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Sonate a quattro
Info
Musikrichtung:
Barock Ensemble
VÖ: 09.04.2021 (Ricercar / Note 1/ CD / 2020 / Best. Nr. RIC 422) Gesamtspielzeit: 59:37 |
KLANGVOLL
Zweimal barocke Musik für Streicher in Aufnahmen, die gegensätzlicher kaum sein könnten:
Wie mit dem Silberstift gezogen klingen die Bach-Bearbeitungen des britischen Gamben-Ensembles „Phantasm“, die sich in der zweiten Folge ihrer Reihe „The Well-Tempered Consort“ einige Präludien und vor allem Fugen aus dem „Wohltemperiertem Klavier“ vorgenommen haben (Details). Mit delikater Klangkultur werden Bachs kunstvolle Kontrapunkte nachgezeichnet.
Was auf dem Cembalo oder auch der Orgel immer auch etwas toccatenhaft perkussiv wirkt, entspinnt sich hier als filigranes Linienwerk für Streicher. Ein elegantes Legato sorgt bei diesen vielstimmigen Arabesken für einen schimmernden Klangfluss. Allerdings macht sich nach einigen Stücken auch eine gewisse Einförmigkeit breit: Der Gambenklang wirkt etwas eng, wenig akzentuiert oder moduliert. Das Konzertante, Tänzerische, die Italianita in Bachs Musik kommt ebenso wenig zum Tragen wie die individuellen Charaktere der Fugen. Bachs Fugen sind ja nicht deswegen großartig, weil es sich um Fugen handelt, sondern weil sie mehr als Fugen sind. Alles klingt hier schön, kultiviert, alles ist technisch gut und sorgfältig erarbeitet, aber es bleibt im Ganzen doch zu distanziert, unkörperlich und blutarm – wie die Schwarzweißreproduktion eines Barockgemäldes.
Anders dagegen die „Sonate a quattro“, die das französische Ensemble „Les Récréations“ aus dem Schaffen der Scarlattis präsentiert. Die Streicher aus der Violinenfamilie, die noch durch Theorbe und Laute im Bass verstärkt werden, formieren sich zu einem Vorläufer jener Streichquartette, mit denen Mozart, Haydn und Beethoven klassische Gipfelwerke schaffen sollten.
Hier freilich ist alles noch sehr barock, affektgeladen, spannungsvoll rhetorisch. Und körperlich: Das Klangbild ist präsent, die Instrumente farbig und volltönend. Die Musik greift aus, lamentiert und jubiliert. Dies alles satztechnisch noch auf einem weniger finalen Niveau als bei Bach – aber möglicherweise steht bei Scarlatti & Co. jene Ehrfurcht, die schnell in interpretatorische Übervorsicht mündet, einem musikantischen Zugriff nicht im Weg. Die Rekreationisten aus Frankreich übertreiben dabei keineswegs, aber sie kosten sowohl die klanglichen wie artikulatorischen Möglichkeiten ihrer Instrumente aus, lassen das Spielerische und Experimentelle in den Kompositionen aufleuchten. Auch Fugen können Konzerte sein – und dramatisch. So erlebt man hier paradoxerweise "mehr Musik" als bei den Bachtranskriptionen von „Phantasm“.
Georg Henkel
Trackliste
Trabacci: Durezze e ligature
Gesualdo: Gagliarda del Principe di Venosa
F. Scarlatti: Sonate a-moll
D. Scarlatti: Sonate K. 87
Besetzung
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |