Musik an sich


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Starke Band, starkes Wetter und tolle Stimmung - der Samstag des auf dem “Rock Of Ages”-Festival




Info
Künstler: Rock of Ages 2016

Zeit: 30.07.2016

Ort: Seebronn

Fotograf: Karl-Friedrich Wild

Internet:
http://www.rock-of-ages.de

Das “Rock Of Ages”-Festival gibt es mittlerweile seit sage und schreibe 2006. Bei der ersten Ausgabe war ich dabei, seitdem hat es mit nicht mehr dorthin verschlagen. Heuer waren jedoch die Bands zumindest am Samstag von der Zusammenstellung so interessant, dass der Weg nach Seebronn zur Pflicht wurde. Das Festival dauert an sich drei Tage. Das Programm am Freitag und Sonntag war für uns jedoch nicht so interessant. Deshalb haben wir uns für die Variante „Tagesticket“ entschieden.


Festivalwetter bei ca. 30 Grad und Sonne pur - na wenn das mal keine guten Voraussetzungen sind! Das Festivalgelände liegt am Waldrand und ist leicht abschüssig. Etliche Festivalbesucher haben sich mit Decken rund um die Bühne versammelt und schauen sich die Bands bei stechender Sonne vom Sitzen aus an. Die Bands Cucumber und Blackslash bekommen wir aus zeitlichen Gründen leider nicht mehr mit. Blackslash müssen mit ihrem Metal, der sehr an Iron Maiden orientiert ist, sehr gut angekommen sein. Einige Festivalbesucher berichten enthusiastisch über den Auftritt der Band, die nicht weit weg von Seebronn ihre Wurzeln hat.


Den Anfang macht die Kult-Truppe LUCIFER'S FRIEND, die völlig unerwartet wieder mit dem wohl bekanntesten Sänger ihrer Geschichte, John Lawton, am Start ist. Letztes Jahr haben sie auf dem Sweden Rock Festival einen Auftritt absolviert, der auf einer Live-CD verewigt wurde. Lawton dürfte den meisten Rockfans als Sänger von Uriah Heep bekannt sein. Der Welthit „Free Me“ wurde von ihm eingesungen. Mit Lawton, Peter Hesslein (Gitarre) und Bassist Dieter Horns stehen sogar noch drei Gründungsmitglieder auf der Bühne. Der Name der Band dürfte in den 70ern wie heute ein bisschen für Verwirrung gesorgt haben. Man könnte meinen, eine Satanisten-Band auf der Bühne zu sehen. Wenn man jedoch weiß, dass die Band ursprünglich Asterix hieß und auch ein Debüt-Album mit diesem Titel eröffnete, darf man das mit dem Bandnamen wohl nicht so eng sehen.
Bei hervorragendem Sound fängt das sichtlich in die Jahre gekommene Quintett mit dem Song „Pray“ an. Allzu bekannt ist das Liedgut den meisten Fans und auch mir nicht. Trotzdem ist der Platz vor der Bühne gut gefüllt. Der hervorragend aufgelegte John Lawton singt ausgezeichnet, unterhält sich teilweise sogar auf Deutsch mit dem Publikum und betont immer wieder wie sehr er sich freut, mit seinen alten Bandkollegen wieder unterwegs zu sein. Musikalisch ist die komplette Truppe hellwach. Bassist Dieter Horns hat einen Hammersound auf Lager und pumpt die Stücke bedrohlich nach vorne. Peter Hesslein taucht tief in die Songs ein und scheint gerade bei den Solos in einer völlig anderen Welt zu schweben. Die wabernden Orgel-Sounds von Jogi Wichmann gefallen mir ausgezeichnet und katapultieren mich ganz schnell in die 70er Jahre zurück.
Die Lieder kommen beim Publikum erstaunlich gut an. Der Party- oder Mitsing-Faktor hält sich in Grenzen. Trotzdem sind die Stücke interessant und wechseln zwischen hardrockigen bis progressiven Stücken, die teilweise einen sehr epischen Einschlag aufweisen. Am besten gefällt mir der letzte Song „Ride The Sky“, mit dem das Debüt-Album der Truppe beginnt. Lucifer’s Friend werden vom Publikum gefeiert und gehen sichtlich gerührt von der Bühne. Ein Auftritt mit Seltenheitswert! Es wäre schön, wenn die Truppe noch den einen oder anderen Club-Auftritt nachschieben könnte!

