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Yunus Emre
Info
Musikrichtung:
Klassische Moderne - Oratorium
VÖ: 23.08.2012 (Dreyer-Gaido / Note 1 / CD / DDD / 2011 / Best. Nr. 21074) Gesamtspielzeit: 64:00 |
HARMONIE DER KULTUREN
Eine wirkliche Rarität: 2011 führten der Jugendchor Osnabrück und das Osnabrücker Sinfonieorchester unter der befeuernden Leitung des türkischen Dirigenten Naci Özgüç im katholischen Dom Osnabrücks das erste Oratorium in türkischer Sprache auf: Yunus Emre von Ahmed Adna Saygun entstand 1946 und wurde ein Jahr später in Paris uraufgeführt.
Saygun, der 1902 in Izmir geboren wurde und 1992 in Istanbul starb, gehörte zu den ersten professionellen Komponisten der Türkei überhaupt. Seine Biographie deckt sich mit dem wechselhaften Übergang vom alten osmanischen Reich zum modernen türkischen Staat Kemal Atatürks. Seine Ausbildung erhielt Saygun Ende der 1920er Jahre zunächst im Westen an der Pariser Schola Cantorum, wo u. a. der Komponist Vincent d'Indy sein Lehrer war. Später widmete er sich dann in der Türkei der Erforschung der heimischen Folklore. 1971 wurde er zum Staatskünstler ernannt.
Saygun hat seinem Oratorium Gedichte von Yunus Emre, einem türkischen Sufi-Dichter des 14. Jahrhunderts zugrunde gelegt, in dessen Werk sich mystische und humanistischen Strömungen mischen. Aus Emres ausdruckssatter, oft beschwörender, ja ekstatischer Lyrik spricht ein weiter, offener Geist, der Gott nicht nur im Islam, sondern auch in anderen religiösen Kulturen zu entdecken vermochte. Dadurch, dass Saygun seinem Oratorium gerade die Dichtung Emres zugrundegelegt hat, wirkt das Werk trotz seines Alters wie ein Kommentar auf die religiösen Konflikte und fundamentalistischen Engführungen der Gegenwart. Dass die Musik stilistisch eher retrospektiv ist, mag dieser Botschaft heute gerade Gehör bei einem breiten Publikum verschaffen. In Sayguns Musik verschmelzen abend- und morgenländische Einflüsse, wobei Yunus Emre stark durch diverse Neo-Tendenzen geprägt ist. Ohne einfach nur eine Stilcollage zu bieten, werden in spätromantischer Einfärbung Elemente der barocken und klassischen Musik des Westens zu einem ausdrucksstarken, melodisch und harmonisch dichten Ganzen verwoben, dessen suggestiver Sogwirkung und atmosphärischer Kraft man sich schwerlich entziehen kann.
Die Satzbezeichnungen - z. B. Grave, Rezitativ, Choral, Aria - verweisen auf die westliche Musikwelt. Doch die Wahl der türkischen Sprache und Sprachmelodie, die Einbeziehung kraftvoller Rhythmen oder auch eine an Sufi-Musik erinnernde Flötenstimme bringen die türkischen Traditionen zur Geltung. Saygun scheut weder Pathos noch Innigkeit, wobei solche großen musikalischen Gesten in neueren postmodernen Werken mitunter wesentlich verbrauchter wirken - Sayguns Musik ist in diesem Sinne „authentisch“ empfunden; in ihrem hymnischen Schwung und der oft mystisch-dunklen Grundierung wird sie auch der Dichtung Emres gerecht. Dazu kommt in diesem Fall eine ebenso hingebungsvolle Interpretation.
Dass dieses Werk in einem katholischen Gotteshaus aufgeführt und live mitgeschnitten wurde, verleiht der Produktion überdies eine besondere Bedeutung.
Georg Henkel
Besetzung
Aylin Ates: Mezzo-Sopran
Aydin Ustuk: Tenor
Tefik Rodos: Bass
Jugend-Chor Osnabrück
Sinfonieorchester Osnabrück
Naci Özgüç: Leitung
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |