Musik an sich


Artikel
Wacken Open Air 2006




Info
Künstler: Diverse

Zeit: 03.08.2006

Ort: Wacken

Besucher: 60.000

Internet:
http://www.wacken.com

Rund 60.000 Besucher zog es dieses Jahr wieder einmal in das idyllische norddeutsche Dörflein Wacken - womit das WOA seinen Status als größtes Metal Open Air der Welt erwartungsgemäß bestätigt. Stand im Vorjahr noch ein dreitägiges Schlammbad auf dem Programm, verlief das diesjährige Festival entgegen aller Vorhersagen trocken - und sogar ausgesprochen sonnig-warm, so dass der Autor sich tatsächlich die eine oder andere Hautrötung zuzog.

Einen umfassenden Bericht wird es an dieser Stelle nicht geben. Wir verweisen hierfür auf die Kollegen der Printpresse, die mit deutlich mehr Personal und ganz anderen Möglichkeiten vor Ort waren. Stattdessen bieten wir hier unsere persönlichen Eindrücke, High- und "Low"-lights.

Eine Art chronisches Lowlight stellt in Wacken sicherlich die Toilettensituation dar: War diese im Vorjahr noch halbwegs zumutbar, so hatte man diesmal den Eindruck, dass die Besucherzahl sich zwar deutlich erhöht hat, die Anzahl der Dixies aber bestenfalls (!) gleich geblieben ist. Von den Containern mit spülenden Toiletten ganz zu schweigen. Ganz viel Verbesserungsbedarf in diesem Bereich.

Die große Besuchermenge machte sich auch auf dem eigentlich schon großzügig angelegten Festivalgelände bemerkbar. Hatte man bei den gefragteren Bands mal keine Lust auf Gedränge, so musste man sich schon sehr weit nach hinten begeben. Akustisch Unterversorgung drohte jedoch nicht: Die Herrschaften an den Reglern drehten ordentlich auf, fast hatte man den Eindruck, dass der Sound noch lauter als im letzten Jahr aus den Boxen dröhnte. Natürlich muss die Frage erlaubt sein, ob das in dieser extremen Form noch Sinn macht - zumal auch die kleinere Party Stage nicht an Lautstärke sparte, und dadurch ein relativ breiter Graben zwischen Black Stage und Party Stage entstand, in dem ein undefinierbarer Soundmatsch herrschte. Sehen wir es positiv und nennen es die "imaginäre Industrial Stage".

Genug gemeckert, denn wir wollen keinen falschen Eindruck erwecken: Wacken 2006 war ein unvergessliches Erlebnis und bot jede Menge guter Musik in hervorragender Athmosphäre. Einige der einzelnen Auftritte wollen wir hier besprechen.

Geballte Kompetenz beim Wacken Open Air: M. K., Hendrik Stahl und Johannes Alker




Scorpions

Der Headliner des ersten Festivaltages überzeugten, ohne zu überraschen: Dass man es nicht wagen würde, dem Wackener Publikum die im Bandrepertoire reichlich vorhanden Schmusesongs und Balladen entgegen zu trällern (genau: "Winds of Change" wurde nicht gespielt), war eigentlich von vornherein klar. Dass es stattdessen rockige Stücke wie "Lovedrive", "Coming Home" und - selbstverständlich aus Ausklang in der letzten Zugabe - "Rock you like a Hurricane" auf die Setlist schaffen wurden, ebenfalls. Darüber hinaus gab es einige mehr (Uli Jon Roth, Michael Schenker) oder minder (Herman Rarebell) gelungene Gastauftritte.

Für viele war der Auftritt der Scorpions sicherlich ein besonderes Erlebnis. Jedoch ist es wie so oft bei Headlinern der "Opa-Rock-Liga": Das Festivalgelände ist wirklich voll, die Band lockt noch den letzten Alt-Metaller aus seinem Zelt. Und dieser schaut sich dann zwar wohlwollend, aber doch recht still und regungslos den Auftritt seiner Helden an. Auch wenn die Scorpions gut ankamen: Wer wirklich Stimmung erleben möchte ist eigentlich besser bedient mit manch einer der kleineren Bands, die vielleicht nur 400 oder 500 Festivalbesucher vor die Bühne bewegen können.



Born From Pain

Für mich einer der stärksten Auftritte des Festivals: Born From Pain auf der Party Stage. Von weitem sieht Che Snelting ein wenig aus wie der perfekte Schwiegersohn. Und auch während seiner Ansagen wirkt er noch wie der stereotype Sunnyboy eines x-beliebigen amerikanischen Teeniefilms. Umso überraschender die Hammer-Stimme, mit der er dem Wackener Publikum einen Metalcore-Song nach dem anderen entgegen brüllt. Unglaublich viel Charisma und eine Spiellaune, die ansteckte, zeichneten die Band aus. Insbesondere "Rise or Die" und "Never Return" mit seinem starken Background wurden begeistert aufgenommen und animierten zu Mosh- und Circlepits. Hervorragende Form also bei Born From Pain, insbesondere - man kann es nicht oft genug erwähnen - beim sich stimmlich selbst übertreffenden Sänger.


Wintersun

Um zwölf Uhr mittags liegt der durchschnittliche Black Metaller eigentlich noch in seinem Sarg und schlummert friedlich vor sich hin, umso erstaunlicher, dass sich an diesem "frühen Freitag morgen" schon eine derart große Menge Metalheads vor die True Stage begeben haben. Offenbar hat der eigentlich noch sehr junge Act - immerhin: Frontmann Jari Mäenpäa hat zuvor bei Ensiferum gespielt - sich bereits eine breite Fangemeinde erarbeitet. Kein Wunder: Die technisch ausgefeilten, vokal manchmal etwas beliebigen Songs der Finnen sind schnell (manchmal sauschnell), hart und gehen trotzdem gut ins Ohr. Keinesfalls nur für Black Metal Fans interessant. Auf jeden Fall machte Wintersun ordentlich Stimmung und hätte auch einen anspruchsvolleren Platz in der Running Order zweifelsfrei würdig ausgefüllt.


Caliban

Nachdem am Vortag bereits Born From Pain überzeugt hatten, durften Caliban gegen Samstag Mittag die Fahne für den Metalcore hoch halten. Darüber, ob die Songs, die die Band im Gepäck hat, unbedingt als sonderlich spektakulär bezeichnet werden können, lässt sich sicherlich streiten - zum Abmoshen genügen sie aber allemal. Den Rest erledigt Frontmann Andy Dörner, der zwar rein äußerlich stets aussieht, als hätte er versucht eine schwere Grippe mit einer bunten Mixtur aus Sedativa und Halluzinogenen zu kurieren - der sein Publikum jedoch astrein im Griff hat.

Das Resultat ist neben etlichen Circle Pits die (meines Wissens) erste Wall of Death, die das Wacken Open Air in seiner Geschichte gesehen hat. Kurze Erläuterung für Uneingeweihte: Die Wall of Death ist ein "Publikumsspielchen" aus der Hardcore-Szene. Die Band formt mitten durch das Publikum einen etwa 10 Meter breiten Graben, an dessen beiden Enden die Fans brav stehen bleiben und warten. Sobald die Band das Kommando gibt, rennen alle los und versuchen, auf die jeweils andere Seite zu gelangen. Sehr spaßige Angelegenheit.


In Extremo

Am Freitag um 18.45Uhr hieß es dann auf zu In Extremo. Das dachte sich auch so ungefähr der gesammte Campingplatz und deshalb stand die Menge sogar im hinteren Bereich ziemlich gedrängt, was heißt: Es war Arschvoll!

Dass die Fans nicht umsonst gekommen sind, zeigte sich schnell, denn schon bald versetzte In Extremo das Publikum in große Begeisterung. Hauptsächlich zwar mit Songs aus den neueren Alben, der Textsicherheit des Publikums tat das aber kein Abbruch. Natürlich wurden auch Klassiker wie "Spielmannsfluch" oder "Herr Mannelig" gespielt.

Dass das Publikum so begeistert war, war bei der Bühnenshow und vor allem bei dem Gesang, der wirklich kaum vom Studiogesang zu unterscheiden war, kein Wunder.

Der einzige Minuspunkt war, dass sie nur eine Stunde gespielt haben bzw. spielen konnten. Ich glaube es ging nicht nur mir so, dass man nach einer Stunde noch lange nicht genug hatte von Liedern wie "Nur Ihr allein" oder "Mein rasend Herz".

Fazit: In Extremo war für mich eine der Bands, die den besten Auftritt hinlegten, zudem der Mittelalterrock sicherlich auch eine gute Abwechslung zum sonstigen Metal war.


Six Feet Under

Um 15 Uhr ging es dann auch endlich los. Schon am frühen Nachmittag betraten Six Feet Under vor einer großen Fangemeinde die Wackener Black Stage. Blickfang des Auftritts war natürlich wieder Chris Barnes, der mit seinen langen Dreadlocks immer wieder eine tolle Figur beim Headbangen macht. Überraschend und doch sehr gelungen spielte die Band auch ältere Songs wie "The day the dead walked", "Victim of the paranoid" und als absolutes Sonderbonbon untermauerten Six Feet Under ihren Auftritt mit dem AC/DC Klassiker "TNT". Insgesamt war der Gig wirklich sehenswert und nicht, wie befürchtet, nur durch neuere Stücke dominiert.


Ektomorf

Zeitgleich mit Six Feet Under spielten Ektomorf auf der Partystage und zogen wie üblich mit dem Gladiator-Intro ein. Obgleich die vier Ungarn einige technische Probleme mit ihrer Gitarre hatten, zogen sie ihre wie immer sehr bewegte Show durch, bei dem es nicht nur Hits, sondern auch Crowdsurfer regnete, die in Scharen von der Security aus der Menge gefischt werden mussten. Das Publikum glich einem Hexenkessel, der sich nicht mehr bremsen lies. Die Reaktionen des Publikums waren durchaus berechtigt, da Ektomorf mit Songs wie "Show your fist", "Instinct" und "Fuck you all" die Metallerherzen vor der Bühne höher schlagen lies. Es war jedoch sehr schade, dass Ektomorf nur 45 Minuten Zeit hatten, ihre Songs zu performen.


Finntroll

Finntroll hatten einen sehr guten Platz im Billing des diesjährigen W.O.A. Um 0.45 Uhr des Samstag abends traten die Finnen auf, um die schon bestehende Party weiterzuführen. Finntroll füllten schon vor Beginn des Auftritts jeden erdenklichen Raum um die Black Stage. Mit einer Best-of-Hitlist spielten sich die Finnen innerhalb weniger Minuten in die Herzen jedes Black Metal Fans, der gekommen war, um sie zu sehen. Die professionelle Show im Jahr 2005 kam Finntroll zu Gute, da auch der mittlerweile dritte Frontman der Band herzlich empfangen und akzeptiert wurde. Trotzdem verkörperte der Saenger Vreth nicht ganz das Image der rasenden Trolls. Aber gut... er ist noch jung und in den nächsten Jahren wird sich die zurückhaltende Performence von ihm sicherlich noch verbessern.



Ausblick

Bekanntlich ist das kommende Wacken schon mitten in der Planungsphase, während das aktuelle noch läuft. So konnten die Veranstalter mit ihren Ankündigungen für 2007 bereits manchem Besucher den Mund wässrig machen:

Es mag manch einem wie gestern vorkommen, dass Immortal - ihrem guten Namen zu Unehren - das Handtuch warfen und sich auflösten. 2007 werden sie im Rahmen einer Reunion live in Wacken zu sehen sein - ihre einzige Open Air Show in kommenden Jahr.

Für Freunde traditionellen Metals drüfte Saxon nicht uninteressant sein. Progger sind mit Therion bestens bedient und die Mittelalterfraktion darf zu Schandmaul die Köpfe wippen (für mich die derzeit stärksten Vertreter ihres Genres). Samael haben uns mit ihrer enorm eingängigen Interpretation von Black Metal bereits 2005 die Wacken-Nacht versüßt, und dass Stratovarius seinerzeit als Special Guest nur drei Songs spielen durften, wird 2007 ebenfalls wieder gutgemacht werden.

Weitere absolute Highlights werden zweifelsohne In Flames, Blind Guardian und Grave Digger sein - jede dieser Bands für sich ist die Reise in den hohen Norden bereits wert.

Wacken 2007 verspricht also ein echter Hammer zu werden - wer sich bereits 2006 eines der 10.000 X-Mas Tickets sichert, kommt mit 70 € noch relativ günstig davon. Zu haben beispielsweise bei Metaltix.com.


Johannes Alker; Hendrik Stahl; Mirko Krolik



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