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Your Turn to remember
Info
Musikrichtung:
Hard Rock / Heavy Metal
VÖ: 16.09.2016 (Sanctuary / BMG) Gesamtspielzeit: 150:07 Internet: http://www.uriah-heep.com |
I - Einleitung
Mit der Doppel-CD Your Turn to remember leitet die BMG eine Re-Release Edition der 17 ersten Uriah Heep-Studio-Alben als Doppel-CDs ein. Die Überraschungen sind marginal. Irgendwelche Novitäten gibt es nicht. Mit einer Ausnahme sind alle Stücke LP-Tracks. Von jedem Album sind zwei Stücke vertreten - mit der wenig erklärlichen Ausnahme von Raging Silence. Das gewiss nicht schwächste Album der Band ist nur mit einem Stück dabei. Das vielleicht Bemerkenswerteste an Your Turn to remember ist, dass den großen Klassikern nicht mehr Platz eingeräumt wurde, als den (wenigen) Flops und Durchschnittsscheiben im Oeuvre der Band.
II - En Detail
Album 01: Eine kleine Überraschung bietet die Wahl der wunderschönen Anti-Kriegs-Ballade „Come away Melinda“ vom Debüt Very ‘eavy, very ‘umble, ist es doch eine der sehr seltenen Cover Versionen in der Bandgeschichte. Ich hätte eher zu einem der bluesigeren Stücke gegriffen, die es so nur auf diesem Heep-Album gibt. Der Überklassiker „Gypsy“ ist dagegen eine Selbstverständlichkeit…
Album 02: …genauso wie „Lady in Black“, seit Mitte der 70er der Signature-Song der Band, der mit seinen Anti-Kriegs-Lyrics einen deutlichen Kontrapunkt zum martialischen Artwork setzt. Zu dem Power Rocker „Bird of Prey“ hätte es zwar Alternativen gegeben, aber er ist neben „Lady in Black“ eindeutig der bekannteste Song von Salisbury - und der Titelsong ist mit seinem Klassik-Hard Rock Crossover zwar der interessanteste Titel des Albums, passt mit über 15 Minuten aber auf keine Best of.
Album 03: Look at yourself ist insgesamt das wohl experimentellste Album von Uriah Heep. Das bildet Your Turn to remember, wie praktisch jede der unzähligen Best ofs, die von Heep schon erschienen sind, allerdings nicht ab. Mit dem rockigen Titelsong und der melodischen Hymne „July Morning“ sind die beiden üblichen Verdächtigen verhaftet worden; letzterer leider nur in dem stark verkürzten Single Edit.
Album 04: Bei Demons and Wizards musste ich mir stark die Augen reiben. Zwar sind auch aus diesem praktisch nur aus Best of würdigen Titeln bestehenden Top Album die zwei immer wieder genommen Stücke dabei, aber - so steht es im Booklet – „The Wizard“ in einer 14(!)-Minuten Version. Leider nicht mehr als ein Druckfehler!
Album 05: Auch bei The Magician’s Birthday sind zwei Titel dabei, die es immer wieder ins Live-Programm und auf Best ofs schaffen, obwohl es hier nicht so eindeutig ist, dass es genau die beiden sein müssen. Erfreulich ist die Wahl des eigenwilligen „Sunrise“, das die Vocal Künste der Band besonders gut präsentiert. Und der in den letzten Jahren regelmäßig im Live-Set befindliche Titelsong ist für eine Best of wieder mal zu groß.
An dieser Stelle fehlt das erste Live-Album von Uriah Heep.
Album 06: Keine Überraschungen bei Sweet Freedom. Mit „Stealin‘“ gibt es hier auch ein alternativloses Must be. Zum Titelsong hätte es Alternativen gegeben. Mich überzeugen „If I had the Time” und „Pilgrim”, ein weiterer Anti-Kriegs-Song, deutlich mehr.
Album 07: Die Auswahl von Wonderworld ist spannend – und zwar weil es hier keine selbstverständlichen Kandidaten gibt. Das Album ist – wohl auch in der Perspektive der Band selber – das schwächste Album der 70er Jahre. Als die erste Best of der Band 1976 erschien, war „Suicidal Man“ ausgewählt worden, das auch jetzt wieder mit von der Partie war. Auf dieser ersten Best of war „Lady in Black“ allerdings noch nicht vertreten, da es beim ersten Erscheinen keine so große Aufmerksamkeit erregt hatte. Als die Best of in zweiter Auflage erschien, hatte sich das geändert. „Lady in Black“ musste dabei sein. Allerdings wollte man das ursprünglich von Salisbury ausgewählte „Bird of Prey“ (zu Recht) nicht streichen. Also flog der „Suicidal Man“ raus, Wonderworld war auf der Best of so gar nicht mehr vertreten und „Lady in Black“ stand auf der in historischer Reihenfolge angeordneten LP an einem völlig falschen Platz.
Album 08: Wer Uriah Heep nach Wonderworld möglicherweise schon abgeschrieben hatte, wurde mit einem der stärksten Alben der 70er Jahre in die Schranken verwiesen. Der Titelsong „Return to Fantasy“ ist eine der stärksten Prog-Hymnen der Band überhaupt und die Tochter des Teufels kocht die höllische Glut auf sehr genießbare Weise auf. Ähnlich wie Demons and Wizards ist hier praktisch jeder Titel Best of fähig. Angesichts der Spielzeit dieser ersten CD von 72:11 Minuten und dem Titel der CD hätte ich das knapp viereinhalbminütige, sehr gefühlvolle „Your Turn to remember“, da es als Titel dieser Compilation dient, noch zusätzlich mit ins Programm genommen.
Album 09: „You can’t keep a good Band down“ past auf kein anderes Album besser, als auf High and mighty. Denn danach steigt Gründungssänger David Byron aus und für viele ist die relevante Geschichte von Uriah Heep hier beendet. Daran ist zumindest so viel richtig, dass sich das Quintett bislang auf einem im Wesentlichen gradlinigen Höhenflug befand und nun die Zeit eines ständigen Auf und Abs beginnt, in der sich die Band wiederholt neu (er)finden muss.
Album 10: Der neue Sänger John Lawton führte bislang eine Art Doppelleben. Bei den Les Humphries Singers verdiente er seine Brötchen; mit den deutschen Hard Rockern Lucifer’s Friend machte er fantastische progressive Hard Rock Alben, die teilweise auch in den Heep-Katalog passen würden. Das setzt er auf dem oft unterschätzten Album Firefly fort. Wieder sind fast alle Stücke Best of würdig, nur gibt es kein Stück, das in der Bandgeschichte eine besondere Rolle gespielt hätte. Den Titelsong, eine herrlich fantasievolle Hymne mit sehr unterschiedlichen Stimmungen, und die damalige Singleauskopplung, das rockige „Sympathy“, auszuwählen, macht daher guten Sinn.
Album 11: Mit Innocent Victim hatten Uriah Heep in den Augen vieler langjähriger Fans ihre Unschuld verloren. Nicht nur die Single „Free me“ war ein mächtiger Schritt in die Untiefen des Chart-Pops hinein. Diejenigen, die die Augen verdreht hatten, als Les Humphries-Sänger John Lawton an Bord kam, schienen Recht behalten zu haben. Ganz so war es nicht. Das beweist Your Turn to remember mit dem zweiten ausgewählten Titel. „Free’n’easy“ war eins der härtesten Stücke, die Uriah Heep bis zu diesem Tage gemacht hatten.
Vielleicht sehen Uriah Heep das dennoch ähnlich. Sänger John Lawton wird im Booklet zu Your turn to remember nicht ein einziges Mal erwähnt. Und die ansonsten sehr ausführlichen Liner Notes erwähnen auch die Alben Innocent Victim und Fallen Angel so gut wie gar nicht. An der Stelle, an der von den beiden auf der Compilation vertretenen Innocent Victim-Titeln die Rede ist, kommentiert Ken Hensley: „Heep were not at their best Form“.
Der Chart-Erfolg von „Free me“ und den folgenden Singles schien dem neuen Kurs von Uriah Heep auf der anderen Seite Recht zu geben. Aber die Single-Charts sind wetterwenderisch und vergessen schnell; die alten Fans nicht. Sie sind - auch nach deutlichen Kurskorrekturen - nie wieder in dem Maße zurückgekommen, wie vor dem Ausstieg von David Byron. Von daher spielen Uriah Heep heute auch nicht in derselben Liga wie Deep Purple, Status Quo, Led Zeppelin oder Black Sabbath - im Gegensatz zu allen diesen genannten Bands haben sie aber nie aufgehört zu existieren.
Album 12: Fallen Angel wirkt als habe man den Teebeutel von Innocent Victim zum zweiten Mal ausgekocht. Das Album liefert zwar ein paar solide melodische Rocknummern, die das Durchhören durchaus lohnen, es kann aber an keiner Stelle mit dem Vorgänger mithalten und ist das schwächste Album der bisherigen Bandkarriere. Zwei recht erfolgreiche Singles hat es abgeworfen. Warum man statt dem recht knackigen Pop-Rocker „Love or nothing“ die doch recht cheesige Ballade „Come back to me“ ausgewählt hat, ist mir ein Rätsel.
Von der Tour zu Fallen Angel gibt es unter dem Titel Live in Europe 79 einen recht guten Live-Mitschnitt, eine offizielle Veröffentlichung, die allerdings erst 1986 erschienen ist.
Album 13: Mit Conquest war die Band am Ende. Kurz nach der Veröffentlichung war Gitarrist Mick Box das einzig verbliebene Bandmitglied. So nah am endgültigen Aus sind Uriah Heep nie zuvor und bislang auch danach nicht wieder gewesen. Sänger John Sloman, von dem Mastermind Ken Hensley von Anfang an nichts gehalten hatte, konnte nicht einmal ansatzweise die Magie seiner beiden Vorgänger erreichen. Chris Slade war von vorneherein nur als Übergangslösung auf dem Drumhocker. Und auch die Kompositionen lassen mehr als zu wünschen übrig. Dieses Album komplett zu übergehen, wäre angesichts all der starken Songs, die man von anderen Alben nicht berücksichtigen konnte, mehr als gerechtfertigt gewesen. Man merkt ihm die Perspektivlosigkeit an, in der die Band damals steckte.
Album 14: Mit Abominog tritt uns eine neue Band entgegen. Es ist Mick Box gelungen, Drummer Lee Kerslake wieder zurück ins Boot zu holen. Der war zwischenzeitlich in Ozzy Osbournes Solo-Band gewesen und hat von dort auch gleich den Bassisten Bob Daisley mitgebracht. Und das hört man. Uriah Heep springen wieder einmal auf einen fahrenden Zug. Dieses Mal ist es der Heavy Metal. Und sie geben diesem Genre mit ihrer melodischen Tradition tatsächlich etwas. Gelohnt wird es ihnen (noch) nicht. Weder die alten Fans noch die Metal Jünger laufen ihnen in Scharen zu. So bleiben Abominog und noch mehr der Nachfolger Head first Perlen, die es noch zu entdecken gilt.
Der stilistische Wandel drückt sich auch im Artwork aus. Aus der noch recht niedlichen Schlange auf dem Cover von Innocent Victim ist eine bluttriefende Bestie geworden.
Album 15: Die Titelauswahl aus Head first ist mir ziemlich unklar. Mit der schönen Rockballade „Lonely Nights“ hatten Uriah Heep endlich mal wieder einen bescheidenen Single-Erfolg, der auch einiges an Airplay eingebracht hatte. Mit dem krachenden Doppeltrack „Roll-Overture / Red Light“ gibt es einen der stärksten Rocker seit langem. Ausgewählt wurden dagegen zwei wenig mehr als ganz okay gehende AOR-Metal-Midtempo-Rocker. Ganz nett, aber nicht mehr!
Album 16: 1984 befanden sich Uriah Heep in einer Situation, in der sie noch nie gewesen waren. Die Band stand ohne Plattenfirma da. Als Manager Gerry Bron 1969 überraschend mit einem Plattenvertrag bei Bronze Records ins Studio stürmte, hießen Uriah Heep noch Spice. Vor der Veröffentlichung des Debüts benannten sich Spice um, da absehbar war, dass der neu eingestiegene Keyboarder, Gitarrist und Sänger Ken Hensley den Sound der Band deutlich verändern würde.
Bronze und Heep haben sich danach gegenseitig 15 Studioalben und fast 20 Jahre lang die Treue gehalten. Nun waren Heep quasi Witwer, denn Bronze hatten sie nicht geschasst, sondern mussten ihren Laden komplett dicht machen. Damit begannen für Uriah Heep lange Jahre des Labelwechsels. Das dürfte einer der Gründe sein, dass Equator eines ihrer unbeachtetesten Alben geworden ist. Ursprünglich bei Portrait Records erschienen gingen die Rechte an dem Album irgendwann an Sony über. Da der japanische Major Konzern nur dieses eine Heep Album im Programm hatte, wurde es bei Re-Release Aktionen beständig übergangen. Es war mit weitem Abstand das letzte Uriah Heep-Album der Vinyl-Ära, das auch auf CD erschienen ist.
Das entspricht nicht seiner Qualität. Es ist kein Überflieger; enthält außer dem knackigen Rocker „Rockarama“, der für Heep-Verhältnisse sehr viel mit Synthesizern arbeitet, keinen unbedingt ins Ohr springenden Titel, ist aber ein durchaus solider Nachfolger von Head first.
Hier fehlt wieder ein Live Album - Live in Moscow, ein Album, das einen ganz entscheidenden Einschnitt setzt. Mit der Besetzung Mick Box (Gitarre), Lee Kerslake (Drums), Trever Bolder (Bass), Phil Lanzon (Keyboards) und Bernie Shaw (Vocals) ist erstmals die langlebigste Uriah Heep-Besetzung aller Zeiten am Start. Bis sich Lee Kerslake 2007 aus gesundheitlichen Gründen zurückzieht, wird es 21 Jahre lang keinen einzigen Besetzungswechsel mehr geben.
Da es im Programm von Live in Moscow auch drei Stücke („Corinna", „Mr Majestic" und „Pacific Highway") gibt, die nie auf einem Studio-Album erschienen sind, hätte es durchaus Sinn gemacht, dieses Neustart-Album hier zu berücksichtigen.
Album 17: Mit dem neuen Line up und dem Album Raging Silence kann sich die Band deutlich steigern. Der krachende Hard Rock „Bad bad Man“, das Rod Argent-Cover „Hold your Head up”, die Ballade „When the War is over” oder der Aufschrei „Cry Freedom“ hätten sich allesamt für diese Zusammenstellung angeboten. Warum das eher blasse „Voice on my TV“ genommen wurde, ist ebenso rätselhaft, wie die Tatsache, dass gerade von diesem Album nur ein Track ausgewählt wurde. Von der Spielzeit her, wäre ein Titel mehr lässig drin gewesen.
III - Wertung
Heep-Einsteiger erhalten mit diesem Doppelalbum einen hervorragenden Überblick über die ersten zwanzig Jahre der Karriere eines der wichtigsten Ur-Väter des Hard Rock, der oft – völlig zu Unrecht – hinter Deep Purple, Black Sabbath und Led Zeppelin in die zweite Reihe gestellt wird. Hier werden nicht nur die Highlights abgespeist, sondern die stilistischen Brüche, Wege und Irrwege, die Höhen und auch Tiefen nachvollziehbar.
Angesichts der Tatsache, dass hier nur Stücke vertreten sind, die auf den regulären Studioalben erschienen sind, stellt sich für Fans natürlich die Frage, ob sich die Anschaffung der 3.654sten Heep-Zusammenstellung überhaupt lohnt. Die würde ich in diesem Fall mit einem klaren Ja beantworten. In dem reich mit teils exotischen Single-Covern bebilderten 20-seitigen Booklet befinden sich ordentliche neuneinhalb Seiten reiner Text (Bilder sind da schon abgezogen), der im Wesentlichen aus den Federn von Mick Box, dem einzigen Bandmitglied, das von Anfang bis Ende dabei war, und Ken Hensley, der die Band in den 70ern, also der ersten Dekade, die hier mit 13 von 17 Alben vertreten ist, entscheidend geprägt hat.
Und die Statements der beiden sind nicht fleißig aus historischen Interviews herausstibitzt. Es handelt sich um aktuelle Kommentare und Bewertungen, wie ich sie in dieser Form bislang noch nicht gelesen habe.
IV - Fazit:
Hohe Empfehlung für diese Uriah Heep-Werkschau!
Trackliste
1 Gypsy (6:38)
2 Come away Melinda (3:47)
3 Bird of Prey (4:12)
4 Lady in Black (4:42)
5 Look at yourself (5:08)
6 July Morning (Single Edit) (3:15)
7 Easy Livin' (2:36)
8 The Wizard (2:59)
9 Sunrise (4:04)
10 Sweet Lorraine (4:14)
11 Stealin' (4:09)
12 Sweet Freedom (6:37)
13 The Shadow and the Wind (4:27)
14 Suicidal Man (3:38)
15 Return to Fantasy (5:51)
16 Devil's Daughter (4:49)
CD 2
1 Weep in Silence (5:06)
2 Can't keep a good Band down (3:38)
3 Sympathy (4:49)
4 Firefly (6:16)
5 Free'n'Easy (3:02)
6 Free me (3:35)
7 Woman of the Night (4:05)
8 Come back to me (4:04)
9 It ain't easy (5:44)
10 No Retrun (5:58)
11 Too scared to run (3:49)
12 Chasing Shadows (4:42)
13 Straight through the Heart (3:29)
14 The other Side of Midnight (3:55)
15 Rockarama (4:30)
16 Poor little rich Girl (6:30)
17 Voice on my TV (4:33)
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |