Musik an sich


Reviews
Holst, G. (Rattle)

The Planets


Info
Musikrichtung: Spätromantik/Moderne

VÖ: 28.07.2006

EMI Classics / EMI (2 CD, DDD (AD: 2006, live) / Best.nr. 0946 3 59382 2 7)

Gesamtspielzeit: 94:47

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Sir Simon Rattle

EMI Classic



MIT RATTLE INS ALL

Diesmal hat die Wissenschaft der Musik ein Schnippchen geschlagen: Colin Matthews´ (* 1946) Bemühen, Gustav Holsts (1874-1934) Suite "Die Planeten" um den zu Holsts Zeiten noch unentdeckten Pluto zu komplettieren, erweist sich als voreilig, hat doch soeben die Generalversammlung der Internationalen Astronomischen Union Pluto den Planetenstatus aberkannt - er darf fortan noch als "Zwergplanet" seine Bahn ziehen.

Nun, da der Weltraum durch immer neue Entdeckungen unverändert die Menschheit fasziniert, ist auch die Begeisterung für Gustav Holsts populärstes Werk, "Die Planeten" ungebrochen. 1918 uraufgeführt nimmt es in vielerlei Hinsicht filmmusikalische Effekte vorweg. Die programmatische, an astrologischen Vorstellungen vom Charakter der Planeten ausgerichtete Konzeption, sowie ein ungeheurer Reichtum an eingängigen thematischen Einfällen sorgen dafür, dass die Komposition leicht zugänglich bleibt. Dass dabei vieles plakativ geraten ist, war Holst selbst sehr wohl bewusst, denn ungeachtet des grossen Erfolges hielt er "Die Planeten" keineswegs für sein stärkstes Werk.

Plakativ bringt es auch Simon Rattle mit seinen Berliner Philharmonikern in diesem Mitschnitt eines Konzerts vom März 2006 dar, den hier jüngst bereits der Kollege Norbert von Fransecky besprochen hat (Review). Zwar reizt Rattle auf faszinierende Weise das dynamische Spektrum aus, doch nähert er, insbesondere bei der Führung des Streicherapparates, die Klangwelt noch zusätzlich der Filmmusik an und begnügt sich dabei mit oft vordergründiger Effekthascherei. Dies wird unterstützt durch den übersättigten Sound der Live-Aufnahme, bei der die Bässe und das Blech - ähnlich wie im Multiplex-Kino üblich - dominieren.

Natürlich funktioniert dies bei einem so "knackigen" Stück wie "Mars, der Kriegsbringer" zunächst einmal ganz gut. Man wähnt sich fast eher im "Herrn der Ringe, Teil III", als in Holsts Planeten-Suite.

Die Feinheiten der Instrumentation finden dabei aber kaum Gehör (wie es anders geht, zeigt da Roger Norringtons akzentuierte Einspielung mit dem SWR-Sinfonieorchester, Hänssler, 2002). Zudem greift Rattle fast durchweg zu eher langsamen Tempi, womit v.a. der schwungvolle Übermut des "Jupiter" nicht ausgereizt wird. Das hat man schon viel früher wesentlich besser gehört, etwa bei Sir Georg Solti (London Philharmonic Orchestra, Decca, 1979). Dafür gelingt damit die "Venus" in lyrischer Manier ausgezeichnet.

So bleibt die Einspielung zwar solide, kommt über diesen Status aber auch kaum einmal hinaus.
Die zweite CD lässt uns teilhaben an dem guten Einfall, die musikalische und thematische Anregung, die die Suite vorgibt, in der Jetzt-Zeit fortspinnen zu lassen. Als "Asteroiden" gibt es hier vier Stücke zeitgenössischer Komponisten zu hören, die im Booklet auch ihre jeweilige Inspiration und Idee offenlegen. Es sind gut hörbare, keinswegs revolutionäre Werke, die auf ihre Art die Faszination des Alls beschwören.

Das sphärische, flimmernde "Asteroid 4179: Toutatis" von Kaija Saariaho lehnt sich dabei zwar an den von Gustav Holst gewählten musikalischen Ausdruck an, entwickelt aber bei aller Tonalität eine von der Neuen Musik getragene, eigenständige Kraft, die es zum besten der vier Kompositionen macht. Demgegenüber arbeitet das zerklüftete "towards Osiris" von Matthias Pintscher mit inzwischen derart altbekannten Methoden der Neuen Musik und einem so begrenzten Material, dass dessen Tragfähigkeit für die rund 8 Minuten dieser Orchesterstudie nicht ausreicht. Mark-Anthony Turnage´s "Ceres" kommt für seine apokalyptische Intention und den Willen, die zerstörerische Kraft der Asteroiden nachzuzeichnen, zu harmlos daher.

Brett Dean wendet sich in "Komarov´s Fall" der Geschichte eines russischen Kosmonauten zu, der 1967 beim Wiedereintritt seines Sojus 1 in die Erdatmopshäre ums Leben kam. Dean gelingt es durchaus, mit eher schlichten Mitteln eine dramatische Spannung aufzubauen.

Ein schickes, aber nicht eben inhaltsschweres "Making Of" rundet die Produktion ab, die sicherlich geeignet ist, ein Publikum an klassische Musik heranzuführen, das vor dieser sonst eher zurückschreckt. Den Kenner hingegen wird sie nicht vollständig befriedigen können.



Sven Kerkhoff



Trackliste
CD I
Gustav Holst: The Planets
1 Mars, the Bringer of War 07:25
2 Venus, the Bringer of Peace 08:59
3 Mercury, the Winged Messenger 04:02
4 Jupiter, the Bringer of Jollity 08:02
5 Saturn, the Bringer of Old Age 09:35
6 Uranus, the Magician 06:04
7 Neptun, the Mystic 07:02

Colin Matthews
8 Pluto, the Renewer 06:12


CD II
1 Kaija Saariaho: Asteroid 42179: Toutatis 04:36
2 Matthias Pinterscher: towards Osiris 07:55
3 Mark-Anthony Turnage: Ceres 06:40
4 Brett Dean: Komarov´s Fall 07:49

5 Video (enhanced CD): The making of The Planets & Asteroids 10:26
Besetzung

Berliner Philharmoniker

Rundfunkchor Berlin

Ltg. Sir Simon Rattle



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