····· Zwischen Grunge und Pop suchen Woo Syrah ihren Weg ····· Der zweite Streich von Billy Idol neu und erweitert ····· Die Hamburger Ohrenfeindt sind „Südlich von Mitternacht“ auf der Überholspur ····· BAP gehen auf Zeitreise in ihre besten Jahre ····· David Hepworth erzählt die Geschichte vom Tonstudio neben dem Zebrastreifen ·····  >>> Weitere News <<<  ····· 

Reviews

Fredrik Forsberg

Welt als Wille & Fiktion


Info

Musikrichtung: Philosophen Rock

VÖ: 04.05.2012

(Be famous / BSC / Rough Trade)

Gesamtspielzeit: 37:57

Internet:

http://www.fredrik.forsberg.de

Wenn ein deutschsprachiges Album, das den leicht skurrilen Titel Welt als Wille & Fiktion trägt, auch noch mit dem Titel „Sex mit einem Alien" beginnt, darf man eigentlich irgendwas in der Größenordnung der Neuen Deutschen Welle erwarten. Und dermaßen naiv und harmlos beginnt Fredrik Forsberg seine transglobale Affäre auch. Aber bereits der satte, göttlich coole Blues Rock Groove, mit dem der Höhepunkt vorbereitet wird, lässt überrascht aufhorchen. Der Höhepunkt des Albums lässt zwar noch auf sich warten, aber dass Forsberg bereits jetzt das gewählte Sujet nicht dazu nutzt, ein wenig schmuddelig zu werden, sondern plötzlich im extraterristischen Kontext Zivilisationskritik übt, weckt die Hoffnung, dass hier mehr geboten wird, als vor Beginn zu erwarten war.

Der Philosoph
Und tatsächlich schürft Fredrik Forsberg ungewöhnlich tief. Neben kritischen Anmerkungen zu unserer modernen kapitalistischen Welt, beschäftigt er sich auch mit der Frage nach Gott und wählt dazu einen eher philosophischen Ansatz. Wer nun die oft sehr banale Gotteskritik gerade auch aus dem linken Spektrum oder der Kulturszene erwartet, unterschätzt Forsberg. Der schöne Fünfzeiler aus „Welt ohne Gott?“ (bitte mit Pausen nach jede Zeile lesen - so trägt Forsberg es vor und so wirkt es auch am besten) bleibt noch bei recht wohlfeiler Kirchenkritik, ist aber sehr intelligent aufgebaut:

„Wie kommt das Böse in die Welt?
Warum hat der Klerus Geld?
Ist das also Gottes Plan?
Der Papst sagt Ja dazu und Amen.
Selig sind geistig Armen!“


Dass Forsberg keine billige Kritik übt, verrät bereits der Einstieg in den Titel: „Ich wär so gerne Christ. Ich weiß nur nicht, was das ist.“ Im Folgenden macht er recht differenziert deutlich, dass er die segensreichen Folgen einer gut gelebten Frömmigkeit hoch einschätzt, sich aus intellektuell philosophisch Gründen, aber nicht auf die Vorstellung eines Gottes einlassen kann.

Wirklich glücklich ist er mit dieser Entscheidung offenbar nicht. In „Welt als Wille und Fiktion“ erscheinen Theologie und Philosophie je auf ihre Weise als unbefriedigende Konzepte. „Philosophie ist ein stumpfes Schwert; Theologie ist ohne Gott nichts wert,“ heißt es dort. „Vernunft ist Licht in tiefer Nacht; der Grund der Welt bleibt unausgemacht.“
Dass die atheistische Lösung letztlich keine ist, macht er deutlich, wenn er sich in „Ein einziges Mal“ direkt an Gott wendet. „Gäbs dich nicht, läg‘ der Grund für diese Welt in mir selbst, was nichts erklärt.“ Dass es so etwas wie eine tiefere Wahrheit gibt, hält er in dem rauen Rocker „Wahrheit“ mit der Unterscheidung zwischen Wissen und Verstehen fest.

Die Musik
Prägend ist erst einmal Fredrik Forsbergs etwas naiv wirkende Stimme, deren holländischer(?) Akzent zusätzlich dazu beiträgt, Forsberg auf den ersten Hör zu unterschätzen.
Auf den inhaltlichen Gehalt und den göttlichen Blues Groove des Openers wurde bereits hingewiesen. So geht es im Weiteren nicht weiter. Denn Forsberg entwickelt sich musikalisch höchst abwechslungsreich. „Welt ohne Gott?" packt ein tolles Banjo aus. Das vom Piano geprägte „Welt als Wille & Fiktion“ erinnert an die Beatles. Akordeon und Akusitkgitarre geben „Zeit eilt“ etwas Shantie-artiges. Mit „Nur Sex ist besser als Sex“ greift Forsberg textlich auch einmal ins Klo. Dafür ist es mit den schönen Akustikgitarren-Soli eines der musikalischen Highlights des Albums. Bereits Reinhard Mey hat mit „Annabelle, ach Annabelle“ einmal einer überkandidelten Dame ein zwiespältiges Denkmal gesetzt. Nun wird das mit „Annabelle“ wiederholt - zu Beginn im Reggae-Rhythmus, der dann in den Rock’n‘Roll Modus fällt. Freundliche Melodien gibt es zu so unterschiedlichen Titeln wie dem Liebeslied „Halt mich fest“ und dem gesellschaftskritischen „Die Wüste wächst“. Die „Wahrheit“ hingegen wird in der Form eines rauen Rockers gesucht.

Fazit
Nicht jeder Song geht ins Schwarze, aber das kann bei der Qualität des Albums nur zu geringer Abwertung führen. Welt als Wille & Fiktion steht mit seinen intelligenten Texten zu lockerer, rockig munterer Musik nahezu ohne Konkurrenz da. Hier klingt nichts nach Liedermacher-Bedächtigkeit, nach platter Deutsch-Pop-Dümmlichkeit oder pseudo-aufklärerischer Religionskritik.

Große Empfehlungsstufe!!!



Norbert von Fransecky

Trackliste

1Sex mit einem Alien 3:31
2Gib alles 3:13
3Welt ohne Gott? 2:39
4Welt als Wille & Fiktion 3:28
5Ein einziges Mal 3:12
6Zeit eilt 2:12
7Nur Sex ist besser als Sex 2:44
8Annabelle 3:27
9Halt mich fest 2:54
10Die Wüste wächst 3:01
11Wahrheit 3:30
12Unsere Welt könnte besser sein 3:37
13Das kleine Ende 0:21
Zurück zum Review-Archiv
 


So bewerten wir:

00 bis 05 Nicht empfehlenswert
06 bis 10 Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert
11 bis 15 (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert
16 bis 18 Sehr empfehlenswert
19 bis 20 Überflieger