Setlist Lucifer’s Friend:
1. Pray
2. Fire And Rain
3. In the Time of Job
4. Keep Goin'
5. Hey Driver
6. Riding High
7. Moonshine Rider
8. Did You Ever
9. Burning Ships
10. Ride the Sky

Lucifer's Friend



Die nächste Band ist musikalisch in einer ganz anderen Ecke beheimatet. Die Schweden TREAT haben in den 80er-Jahren mit den Alben Dreamhunter, Organized Crime und The Pleasure Principle drei hochkarätige Hardrock-Perlen veröffentlicht, die auch heute noch nichts von ihrem Charme eingebüßt haben. Seit 2006 ist die Band wieder mit Sänger Robert Ernlund unterwegs und veröffentlicht seitdem in regelmäßigen Abständen qualitativ hochwertige Scheiben. Mit der neuen CD Ghost Of Graceland ist die Truppe derzeit unterwegs und beglückt das ROA mit einem ihrer hierzulande eher seltenen Auftritte.
Treat entern stürmisch wie eine Horde Wikinger die Bühne und lassen gleich zu Beginn den neuen Song „Ghost Of Graceland“ vom Stapel. Präzise wie ein Uhrwerk und dynamisch wie ein Sportwagen fetzen die Jungs, dass es eine wahre Freude ist. Robert Ernlund ist ein Entertainer wie er im Buche steht und hat die Fans von der ersten Sekunde an voll im Griff. Die Band kommt tierisch gut an und sorgt für eine ausgezeichnete Stimmung auf dem Gelände. Dabei ist es völlig egal, ob neue oder alte Songs gespielt werden. Der Partyfaktor der Stücke ist so stark, dass sich hier keiner drum schert. Das einzige Problem ist das Mikro von Ernlund. Er springt damit ziemlich viel auf der Bühne herum und das scheint wohl für das Gerät zu viel zu sein. Er hat immer wieder Ausfälle, ein Ersatzgerät kann auf mehrmaligen Wunsch von ihm erst spät beschafft werden - und dann funktioniert es nicht. Man merkt der ganzen Truppe an, dass ihnen das gewaltig auf den Zeiger geht. Aber sie spielen deswegen nicht etwa lustlos - im Gegenteil.
Vor allem bei Gitarrist Anders "Gary" Wikström setzt dies ungeahnte Kräfte frei. Völlig losgelöst sprintet er fast bei jedem Solo in Richtung Fans und post wie ein Weltmeister. Bei seinen Backing-Vocals ist er sekundengenau wieder am Mikro - der absolute Wahnsinn! Sein Mikro schraubt er kurzerhand ab und gibt es Sänger Ernlund, der dann halt mit Kabel an den Bühnenrand springt. So geht’s auch! Trotzdem bin ich sicher, dass sich die Techniker nach dem Auftritt einiges anhören durften - und das völlig zu Recht. Der Klassikerreigen „Ready For The Taking“, „Conspiracy“ und das göttliche „World Of Promises“ versetzt die Menge in den seligen Melodic-Rock-Himmel. Wohin man schaut, blickt man in strahlende Gesichter Der Auftritt war mehr als gelungen. Für mich war der Gig definitiv der beste des Tages, die Schweden haben alles gegeben und trotz widriger technischer Umstände einen prächtigen Auftritt hingelegt. Respekt!

Setlist Treat:
1. Ghost of Graceland
2. Better the Devil You Know
3. Nonstop Madness
4. Papertiger
5. Do Your Own Stunts
6. Roar
7. Ready for the Taking
8. Conspiracy
9. World of Promises

Treat



Der Platz vor der Bühne wird nun noch voller als bei Treat. Als nächster Künstler steht der ehemalige Manfred Mann’s Earthband: Sänger CHRIS THOMPSON auf dem Programm. Von dem Auftritt seiner ehemaligen Truppe auf dem Monsters Of Rock Festival in Bietigheim-Bissingen war ich schwer enttäuscht. Hier wurden die Songs elendig lang in die Länge gezogen und es kam definitiv keine Stimmung auf.
Chris Thompson löst die Aufgabe ganz anders. Er startet mit „For You“ und gibt somit das Motto des Auftritts vor: Ich bin für Euch hier! Und diese Aussage unterstreicht er mehr als eindrucksvoll. Hier gibt es kein Gedudel, keine ausufernden Jams, kein „Totschlagen“ von Auftrittszeit, die bei einem Festival ja eh immer nur begrenzt ist. Er spielt Song auf Song, präsentiert diese gesanglich bockstark und mit einer solchen Begeisterung, dass sich keiner diesem quirligen Energiebündel entziehen kann.
„Father Of Day, Father Of Night“ bekommt genau die Länge, die dieser Song auch verdient - aber eben auch nicht mehr. „Don’t Kill It Carol“ gerät zum Kracher allererster Güte, der vom Publikum entsprechend gefeiert wird. Bei „Blinded By The Light“ wird der Mitsing-Faktor noch mal um einiges gesteigert, hier steht keiner mehr still. Chris Thompson schafft es sogar ohne Probleme, seine Bandmitglieder zum Lachen zu bringen und zum Mitmachen zu animieren. Hier stehen 100 % Spaß auf und vor der Bühne. „You’re The Voice“ singt er stolz wie Oscar, auch hier gibt er wieder Vollgas. Das abschließende „Davy’s On The Road Again“ beschert ihm und seiner Band minutenlangen Applaus, den sie sich ohne Abstriche verdient haben. So sieht ein perfekter Festivalauftritt aus!

Setlist Chris Thompson (ca.):
1. For You
2. Demolition Man
3. Father of Day, Father of Night
4. Martha's Madman
5. Don't Kill It Carol
6. Blinded by the Light
7. Quinn the Eskimo (The Mighty Quinn)
8. You're the Voice
9. Davy's on the Road Again

Chris Thompson



Der nächste seltene Gast ist der ehemalige Keyboarder, Gitarrist und Sänger von Uriah Heep: KEN HENSLEY, der auch sehr selten in Deutschland auftritt. Hensley hat einen Großteil der bekanntesten Uriah-Heep-Gassenhauer geschrieben, auch der Überhit „Lady In Black“ stammt von ihm. Mittlerweile hat er eine neue Band um sich geschart, die er Our Propaganda nennt. Ich fand die Musiker, die er letztes Jahr auf dem Wuzdog-Festival mit dabei hatte hervorragend und finde es ehrlich gesagt schade, dass er sich von dieser fabelhaft eingespielten Truppe getrennt hat.
Bei Hensley ist der Soundcheck Chefsache. Er steht auf der Bühne und lässt sich seinen Monitor einrichten. Offenbar ist sein Gehör nicht mehr das Beste, denn das Teil macht einen Höllenlärm. Hensleys neue Truppe sieht optisch aus, wie geradewegs aus den 80erjahren geschlüpft. Megafette Sonnenbrillen, lange Haare und ultrafettes Posing. Und keiner der Musiker scheint älter als 25 Jahre alt zu sein. „Gypsy“, bei dem Hensley wie immer seinen megafetten Hammond B3-Sound durch den Leslie jagt; klingt tonnenschwer und so laut, dass ich mich sofort von der Bühne weg bewege. Ich habe schlichtweg Angst um meine Ohren. Seine Mitmusiker posen wie die Weltmeister und nehmen dabei die komplette Bühnenbreite in Anspruch.
Leider sind die Burschen musikalisch nicht so versiert, wie ich es mir für die Songs von Uriah Heep vorstelle. Da wird hier mal ein Text falsch gesungen, da mal eine Passage versaut und überhaupt: Uriah Heep Songs sind voller Gefühl und Emotionen: Diese Truppe schafft es durch das dampfwalzenartige Vortragen der Lieder problemlos, eben jenen Spirit zu zerstören. Sänger Jack Denton liegt teilweise weit neben der Spur, Bassist Joe Newman brummelt viel zu laut und der Rest der Truppe wirkt wie eine billige Coverband. Hensley scheint an dem geradezu punkmäßigen Vortragsstil gefallen zu finden, er grinst wie ein Honigkuchenpferd. Ich kann mit dem Auftritt rein gar nichts anfangen. Als dann noch bei „July Morning“ eine komplette Passage einfach weggelassen wird, hab ich die Schnauze voll. „Tales“ ist der Tiefpunkt des Auftritts. Der Song wirkt keineswegs, das Publikum nimmt ihn lediglich zur Kenntnis. „Lady In Black“ klingt gut, aber da hab ich heute definitiv keine Lust mehr drauf.'
Für mich war der Auftritt schlecht, die Musiker unwürdig und die Songs viel zu schade, um sie derart zu verhunzen und geradezu zu quälen. Außerdem wäre es eine schöne Geste gewesen, zumindest einen Song mit seinem ehemaligen Mitmusiker John Lawton zu bringen. Aber auch hier: Fehlanzeige!

Setlist Ken Hensley & Our Propaganda:
1. Gypsy
2. Stealin'
3. Easy Livin'
4. Circle of Hands
5. July Morning
6. The Wizard
7. Tales
8. Lady in Black

Ken Hensley



MAGNUM sind mit dem neuen Album Sacred Blood, Divine Lies in diesem Jahr schon auf Hallentour gewesen und haben mich in Augsburg nicht ganz überzeugt. Sänger Bob Catley hat an dem Abend einen schlechten Tag erwischt, was die Konzertfreude gehörig getrübt hat. Davon ist der Engländer heute meilenweit entfernt. Auch Magnum sind mit einem druckvollen, aber nicht dröhnendem Sound ausgestattet. Das mächtige „Soldier Of The Line“ pumpt gleich zu Beginn mächtig in die Ohrmuscheln, Catley singt wie eine Eins. „On A Storyteller’s Night“ kommt gleich anschließend. Die Menge ist aus dem Häuschen und feiert die famosen Engländer mächtig ab.
Die Songs des neuen Albums nehmen sehr viel Raum ein. Für mich ist diese Mischung bei einem Festival eher ungewöhnlich, aber sie funktioniert. Es wird deutlich, wie viele Fans tatsächlich wegen Magnum gekommen sind. Die neuen Stücke sind bestens bekannt und kommen prächtig an. Für mich ist „Princess In Rags (The Cult)“ ein Hammersong, der mich immer wieder aufs Neue fasziniert. Bassist Al Barrow und Schlagzeuger Harry James sorgen wie immer für den notwendigen Dampf, Keyboarder und Urgestein Mark Stanway veredelt die Kompositionen mit seinen gefühlvollen und wohldosierten Keyboardteppichen.
„Onkel“ Bob Catley hat einen Bombentag erwischt und holt alles aus seinem Goldkehlchen heraus. Gitarrist Tony Clarkin gefällt dieser Einsatz seines Korporals, es entlockt ihm mehrfach das eine oder andere Grinsen. „All Englands Eyes“ und der Meilenstein „Vigilante“ lassen das Publikum förmlich ausrasten, die Stimmung ist magisch. „The Spirit“ funktioniert heute ohne Abstriche einwandfrei und der Abschluss mit „Kingdom Of Madness“ sorgt noch einmal für kollektiven Spaßfaktor im Publikum. Der Auftritt war klasse und in dieser Form können die Altmeister des Bombast-Rock gerne noch lange touren!

Setlist Magnum:
1. Soldier of the Line
2. On a Storyteller's Night
3. Sacred Blood “Divine” Lies
4. Crazy Old Mothers
5. Your Dreams Won't Die
6. All England's Eyes
7. Princess in Rags (The Cult)
8. Vigilante
9. The Spirit
10. Kingdom of Madness

Magnum



Das Rahmenprogramm bei dem Festival ist neben der Musik ebenfalls optimal. