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Motetten
Info
Musikrichtung:
Renaissance / Barock vokal
VÖ: 20.06.2007 Tacet Musikvertrieb Johannes Gebhardt / SACD Surround (AD 2006) / Best. Nr. Tacet S 156 Gesamtspielzeit: 61:04 |
MIT ENGELZUNGEN
In eine Liste exzentrischer Komponisten gehörte auch der Franzose Guillaume Bouzignac (ca. 1590-1640), von dem etwa 45 geistliche Werke handschriftlich überliefert sind. Satztechnisch mutet seine mehrstimmige Musik eher konservativ an: eine Fortsetzung der besten Renaissancetraditionen. Auf den damals neuartigen Generalbass wird konsequent verzichtet. Doch sorgt eine raffinierte Montagetechnik mit kreisenden Wiederholungen, Dialog- und Echoeffekten für eine ausgesprochene Dramatik. Solostimmen und kleine Ensembles werden im raschen Wechsel gegen Tuttiblöcke gesetzt, um starke Binnenspannungen zu erzeugen. Viele Motetten entpuppen sich als regelrechte Mini-Oratorien, deren Abwechselungsreichtum und Schönheit verblüffen.
In der Motette Ecce homo wird der dramatische Disput zwischen Pilatus und der aufgebrachten Volksmenge inszeniert; die leidenschaftliche Rhetorik der Turbae lässt einen sofort an Bachs Johannespassion denken. Ergreifende Trauer verbreiten dagegen die bordunartigen Wehe-Rufe des Chores in Unus ex vobis ("Einer von euch wird mich verraten"). Klanglich erinnert das Stück mitunter an ostkirchliche Gesänge. Mit seinen skandierenden Rhythmen und plötzlichen Tempowechseln wirkt das Alleluya, Deus dixit geradezu ekstatisch. Von hymnischer Freude erfüllt ist dagegen Ecce festivitas amoris. Dass Bouzignac überdies ein Meister kontemplativer Entrückung war, zeigen Kostbarkeiten wie das ätherische Tota pulchra est oder das ganz nach innen gekehrte, berührend schlichte Beati mortui.
Trotz dieser Qualitäten haben sich die Interpreten eher zögerlich auf die Musik eingelassen. 1986 veröffentlichte das Label Arion eine inzwischen gestrichene CD, die für Aufsehen sorgte. 1993 dann hat William Christie mit viel interpretatorischer Phantasie 17 Stücke eingespielt (harmonia mundi). Dabei wurden neben einem gemischten Chor auch Falsettisten, Knabenstimmen und zusätzliche Instrumente wie Gamben und Posaunen " letztere beim Te Deum - eingesetzt. Auch die Individualität der Soli betonte die zukunftsweisenden, barocken Momente der Musik.
Christies farbige, diskret theatralische Einspielung hat jetzt ein nicht minder eindrucksvolles Pendant bekommen: Das Sächsische Vokalensemble unter der Leitung von Matthias Jung musiziert 22 Motetten, darunter zahlreiche Neuheiten.
Dass sich das Ensemble für eine reine Vokalbesetzung entschieden hat, betont zunächst die retrospektiven Momente der Musik, lässt einen aber dafür Bouzignacs Konzeption in besonderer Reinheit erleben. Ein besonderer Clou der Produktion ist nämlich die von Stück zu Stück wechselnde Aufstellung der Stimmgruppen, wobei die ausgefeilte Klangregie erst im Surround-Sound ihre ganze Wirkung entfaltet. Man fühlt sich mittendrin im himmlischen Getümmel.
Doch auch stereo ist diese sinnliche Darbietung von höchster Qualität, zumal das Klangbild in Punkto Wärme und Körperlichkeit keine Wünsche offen lässt. Das Sächsische Vokalensemble, das über knabenhaft schlanke Soprane verfügt, singt mit Engelzungen, lupenrein und schwerelos. Wie schon bei Christie ist das für hohe Stimmen gesetzte Tota pulchra est von schwer erträglicher Schönheit. Vorteilhaft unterstreichen die im Vergleich mit der älteren Aufnahme etwas schnelleren Tempi in den Dialogmotetten die Dramatik der Musik. Gesungen wird übrigens in "normalen", nicht in französisiertem Latein ("sanctüs dominüs"). Vorzüglich ist auch der Begleittext von Gregor Hermann.
Man möchte auf keine der beiden Aufnahmen verzichten.
Georg Henkel
Trackliste
1 | Dum silentium | 4:02 |
2 | Alleluya, Deus dixit | 2:38 |
3 | Ego gaudebo in Domino | 1:50 |
4 | Vulnerasti cor meum | 4:10 |
5 | Tota pulchra est | 3:22 |
6 | Fuge, dilecte me | 1:16 |
7 | Ave Maria | 2:09 |
8 | Tu quis es | 1:40 |
9 | Stella refulget | 2:24 |
10 | Ex ore infantium | 3:16 |
11 | In pace idipsum | 2:46 |
12 | Beati mortui | 2:39 |
13 | Hodie cum gaudio | 3:43 |
14 | Ecce festivitas amoris | 2:10 |
15 | Unus ex vobis | 2:39 |
16 | Quaerum quem diligit | 2:30 |
17 | Ecce homo | 1:21 |
18 | Clamant clavi | 1:42 |
19 | Ha! Plange | 2:49 |
20 | O! Flamma divini amoris | 3:20 |
21 | Te Deum | 6:44 |
22 | Jubilate Deo | 1:54 |
Besetzung
Ltg. Matthias Jung
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |