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Reviews

Charpentier, M.-A. (Kahlil, R.)

La Descente d'Orphée aux Enfers


Info

Musikrichtung: Barock Oper

VÖ: 04.05.2018

(Glossa / Note 1 / CD / DDD / 2017 / Best. Nr. GCD 923602)

Gesamtspielzeit: 60:45

ORPHEUS "IN FARBE"

Orpheus liebt Euridike, Euridike liebt Orpheus - allein, eine Schlange ist dagegen und so nimmt das Schicksal seinen Lauf: Euridike muss ins Totenreich hinab. Orpheus folgt der Geliebten und betört mit seinem Gesang die Unterweltgeister und schließlich sogar Pluto höchstpersönlich. Dem halbgöttlichen Sänger wird gestattet, seine Braut wieder mit sich in die Welt der Lebenden zurückführen - doch auf dem Weg nach oben darf er sich nicht zu der Schönen umwenden, sonst wird er sie für immer verlieren.
Marc-Antoine Charpentiers Miniatur-Oper La Descente d'Orphée aux Enfers (1686/87) besteht aus zwei Akten und endet genau an dieser Stelle. Zu Orpheus' Fall und Euridikes endgültiger Rückkehr in die Unterwelt gibt es kein Libretto und keine Partitur. Ob Charpentier den tragischen Ausgang der Geschichte erst gar nicht vertont hat oder ob 3. Akt verloren gegangen ist, darüber streiten sich Gelehrte und Interpreten. In jedem Fall enthalten die vorhandenen Teile genügend schöne und herausragende Musik, um eine Aufführung zu rechtfertigen.

Charpentier stand damals in den Diensten der Madmoiselle du Guise und gebot über ein kleines, aber erlesenes Ensemble von zehn Sängerinnen bzw. Sängern und etwa die gleiche Anzahl Instrumentalisten, das er mit meistlichem Gespür für dessen Möglichkeiten handhabte - man versteht, weshalb ihn die Versailler Komponisten als Konkurrenten fürchteten und vom Hof fernhielten.
Nach dem jüngst eine delikate, feinziselierte Interpretation mit dem Ensemble Correspondances und Sébastien Daucé erschienen ist (Harmonia Mundi), legt nun das 2012 gegründete französische Ensemble Desmarest unter der Leitung des Cembalisten Ronan Khalil eine Version vor, die sich auch von den anderen Produktionen des Werkes, z. B. von William Chrsitie und Les Arts Florissants, deutlich unterscheidet.

Zugespitzt kann man sagen, dass Khalil eine Farb-Version der Oper bietet, während die Vorgänger eher "monochrom" musizieren. Sieht man einmal vom Einsatz des Schlagzeugs ab, über dessen historisch authentische Verwendung man sicherlich geteilter Meinung sein kann, prägt die Neueispielung vor allem die "malerische" Verwendung der von Charpentier vorgesehenen Instrumente, um Stimmungen und Kontraste herauszuarbeiten: Der pastorale 1. Akt wird durch die Flöten, die in dieser Version in der Ouvertüre zunächst solistisch hervortreten, und Zupfinstrumente wie eine barocke Gitarre, in ein sinnliches Licht getaucht. Den ernsten 2. Akt prägen vor allem die gedämpften Streicherfarben der Gamben und Violinen, die die Lyra des Orpheus darstellen und seine ausdrucksvollen Soli begleiten. Das Ganze wird nun insbesondere durch kleinere improvisierte Vorspiele z. B. mit der Theorbe oder dem Cembalo, artikulatorische Finessen im Streichersatz, virtuosen rhythmischen Drive in den Tänzen, das Auskosten der per se ausdrucksvollen Harmonik sowie die Betonung der individuellen Sängertimbres in den "Chören" weiter bereichert: All dies trägt dazu bei, dass die Musik ungleich kontrastreicher und in gutem Sinne theatralischer wirkt als bei den Vergleichseinspielungen.

Charpentiers Musik zeigt hier auch noch deutlicher als bei den anderen Intrepreten, dass der Komponist einige Lehrjahre in Italien verbracht und Schüler des großen Carissimi gewesen ist. Dies hört man vor allem in den ergreifenden Airs des Orpheus. Diesen verleiht der hohe Tenor Cyril Auvity einiges mehr an Dringlichkeit als kürzlich noch Robert Getchell, der die Partie unter Daucé lyrischer und diskreter angelegt hat. Auvitys dagegen projiziert den Seelenschmerz seiner Figur nach außen, wobei er vom feinst abgestuften Piano bis zum ausgreifenden Forte über ein großes dynamisches Spektrum verfügt. Die Vertiefung des Ausdrucks durch eine empathische Deklamation und extrovertierte Tongebung prägt auch die Darstellung der Euridike der Céline Scheen oder des Pluto von Etienne Bazola.

Nicht zuletzt wegen der resonanzreichen, plastischen Klangqualität ist diese Einspielung eine weitere Referenz geworden. Gerne würde man Charpentiers mythologische Jagdoper Actéon und andere weltliche Werke von diesem Ensemble einnmal auf diesem Niveau hören.



Georg Henkel

Besetzung

Cyril Auvity: Orpheus
Céline Scheen: Euridyke
Etienne Bazola: Pluto
u.a.

Ensemble Desmarest

Ronan Khalil: Cembalo, Orgel und Leitung
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