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Messen BWV 234, 235
Info
Musikrichtung:
Barock
VÖ: 25.09.2008 (Alpha / Note 1 / CD, DDD, 2007, Best.nr. Alpha 130) Gesamtspielzeit: 61:39 Internet: Ensemble Pygmalion Alpha |
PARODIEN
Dass Johann Sebastian Bachs vier Missae breves, also seinen für den Gebrauch im lutherischen Gottesdienst nur Kyrie und Gloria umfassenden Messvertonungen, nie die gleiche Aufmerksamkeit und Bewunderung wie der h-moll-Messe zuteil wurde, dürfte nicht zuletzt daran liegen, dass zumindest der Nachwelt das von Bach hier angewandte Prinzip der Parodie merkwürdig erschien. Bach hat für diese "Kurzmessen" ganz überwiegend musikalisches Material aus seinen zahlreichen Kantaten recycled. Es sind also keine Parodien, die sich der Einfälle anderer Komponisten bedienen würden und die Verwendung der Musik bleibt sogar im geistlichen Rahmen. Dennoch scheint die Methode gerade der seit der Romantik von der Idee des Künstlers und Genies beseelten Musikgeschichte nicht zu behagen. Selbst Albert Schweitzer nannte diese Kompositionen noch "barbarische Parodien" und empfand sie als musikalischen Nonsens.
Auch wenn man derart pauschale Urteile hinter sich lassen will, bleibt allerdings zu konstatieren, dass die Missae breves zumindest nicht durchweg unproblematische Werke sind. Gerade die Messe in A-Dur, BWV 234, zeigt die Probleme des Parodiemethode auf: Zwar wirken die Einzelsätze für sich genommen noch immer musikalisch delikat und absolut überzeugend, es fehlt aber an einer übergreifenden kompositorischen Idee, so dass die Sätze etwas beziehungslos nebeneinander stehen. Wie aus einem Guss erscheint dagegen die Messe g-moll, BWV 235, ein sehr bewegtes, im Eingangssatz mit heiligem Ernst auftrumpfendes Werk.
Der Dirigent Raphael Pichon denkt seine Interpretation deutlich von der Instrumentalbegleitung her, was ihn einen beschwingten, lichtdurchfluteten Ansatz wählen lässt. Dadurch wirken die Messen trotz der chorischen Besetzung leicht und schwebend. Dem Ensemble Pygmalion kommt zugute, dass es seit 2005 als Einheit von Chorsängern und Instrumentalisten fungiert, also bestens aufeinander eingespielt ist. Der Chorklang ist angenehm körperlich, das Orchester spielt auf hohem Niveau und mit großer Sensibilität für die klangfarblichen und harmonischen Reize.
Bei den Solisten fallen besonders der Tenor Emiliano Gonzales-Toro und sein Kollege im Baritonpart Sydney Fierro positiv durch eine sehr runde, warme Tongebung auf. Diese Wärme strahlt auch Magid El-Bushras Countertenorstimme aus, jedoch fehlt ihr bisweilen ein wenig mehr Volumen, was man von Eugénie Warnier (Sopran) nicht behaupten kann.
Die freudige Vitalität, mit der Bachs Kurzmessen hier musiziert werden, lässt den geplanten zweiten Teil der Einspielung mit den Messen BWV 233 und 236 gespannt erwarten.
Sven Kerkhoff
Trackliste
2-7 Missa Brevis g-moll, BWV 235
8-13 Missa Brevis A-Dur, BWV 234
Besetzung
Altus: Magid El-Bushra
Tenor: Emiliano Gonzales-Toro
Bariton: Sydney Fierro
Pygmalion
Ltg.: Rahpael Pichon
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |