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Reviews

Xavier Naidoo

Für Dich


Info

Musikrichtung: Deutscher Soul-Pop

VÖ: 24.11.2017

(Naidoo Records / Tonpool)

Gesamtspielzeit: 56:27

Es gibt Menschen, bei denen allein der Gedanke daran, sich ein Xavier Naidoo anhören zu müssen, dazu führt, dass sich die Fußnägel einrollen. Ja ja, solche Worte sind auf unserem virtuellen Redaktionsflur tatsächlich gefallen. Und wenn man sich den dauerjammernden näselnden Tonfall von Naidoos Stimme in Erinnerung ruft, entwickelt man durchaus Verständnis für eine solche Voreinstellung.

Ich habe Naidoo für die Leistung, als so ziemlich einziger deutscher Künstler eindeutig christliche Positionen in die Charts zu befördern, immer Absolution erteilt. Aber ich gebe zu: Wenn in der Redaktion mal wieder ein Naidoo-Album zur Besprechung angeboten wurde, habe ich eher aus Pflichtgefühl, denn aus überschäumender Begeisterung den Finger gehoben.

Ich weiß gar nicht, wie viel Scheiben ich so seit meinem Naidoo-Debüt Zwischenspiel / Alles für den Herrn Ende 2002 besprochen habe. Aber ich habe das Gefühl, die Reviews wurden immer distanzierter und gelangweilter. Denn „die reiche Ausbeute an Verzierungen und Spielereien, die mit einem sehr vielfältigen Instrumenteneinsatz (...) erzielt werden,“, die ich auf Zwischenspiel / Alles für den Herrn „beim genauen Hinhören entdeckt“ hatte, ist mir in der Folgezeit so nicht mehr begegnet. Mir war es immer wieder ein Rätsel, wie man so miesepetrig und leidend von der Frohen Botschaft Christi singen konnte.

Und nun kommt Für Dich. Das Album steht zwar eindeutig in der Tradition seiner Vorgänger; akzentuiert aber deutlich anders. Es wird zwar bis in den CD-Titel hinein immer wieder ein Du angesprochen, aber ob damit Gott, oder nicht doch eher ein Freund oder Partner gemeint ist, bleibt völlig offen. „Was ist schon für immer“ ist sogar ein eindeutig nicht auf Gott/Christus beziehbares Liebeslied. Wenn man auf dieser CD Gott finden will, muss man ihn schon mitbringen. So kann man, wenn man will, in „Solange ich noch darf“ eine Selbstverpflichtung zu christlicher Gefolgschaft sehen. Zwingend ist das nicht. Ähnlich sieht es mit politischen Statements aus. Auch hier war Naidoo schon deutlicher. Wenn in das die Heimat lobende „Zuhause“ die Flüchtlingsproblematik hineinspielt, kann das auch eine Assoziation sein, deren Zustandekommen allein dem Bewusstsein des Betrachters entspringt.

Mit diesem Ansatz opfert Naidoo natürlich das Pfund, mit dem er bei mir wuchern konnte. Allerdings hat er die „Absolution“ auch gar nicht mehr in dem Maße nötig. Als mir mein 5-CD-Wechsler zu ersten Mal „Nimm mich met“, in dem sich Naidoo etwas nostalgisch an einen Jugendfreund erinnert, in den Schacht lud, wusste ich erst gar nicht, welche CD da rotierte. Der schwung- und kraftvolle Pop-Song kommt fast völlig ohne Jammern aus. Auch „Gib mir Liebe“, ein Traum vom glücklich Sein, kommt als beschwingte Songwriter Nummer gut daher.

Okay, Naidoo bleibt Naidoo, und so bleibt es nicht aus, dass „Allein“, der sehr ruhige Trost für eine Verlassene, von der Stimme emotional zerfetzt wird. Warum es so viele Menschen gibt, die diese Leidensstimmen von den Naidoos, Gentlemans und Grönemeyers so lieben, wird mir immer ein Rätsel bleiben. Aber die Leidensnotwendigkeit ist bei Für dich doch etwas gesunken. Für mich sollte Xavier in dieser Richtung weiter an sich arbeiten und gerne auch wieder intelligente Texte über das Verhältnis zu Gott und Glauben produzieren.



Norbert von Fransecky

Trackliste

1Nimm mich mit 3:57
2Zuhause 3:58
3Für Dich 3:59
4Allein 3:48
5Gib mir Liebe 3:10
6Drück diesem Leben Deinen Stempel auf 4:25
7Bei Dir sein 4:02
8Stille 4:58
9Solange ich noch darf 3:35
10Hoch entwickelt 3:58
11Tropfen für Tropfen 3:51
12Bereit für die Liebe 4:43
13Was ist schon für immer 3:54
14Mach Dir keine Sorgen 4:08
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So bewerten wir:

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06 bis 10 Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert
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