Feldman, M. (Ives Ensemble)

Trio


Info
Musikrichtung: Neue Musik Kammermusik

VÖ: 27.10.2017

(HatHut / Naxos / CD / AD 1996 / DDD / Best. Nr. hat[now]ART 155)

Gesamtspielzeit: 76:04



IM LABYRINTH DER PATTERNS

Wohl aus Anlass seines 30. Todestages waren bereits im Frühjahr 2017 Mortons Feldmans Duo Patterns in a chromatic Field für Cello und Klavier sowie seine Vokalkomposition Three Voices beim Schweizer Label HatHut erschienen. Handelt es sich beim Duo um eine Neuauflage einer herausragenden Einspielung von 1993 mit Marianne Schröder und Rohan de Saram, ist die 2. Platte ein Neuproduktion aus dem Jahr 2016, die über Crowdfunding finanziert wurde. Hier singt die junge Sopranistin Juliet Fraser und bereichert mit ihrer farbigen Interpretation die klassische, "coole" Version von Joan LaBarbra um einige interessante Nuancen.

Im Herbst legt HatHut noch einmal nach: Mit Feldmans Trio, eingespielt von Mitgliedern des Ives Ensemble (AD: 1996) und mit den beiden späten Klavierwerken Triadic Memories und Piano. Hier erweist der Pianist des Ives-Ensembles, John Snijders, Feldman die Ehre. Die Aufnahmen der Klavierstücke datieren aus dem Jahr 2000, wurden aber erst jetzt veröffentlicht.

Die Einspielung des Trios hat weder technisch noch interpretatorisch Staub angesezt. Sie ist mit rund 76 Minuten Spielzeit die kürzeste verfügbare; alle anderen nähern sich mehr oder weniger der 90-Minuten-Marke an oder gehen noch darüber hinaus. Trotzdem wirkt diese Version in keinem Moment zu schnell. Die hochdiffizilen Texturen, die Feldman durch die delikate Pedalisierungen auf dem Klavier sowie durch verschiedene Spieltechniken auf Violine und Cello erreicht, fügen sich kaleidoskopartig zu immer neuen Patterns. Bewegte und flüchtige Konstellationen wechseln mit langsam ausschwingenden, zarten und kontemplativen Minaturen ab. Auf eher nervöse Abschnitte mit hoher Dichte folgen weite, von Stille durchsetzte Klang-Blöcke.
So entfaltet sich auch auf kleinstem Raum bei aller Reduktion ein großer Reichtum an feinst abgestuften und geformten Klängen. Das Ganze erinnert mitunter an ein filigranes grafisches Gebilde. Oder an die Drähte eines Calder-Mobiles, an denen ganz unterschiedliche Klang-Figurationen hängen, die sich langsam drehen und dadurch immer wieder anders erscheinen, obwohl sie es nicht sind, sondern sich lediglich die Perspektive - Dauer, Orchestrierung, Dynamik, Artikulation - verändert.

Auch die "Neu-"Einspielungen der beiden Klavierwerke Feldmans sind sehr gelungen: Triadic Memories gehört zu Feldmans schönsten Kompositionen. Nach Worten des Komponisten handelt es sich um einen 90-minütigen "Riesenschmetterling", in dessen scheinbar so eingängigen Mustern man sich als Hörer leicht verirrt: Alles wirkt ähnlich und ist doch anders und bei aller "Einfachheit" undurchschaubar. Diese musikalische Erinnerungsarbeit führt nirgendwo hin. Sie geschieht einfach und formt sich in jedem Moment neu. Snijders spielt diese Musik unprätentiös, klar, durchsichtig, "unromantisch".
Weder zeichnet sie sich bei ihm durch die sinnliche Soft-Edge-Lyrik und himmlischen Längen Sabine Liebners aus (Ohems), noch betört sie den Hörer durch die subtilen Schattierungen des Anschlags, die John Tilburys 2. Einspielung (Atopos) so besonders macht. Was Snijders Version auszeichnet, ist die reine Farbigkeit und feine Zeichnung der Patterns, ihre Luzidität und Abstraktheit, die gleichsam klassische Ausgewogenheit der Mittel. Feldmans Modernität erscheint darum bei Snijders wie auch beim Ives Ensemble wie ein musikalisches Gegenstück zu den Bildern Piet Mondrians - ein Maler, dessen Werk Feldman sehr bewunderte.
Diese Vorzüge bestimmen auch die Wiedergabe des sperrigeren, komplexen Piano, das Feldman 1977 komponierte und das gleichsam zu seinem Spätwerk überleitet. Die unvermittelt neben- und gegeneinander gesetzten Akkordfelder kann man bei Snijders wirklich wie unscharfe Farbflächen hören; später werden die statischen Blöcke zunehmend mit patternartigen Strukturen durchsetzt, wie man sie dann aus den folgenden Werken kennt.
Die harmonischen Farben, die Feldman in Piano wählt, wirken dabei aber insgesamt gedämpfter, erdiger, opaker. Es ist faszinierend, dass man die Kompositionen wirklich wie "Klang-Bilder" hören bzw. innerlich "sehen" kann, die jeweils ihre ganz eigene Textur, Farbigkeit und Atmosphäre haben.

Ausgezeichnet ist in beiden Fällen auch die Klangqualität. Booklettexte im Cover auf Englisch.



Georg Henkel



Besetzung

Ivens Ensemble: Josje ter Haar (Violine), Job ter Haar (Cello), John Snijders (Klavier)


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