, dhe deggio far? | 2:47 |
5 | Si de los ojos nace | 3:34 |
6 | Funeste piagge | 4:32 |
7 | A quei sospiri ardenti | 2:55 |
8 | Pietà, di chi si more | 3:13 |
9 | Dalla porta d'oriente | 4:28 |
10 | Tutto'l di piango | 5:06 |
11 | Donna, siam rei di morte | 3:07 |
12 | Mentre che fra doglie e pene | 2:32 |
13 | Vaga su spin'ascosa | 2:43 |
14 | Pasciti pur del dore | 4:44 |
15 | Toccata prima | 2:55 |
16 | Parto, nel mio partir | 2:37 |
17 | Ard'il mio petto misero | 2:36 |
18 | Io mi distruggo & ardo | 4:14 |
19 | Chi mi confort'haime? | 6:02 |
20 | Da gl'abissi del mio core | 3:20 |
Besetzung
Olga Pitarch (Gesang)
Eric Belloq (Theorbe, Renaissance-Gitarre)
Bruno Caillat (Schlagzeug)
Angélique Mauillon (Doppelharfe)
Imke David (Lirone)
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |