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Reviews

Otte, H. (Otte, H.)

Buch der Klänge / Stundenbuch / Face à Face


Info

Musikrichtung: Neue Musik Klavier

VÖ: 13.11.2006

Celestial Harmonies / Naxos
2 CD (AD DDD 1983/1999/1965) / Best. Nr. 12069-2


Gesamtspielzeit: 141:14

AN DER SCHWELLE ZUM NIRVANA

Ein beliebtes Kinderspiel ist das wiederholte Aussprechen eines vertrauten Wortes, so schnell und lange, bis das Wort seine Bedeutung verliert und wie durch Zauberei zum reinen phonetischen Klanggebilde wird, das schön unsinnig klingt. Am Ende ist man sich nicht mehr sicher, ob es sich überhaupt jemals um etwas anderes gehandelt hat als um ein solches eigensinniges Klanggebilde. Gibt es dieses Wort überhaupt? Das einst so Vertraute ist fremd geworden, fängt an, ein Eigenleben jenseits aller Semantik zu führen.

So etwas kann einem auch passieren, wenn man dem Komponisten Hans Otte (geb. 1926) bei seiner Einspielung von Das Buch der Klänge lauscht. Das aus der europäischen Klavierliteratur von Bach bis Debussy vertraute Figuren- und Harmonie-Inventar erscheint hier isoliert als „schöne Stellen“, die in endlosen, frei schweifenden Wiederholungen aller ursprünglichen Funktion und Semantik entkleidet werden, bis nach einer Weile ihr klangliches Substrat ungefiltert hervortritt.
Das scheinbar Bekannte erscheint plötzlich fremdartig, unvertraut, abstrakt. Ob es sich um die fortgesetzten Spiegelungen gebrochener Akkorde oder um dynamisch feindifferenzierte Klangblöcke, um schlichte Quint-Quart-Folgen oder weit ausschwingende, ins Nirgendwo zielende Melodiebögen handelt: Überall begegnet dem Hörer die gleiche wohltönende Absichtslosigkeit, gepaart mit großer Sensibilität für den Klavierklang, der hier nichts als sich selbst bedeutet.

Das mag man als heilsamen Balsam für Ohren und Geist empfinden oder als banalen Sirup. Was dem einen als meditatives Ruhen beim Klang erscheint, langweilt den anderen als zwar dekorative, aber sinnentleerte Phrase. Avantgardegewohnte Ohren dürften Ottes vom Buddhismus inspirierte Klangenfaltungen entweder als Erlösung oder Sündenfall empfinden: Die Erlösten werden sich im Anschluss an die 76 Minuten mit Vergnügen dem erratischen Stundenbuch zuwenden, das mit ähnlich sparsamen Mitteln operiert, insgesamt noch konzentrierter und dafür rhythmisch freier ist. Die Entnervten werden dagegen in dem kurzen Face à face einen gewissen Trost finden. In diesem älteren Werk nutzt Otte das ganze Klavier inklusive Korpus als unkonventionellen Klangerzeuger, der geschlagen, gezupft oder gerieben wird und spielt per Tonband mit sich selbst im Duett. Obschon nicht weniger klangsinnlich als die beiden späteren Werke, bekommt man als Hörer hier doch eine ungleich spannungsvollere, zerklüftetere Klanglandschaft voller bizarrer und überraschender Momente geboten. Da wartet man dann doch noch gerne etwas länger mit dem Eintritt ins akustische Nirvana.

CD I enthält erstmals die vollständige digitale Fassung von Ottes Einspielung vom Buch der Klänge. Sowohl dieses wie auch das 1999 aufgenommene Stundenbuch sind bereits vorher beim Label Dacapo erschienen. Bei Face à face handelt es sich um eine Archivaufnahme von Radio Bremen. Die Aufnahmen wurden von Celestial Harmonies anlässlich von Hans Ottes 80. Geburtstag in einer limitierten Edition wiederveröffentlicht.



Georg Henkel

Trackliste

CD 1
01-12 Das Buch der Klänge 76:00

CD 2
1-48 Stundenbuch 49:17
49 Face à face 15:57

Besetzung

Hans Otte, Klavier
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So bewerten wir:

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06 bis 10 Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert
11 bis 15 (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert
16 bis 18 Sehr empfehlenswert
19 bis 20 Überflieger