Musik an sich


Reviews
Haydn, J. M. (Vashegyi)

Geistliche Musik für die Fastenzeit


Info
Musikrichtung: Wiener Klassik

VÖ: 19.08.2008

(Hungaroton / Klassik Center Kassel / CD, DDD, 2008, Best.nr. HCD 32567)

Gesamtspielzeit: 50:45

Internet:

Hungaroton



SELBSTBESCHRÄNKUNG

Die drei äusserst kurzen Messen zur Fastenzeit mit den Werkverzeichnisnummern MH 551-553 sind Spätwerke des jüngeren der beiden Haydn-Brüder und entstanden 1794 in Salzburg. Dabei ist die Missa pro Quadragesima (MH 551) das erstaunlichste Werk aus dieser Reihe: es entlehnt die Themen nahezu vollständig aus gregorianischen Melodien und führt diese behutsam mit der Tonsprache der Wiener Klassik zusammen, drängt aber wegen des Bemühens um äusserste Schlichtheit in der Gestaltung diese Mittel selbst wieder weitgehend zurück. Der Reformeifer des damaligen Salzburger Fürsterzbischofs Hieronymus Colloredo (1771-1803) hat hier seinen deutlichen Niederschlag gefunden: Ausladende Messfeiern und pompöse musikalische Untermalungen waren nicht nach seinem Geschmack. Er bevorzugte eine rationelle Einfachheit und so wirkt diese Messe eher protestantisch streng denn römisch-katholisch. Bemerkenswert ist, wie es Michael Haydn gelungen ist, trotz dieser eingeschränkten Möglichkeiten und dem Zwang zum beschleunigten Vortrag des Messtextes auf kleinstem Raum eine meditative, der Fastenzeit angemessene Stimmung zu erzeugen.

Diese zeichnet auch die beiden anderen Messen der Werkreihe aus. Zwar ist die Rückbesinnung auf die gregorianische Tradition dort nicht gleichermaßen prägend, aber dennoch sucht man auch hier den volkstümlichen Ton anderer Kirchenwerke Michael Haydns vergebens. Die homophone Stimmführung und der Verzicht auf rhythmische Hervorhebungen produzieren einen schwebenden, entrückten Gesamtklang, der zu innerer Einkehr einlädt. Die Instrumentalbegleitung wird von der Orgel dominiert, die die Gesangslinien dezent und ohne alle Rokokoallüren ausziert - das Spiel von Levente Gyöngyösi erweist sich dabei als sehr gefällig.

Ein ganz anderer Michael Haydn zeigt sich in der Missa Sanctae Crucis. Haydn schrieb sie noch während seiner Zeit in Großwardein 1762. Die a capella, aber wahlweise wohl auch (wie hier) mit duplizierender Instrumentalbegleitung auszuführende Komposition ist von Haydns Auseinandersetzung mit der Tradition des Kontrapunkts und der Fuge bestimmt. Die Messvertonung erscheint damit auf den ersten Blick kunst- und anspruchsvoller als die anderen drei, nimmt aber mangels Originalität nicht wie sie für sich ein.

Im Purcell Choir unter der Leitung von György Vashegyi hat die oft noch immer unterschätzte Musik Michael Haydns kundige Sachwalter gefunden. Der Chorklang ist homogen und doch transparent, der Vortrag angenehm uneitel. Lediglich in den Sopranen wäre ein wenig mehr Brillanz angebracht gewesen.

Den drei so angenehm eigentümlichen Messen MH 551-553 ist insgesamt eine Wiederentdeckung nicht zuletzt für den aktuellen liturgischen Gebrauch unbedingt zu wünschen. Diese qualitätvolle Weltersteinspielung kann hierzu ein gewaltiges Stück beitragen.



Sven Kerkhoff



Trackliste
1-7 Missa Tempore Quadragesimae, MH 553 11:45
8-13 Missa pro Quadragesima, MH 551 10:19
14-21 Missa Quadragesimalis, MH 552 11:38
22 Gradual per Dominica Palmarum, MH 695 1:34
23-28 Missa Sanctae Crucis, MH 56 15:29
Besetzung

Purcell Choir
Mitglieder des Orfeo Orchesters
Levente Gyöngyösi (Orgel), Csilla Vályi (Cello), György Janszó (Kontrabass)


Ltg. György Vashegyi


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