Musik an sich


Reviews
Mozart, W. A. (Langrée)

Große Messe C-Moll


Info
Musikrichtung: Klassik Messe

VÖ: 15.09.2006

Virgin Classics / EMI
CD (AD DDD 2005) / Best. Nr. 0094635930528


Gesamtspielzeit: 53:47



INFORMIERT ROMANTISCH

Unter den historisch informierten Einspielungen von Mozarts Fragment gebliebener Messe in C-Moll wartet diese wohl am deutlichsten mit einem „romantischen“ Klangbild auf. Dirigent Louis Langrée, der hier seine eigene Fassung vorstellt, kann man nicht vorwerfen, dass er sich hinter einem perfekten, aber blutleeren historisierenden Klangbild verschanzt. Sein Mozartklang ist expressiv und körperlich. Bereits der düstere Beginn des Kyrie lässt einen an das sakrale Pathos eines Beethoven denken. Der klangsatte Auftakt zum Sanctus dürfte selbst eingefleischte Karajanisten für sich einnehmen. Überraschend hingegen ist der Beginn des Credos, das hier nicht nur sehr schnell (weniger als 3 Minuten!), sondern mit mitreißendem ekstatischen Schwung musiziert wird. Die von Langrée hinzukomponierten Hörner und Posaunen sorgen für ein kerniges Klangbild. Man will gerne glauben, dass Mozart hier nach seiner glücklichen Heirat mit Konstanze seiner persönlichen, vom verliebten Überschwang mitgetragenen Glaubensüberzeugung Ausdruck verliehen hat.
Langrée hat die fehlenden Streichstimmen im berühmten Et incarnatus est mit Sensibilität für den schwerelosen Rhythmus der Musik ergänzt und auf die von späteren Bearbeitern eingefügten Hornstimmen verzichtet. Schließlich sorgt Natalie Dessay nicht nur in diesem Abschnitt dafür, dass die Musik vom Boden abzuheben scheint. Auffällig ist das deutliche, wenngleich nicht unpassend erscheinende Vibrato. Der 2. Sopran Veronique Gens hat zwar in punkto Tragfähigkeit nicht die Potentiale der Dessay, kontrastiert mit dunklerer Mezzotönung dafür sehr schön mit ihr in den Duos.

Mozart aus einer eher romantischen Perspektive: angesichts der zahlreichen knackig-trockenen neoklassischen Einspielungen anderer historisierender Ensembles durchaus eine Alternative. Es bleibt freilich Geschmackssache. Wenn man einen vollen, auch wuchtigen kirchenräumlichen Klang und gleichzeitig klare Konturen sowie bei den Solisten Individualität schätzt, ist man hier mit der „historisch informierten“ Aufführungspraxis gut bedient. Andere werden eben dies bemängeln.
Langrée bezieht im Beiheft in einem Interview ausführlich Stellung zu seiner Bearbeitung. Die Deluxe-Version enthält überdies eine DVD mit einer einstündigen Dokumentation (nicht zuletzt ein Porträt von Gens und Dessay), die viele interpretatorische Entscheidungen erklärt und eindrucksvoll demonstriert, dass eine reine Klangaufzeichnung niemals die Faszination einer lebendigen, anschaulichen Aufführung ersetzen kann. Gens und Dessay solistisch oder im Duett zu erleben, potenziert die suggestive Kraft ihrer bewegenden Interpretation.



Georg Henkel



Trackliste
01-13 Messe C-Moll KV 427 48:58
14 Maurische Trauermusik KV 477 04:49
Besetzung

Natalie Dessay – Véronique Gens: Sopran
Topi Lethipuu: Tenor
Luca Pisaroni: Bass
Le Concert d’Astree

Ltg. und Fassung: Louis langrée


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