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Werke für Chor und Orchester
Info
Musikrichtung:
Neue Musik Chor Orchester
VÖ: 03.11.2003 Accord / Universal 3 CD (AD DDD 1988-90) / Best. Nr. 4761072 Gesamtspielzeit: 150:00 |
RIESENRAGAS
Giacinto Seclsis (1905-1988) Chor- und Orchesterwerke gleichen mitunter ins riesenhafte vergrößerten Ragas. Wie die indischen Vorbilder umspielen sie einen Zentralton, der dort zum Ausgangspunkt phantastischer, melodisch wie rhythmisch ausufernder Improvisationen wird.
Auch Scelsis Werke gehen im Kern auf Improvisationen des Komponisten zurück. Scelsi, der sich als Medium verstand, lieferte mit einem speziellen elektronischen Instrument und Tonbandaufzeichnungen die klangliche „Vision“ als Skizze. Esoterische oder unaussprechliche Titel wie Aion, Chukrum, Hymnos, Uaxuctum, Hurqualia, Pfhat oder Konx-Om-Pax verweisen dabei auf den meta-asiatischen, mystisch-spirituellen Hintergrund des Komponisten. Scelsis Mitarbeiter, vor allem der Dirigent und Komponist Vieri Tossati, besorgten die detailgenaue Ausarbeitung in Partiturform. Nach dem Tod des Komponisten, dessen Hauptwerke häufig erst 25 Jahre nach ihrer Entstehung uraufgeführt wurden, gab es darüber einige Irritationen, zumal sich Tossati eher abfällig über die gemeinsamen Hervorbringungen äußerte. Den „Kultstatus“ Scelsis vermochte derlei jedoch nur wenig zu beschädigen.
Für das grandiose musikalische Ergebnis ist der Streit über die wahre Autorenschaft letztlich ohne Bedeutung. Scelsi ist eine eigenständige und originelle Stimme in der abendländischen Musik des 20. Jahrhunderts. Einerseits komponierte er für die Schublade und abseits der herrschenden Strömungen, andererseits gibt es interessante Parallelen zu den Cluster- und Klangraumkompositionen von Ligeti, Penderecki und Xenakis aus den 60er Jahren.
Anders als die indischen Modelle bezieht Scelsis Musik viel stärker den Klangraum mit ein, nicht zuletzt durch die weiträumige Aufstellung der Ensembles. Musikalisch führt der Weg dabei in das Innere des Tons, der primär als Klangereignis begriffen wird. Scelsi formt den Klang wie der Töpfer den Ton. Schier unendlich scheinen die gestalterischen Möglichkeiten: Auf der Grundlage von mikrotonalen Clustern, Obertonklängen, differenziertester Artikulation, Dynamik und Klangfarbenmischung offenbart sich der Einzelton als regelrechter Mikrokosmos, der gleichsam durch den orchestralen Zoom hörbar gemacht wird. Das wilde Wogen und Atmen der Musik, bei der selbst geballte Dissonanzen noch schön und harmonisch tönen, und die geheimnisvoll-sphärischen Wirkungen machen Scelsis Kompositionen auch für solche Hörer attraktiv, die Neue Musik sonst als anstrengend oder nervtötend ablehnen.
Jürg Wyttenbach hat in den späten 1980er Jahren mit dem Radio-Sinfonieorchester Kattowitz eine eindrucksvolle Gesamteinspielung der Werke für Chor und Orchester vorgelegt. Diese beim französischen Label Accord erschienenen Produktionen sind inzwischen in einer günstigen 3er-Box erhältlich, die z. Zt. aber nur über französische Anbieter wie amazon.fr zu beziehen ist. Leichter in Deutschland zu bekommen ist die bei CPO (JPC), Col legno (hm), Wergo (Note 1) oder Kairos (hm) produzierte Kammermusik Scelsis. Beim amerikanischen Label Mode Records (Sunnymoon) ist zur Zeit eine Neueinspielung der Orchesterwerke in Arbeit.
Georg Henkel
Besetzung
Radio-Sinfonieorchester Kattowitz
Ltg. Jürg Wyttenbach
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |