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Sinfon. Auszüge aus "Parsifal" / Symph. Nr. 6
Info
Musikrichtung:
Romantik
VÖ: 15.11.2004 hänssler classic / Naxos (CD, DDD (AD: 2004, live) / Best.Nr. CD 93.119) Gesamtspielzeit: 78:35 Internet: hänssler classic |
FRISCHLUFT FÜR WAGNER UND TSCHAIKOWSKY
Wo Roger Norrington den Taktstock ansetzt, da muß man sich von vielen liebgewordenen oder langverhassten Hörtraditionen verabschieden. Sein Faible für das konsequent vibratolose Spiel auch bei einem klassischen Symphonieorchester hat sich das Radio-Sinfonieorchester des SWR inzwischen rigoros zu eigen gemacht. Und wie gut das gerade den Werken der Romantik tut, kann man hier einmal mehr erleben. Die von Erich Leinsdorf arrangierten Sinfonischen Auszüge aus dem "Parsifal" zeigen einen Wagner jenseits der wabernden Klangwolken. Die reiche Instrumentierung kann sich voll entfalten, wenngleich das Blech schon manchmal arg vorlaut scheppert. Zudem vermeidet Norrington die üblichen, scheinbar weihevollen Tempi. Es ist ein dramatischerer Wagner, als er uns sonst zumeist begegnet und das dürfte dem eigenen Ideal des Komponisten wohl deutlich näher kommen.
Ein Aha-Erlebnis noch deutlicherer Art kann man mit Tschaikowskys Symphonie "Pathetique" erleben. Es empfiehlt sich allerdings, Norringtons programmatische Deutungsversuche im Booklet nicht allzu kritisch zu hinterfragen. Hier wird in erstaunlicher Naivität manch altes Klischee zum hundersten Male aufgekocht. Wie dem auch sei: Musikalisch ist Norringtons Interpretation beileibe nicht der übliche Einheitsbrei. Er holt diese Symphonie aus der Ecke der gefühligen Plüschigkeit und Larmoyanz heraus, spitzt die Abläufe zu und schärft die Kontraste. Ganz verhalten-düster wird der Einstieg in den ersten Satz gezeichnet, ahnungsvoll das unruhige Zwischenthema angegangen und das kantable Motiv mühelos zart angeknüpft, bevor es in den schicksalhaft drohenden Kampf der thematischen Durchführung geht. Dabei verschwimmt dank der Präzision der Ausführenden trotz der Größe des Orchesterapparates und der Komplexität der symphonischen Struktur nicht eine Note.
Dem Walzer des zweiten Satzes mißtraut Norrington hörbar und das zu Recht, denn ein Walzer zum entspannten darin wiegen ist dies gewiß nicht. Er bekommt hier deshalb eher parodistische Züge verliehen. Den dritten, marschartigen Satz nimmt Norrington ganz stringent, um im Schlußsatz wieder neue Perspektiven zu eröffnen. Dieser Musik, die so voller Verzweifelung und Resignation steckt, gewinnt er in seiner Deutung immer wieder eine Seite friedvoller Ruhe ab. Das nimmt dem "Adagio lamentoso" nichts von seiner Tragik, läßt den aushauchenden Schluß aber in anderem Licht erscheinen. Norrington nennt dies die würdevolle Gelassenheit/Ergebenheit gegenüber dem Unausweichlichen.
Genau ein Stück dieser Würde ist jener Musik mit dieser Einspielung zurückgegeben.
Sven Kerkhoff
Trackliste
7-10 Tschaikowsky: Symphonie Nr. 6 h-moll op. 74 "Pathetique" 44:23
Besetzung
Ltg. Roger Norrington
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