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Reviews

Rathgeber, J. V. (Hirsch)

Messe von Muri / Concertos


Info

Musikrichtung: Barock

VÖ: 16.11.2007

audite / Edel (SACD hybrid (AD: 2006) / Best.nr. 92.559)

Gesamtspielzeit: 72:03

Internet:

Audite Produktseite mit Anspieltracks

FEINKOST

Einen echten Leckerbissen hat das Detmolder Label audite in einer Koproduktion mit dem Schweizer Radio DRS 2 für die Fans zubereitet.
Zunächst einmal ist diese SACD eine audiophile Kostbarkeit. Ich weiß nicht, wann ich überhaupt jemals ein derart ausgewogenes, transparentes, dennoch warmes, perfekt gestaffeltes Klangbild gehört habe, zumal bei einer Aufnahme aus einem tontechnisch immer diffizilen Kirchenraum. Bei den Produktionen der grossen Label in den vergangenen Jahren jedenfalls ganz sicher nicht. Hier nun scheinen die Vokalsolisten wirklich im heimischen Wohnzimmer zu stehen. Dennoch werden auch Chor und Orchester mustergültig abgebildet und selbst der recht extensive Einsatz der Pauke in der Messvertonung verunklart den Klang im nicht eben riesigen Kirchenraum der Abteikirche im schweizerischen Muri keineswegs.

Mit der Messe XII von Johann Valentin Rathgeber (1682-1750) hat Thilo Hirsch im Zuge seiner musikwissenschaftlichen Forschungen zudem ein höchst spannendes Werk dieses wichtigen Komponisten des Spätbarock wiederentdeckt. Sehr schön ist an dem als Nummernmesse konzipierten Stück abzulesen, auf welche musikalischen Vorbilder aus dem süddeutschen Raum Leopold Mozart und an sein Beispiel anknüpfend später auch Wolfgang Amadeus zurückgriffen. Das festliche, unbeschwerte und in vielen Teilen durchaus volkstümliche Werk bekommt einen besonderen Glanz dadurch, dass Thilo Hirsch sich entschlossen hat, die Clarino-Stimme mit einer Tromba marina zu besetzen und die Partie um eine Paukenstimme zu verstärken. Die Tromba marina - auch Nonnentrompete genannt (vgl. zum Instrument http://www.trombamarina.com/tm.htm) - ist ein rund zwei Meter hohes Streichinstrument mit grossem Resonanzkasten, bei dem durch Abgreifen der einzigen Saite Flageolettöne erzeugt werden. Diese ähneln klanglich Trompetentönen, doch sind sie etwas weicher und erdfarbener. Das Instrument wurde ursprünglich tatsächlich vor allem in Nonnenklöstern als Trompetenersatz verwandt, da den Frauen das Trompetenspiel lange Zeit untersagt war.
Die hier bei der Messe von Muri parallel eingesetzte Rekonstruktion einer einsaitigen Holzpauke gibt eine pointierte, exakte und leicht militärisch anmutende Unterstreichung ab, ohne sich in den Vordergrund zu drängen.
Das schmal besetzte ensemble arcimboldo bildet eine homogenen, treffsicheren Chor, der von der Cappella Murensis kundig und mit instrumentaler Farbenpracht begleitet wird. Die Vokalsolisten runden mit einer guten, im Sopran und Tenor (Maria C. Schmidtr und Hans Jörg Mammel) sogar hervorragenden Leistung den positiven Gesamteindruck ab. Einzig der Altus von Alex Potter tönt dann doch etwas arg spröde.

Wer die Tromba marina noch einmal in voller Schönheit und mit ihrem ganz eigenen Farbspektrum erleben möchte, kommt dann bei dem entsprechenden Concerto aus der Feder von Christian Gottfried Telonius (um 1750) auf seine Kosten. Thilo Hirsch agiert hier als Solist und beherrscht das Instrument virtuos.

Die weiteren Concerti aus Rathgebers "Chely sonora" machen zum einen die Vielseitigkeit und den Einfallsreichtum dieses Komponisten deutlich. Zum anderen werden mit den eingesetzten Clarinetten und Naturtrompeten die weiteren Mitglieder der Familie der historischen Trompeteninstrumente vorgestellt. Der Lern- und Aha-Effekt stellt sich bei diesen schwungvoll und delikat vorgetragenen Werken ganz von selbst ein. Und der Umstand, dass auch bei höchster Könnerschaft der Naturtrompete hin und wieder ein nicht ganz so reiner Ton entfleucht, macht die Sache nur aufschlussreicher.
Die eingeschobenen Konzerte für Violine, Streicher und Basso Continuo setzen einen gut ausgewählten Kontrast. Bei den Concerti überwiegen teils die Einflüsse des deutschen Barockstils, teils auch italienische Stilelemente.

Das Booklet wartet nicht nur mit Anmerkungen von Thilo Hirsch auf, sondern auch mit einem Beitrag von Martin Kirnbauer, dem Leiter des Musikmuseums Basel.

Eine von allen Beteiligten mit viel Liebe, Engagament und höchster Professionalität gestaltete Produktion und eine unbedingte Empfehlung für jeden Musikfan, der seine Neugierde noch nicht verloren hat.



Sven Kerkhoff

Trackliste

1-5 Rathgeber: Messe von Muri (Missa XII, op. 12)
6-9 Rathgeber: Concertos XIX, VI, XX und IV aus "Chelys sonora", op. 6
10 Telonius: Concerto XIII
11-12 Rathgeber: Concertos I und XIV aus "Chelys sonora", op. 6

Besetzung

Cappella Murensis
Ltg. Johannes Strobl
ensemble arcimboldo
Ltg. Thilo Hirsch
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So bewerten wir:

00 bis 05 Nicht empfehlenswert
06 bis 10 Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert
11 bis 15 (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert
16 bis 18 Sehr empfehlenswert
19 bis 20 Überflieger