Reviews
North star deserter
Info
Musikrichtung:
Singer/Songwriter, Indie-Rock
VÖ: 31.08.2007 (Constellation/Alive) Gesamtspielzeit: 57:05 Internet: http://www.vicchesnutt.com |
Und wieder beglückt uns der amerikanische Songwriter Vic Chesnutt mit einem weiteren Album voller wunderbarer Titel. Die Songs des an einen Rollstuhl gefesselten Musikers klingen überwiegend düster und verschroben, allerdings ohne in eine ausweglose Hoffnungslosigkeit zu versinken. Seine dichterischen Texte wirken poethisch bis surreal und haben oft einen autobiographischen Hintergrund. Dies hebt ihn problemlos aus der Masse an radiokompatiblen Liedermachern und Folkmusikern heraus, mit welchen man tagtäglich beschallt wird. Sein unverkennbarer Gesang mit einer etwas ungewöhnlichen Phrasierung, bei der er oft einzelne Silben ungewöhnlich lang zieht, tut ihr übriges dazu.
Welches Ansehen Vic Chesnutt damit in Indiekreisen besitzt lässt sich an der illustren Schar an Gästen, welche sich auf „North star deserter“ ein Stelldichein gibt, ablesen. Unter anderem stellten dem Hauptakteur Musiker von Fugazi, The Quavers, Frankie Sparo, Thee Silver Zion Memorial Orchestra und Godspeed! You Black Emperor ihre Fähigkeiten zur Verfügung. Heraus kam dabei eine äußerst spannende und ungewöhnliche Platte, die ein sehr großes Stück über den typischen Singer/Songwriter-Kosmos hinausragt.
Neben zahlreichen traditionellen Singer/Songwriter- und Folksongs finden sich auf North star deserter auch Stücke, mit schönen Orchestrierungen und mehrstimmigen Gesang („Glossolalia“, „You are never alone“), Halbballaden welche sich mit noisigen E-Gitarren zu wahren rockigen Monstern aufbauschen („Everything I say“, „Debriefing“) oder episch anmutende Balladen („Splendid“, „Marathon“). Dies macht das Album auch für Indie-Hörer äußerst interessant, welche ansonsten mit dem Liedermachergenre nicht wirklich viel anfangen können.
Doch am eindringlichsten und intensivsten wirkt Vic Chesnutt wenn er allein mit seiner akustischen Gitarre ins Ohr des Hörers flüstert (z.B. „Warm“, „Fodder on her wings“, „Over“). Eines haben allerdings alle Songs auf diesem Album gemeinsam: es steht eindeutig die einzigartige Stimme von Vic Chesnutt im Mittelpunkt. Diese klingt manchmal etwas daneben oder brüchig, aber versprüht zu jeder Sekunde pure Leidenschaft. Damit befindet er sich auf Augenhöhe mit Kollegen wie Neil Young oder Bob Dylan, auch wenn er selbst einer anderen Musikergeneration angehört.
Zusammenfassend kann man nur sagen, dass Vic Chesnutt mit North star deserter ein wirklich großartiges Album gelungen ist. Teils etwas verstörend und bedrückend, aber stets mitreißend und nicht ohne ein Licht am Ende des Tunnels. Wenn seine Plattenfirma (wie üblich) behauptet, es sei sogar sein bestes Werk bisher, ist man glatt dazu geneigt dies zu glauben. Was allerdings definitiv fest steht ist, dass man eine bessere CD in diesem Genre im Jahr 2007 wahrscheinlich nicht so leicht finden wird.
Mario Karl
Trackliste
1 | Warm | 3:00 |
2 | Glossolalia | 3:32 |
3 | Everything I say | 6:53 |
4 | Wallace Stevens | 2:17 |
5 | You are never alone | 5:45 |
6 | Fodder on her wings | 3:12 |
7 | Splendid | 8:29 |
8 | Rustic city fathers | 4:23 |
9 | Over | 4:00 |
10 | Debriefing | 8:27 |
11 | Marathon | 5:34 |
12 | Rattle | 1:28 |
Besetzung
Mit:
Thierry Amar: contrabasse, electric bass, singing
Howard Bilerman: drums
Bruce Cawdron: bowed vibraphone and glockenspiel
Jem Cohen: field recordings
Eric Craven: skateboardthing
Beckie Foon: cello, singing
Scott Gilmore: drums
T. Griffin: guitar, field recordings
Genevieve Heistek: viola
Ian Ilavsky: singing
Chad Jones: guitar, singing
Efrim Menuck: guitar, piano, harmonium, casio, singing
Jessica Moss: violin, singing
Nadia Moss: organ, piano, singing
Guy Picciotto: guitar, field recordings
Sophie Trudeau: violin
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |