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Symphonie Nr. 1 "Winterträume"
Info
Musikrichtung:
Romantik
VÖ: 01.09.2004 BIS / Klassik Center Kassel (SACD hybrid DDD (AD: 2002-2003) / Best. Nr. BIS-SACD-1398) Gesamtspielzeit: 77:10 Internet: BIS |
JÄRVI UND DIE "GÖTEBORGER" - DAS TRAUMPAAR
Als diese Aufnahme entstand, feierte der 1937 in Estland geborene Neeme Järvi, sein 20jähriges Jubiläum als Chefdirigent des Gotheburg Syphony Orchestra (Göteborger Symphoniker). Die lange Zusammenarbeit war künstlerisch außergewöhnlich fruchtbar und eine beeindruckende Reihe an CD-Aufnahmen ist über die Jahre entstanden. Diese Saison gibt Järvi den Dirigentenstab an seinen Nachfolger weiter, den Schweizer Mario Venzago.
Die beim schwedischen Label BIS erschienene Produktion zeigt noch einmal den Weltrang auf, zu dem Järvi "seine" Göteborger geführt hat. Besonders erfreulich ist dabei, dass sich Dirigent und Orchester Tschaikowskys erster Symphonie angenommen haben, die noch immer viel zu selten gespielt und viel zu wenig beachtet wird. Das Werk mit dem Beinamen "Winterträume" und den nur als gedankliche Anregungen, nicht als programmtische Vorgaben zu verstehenden Bezeichnungen der ersten beiden Sätze ist von großer musikalischer Kühnheit, Komplexität und Tiefe. Tschaikowsky schuf die Symphonie im Jahre 1866 und entwickelte in ihr bereits eine ganze Reihe von später für seinen Stil prägenden Elementen. Trotz dem immer ganz und gar russischen, teils volksliedhaften Tonfall und den einfachen, eingängigen Themen baut sich ein Gesamtkonzept auf, dass in seiner Konsequenz und Abgründigkeit bisweilen an Bruckner oder Mahler denken läßt, mithin also durchaus weit voraus weist.
Järvi setzt dieses Konzept uneitel, aber stringent um. Die Orchesterfarben leuchten in ihrer ganzen Vielfalt auf und keine noch so kleine Kontrastwirkung, kein musikalisches Detail wird verschenkt. Aus jener "Sünde meiner süßen Jugendzeit", wie Tschaikowsky das Werk selbst nannte, macht Järvi einen romantischen Leckerbissen. Keine leichte Kost, aber eine rasante Fahrt durch russische Landschaften und Seelenabgründe. Vom ersten Takt an arbeitet er mit Weitblick auf das aufwendige, ausladende Finale hin, das so klagend-düster beginnt und so furios strahlend endet, wie es nur die Romantik vermochte.
Musikalisch weniger schwergewichtig, aber thematisch passend kommt die Schauspielmusik zu "Schneeflöckchen" daher, die das Orchester mit angenehmer Leichtigkeit präsentiert.
Die abschließende Konzertouvertüre "Romeo und Julia" zählt zu den populärsten Stücke Tschaikowskys. Järvi und seine Musiker machen hinreißend deutlich, dass man auch einem so oft gehörten Werk noch neues Leben einhauchen kann. Wie hier die Steigerungen erarbeitet, die Süße der Liebesszene und die dramatisch-schicksalhaften Wendungen herausgestellt werden, sucht seinesgleichen. So gespielt hätte die Musik sogar Baz Luhrmanns Verfilmung noch gut als Tonspur zu Gesicht gestanden - von Süßlichkeit und Sentimentalität ist da nämlich keine Spur. Wohl aber von echtem Gefühl und tiefempfundener Tragik.
Neeme Järvi hat noch einmal bewiesen, dass gerade die Romantiker in seinen Händen bestens aufgehoben sind. Eine grandiose Einspielung, die die Tontechnik makellos eingefangen hat.
Sven Kerkhoff
Trackliste
1. I. Allegro tranquillo (Träume bei winterlicher Fahrt) 11:23
2. II. Adagio cantabile, ma non tanto (Karges Land, Land der Nebel) 9:59
3. III. Scherzo. Allegro scherzando, giocoso 7:27
4. IV. Finale. Andante lugubre - Allegro maestoso 10:41
Schneeflöckchen, Op.12. Auszüge der Schauspielmusik zu Ostrovskys Bühnenstück.
5. Einleitung 5:30
6. Entr´acte 1:16
7. Melodrama 4:56
8. Tanz der Clowns 4:39
9. Romeo und Julia. Fantasieouvertüre nach Shakespeare 19:29
Besetzung
Ltg. Neeme Järvi
So bewerten wir:
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06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
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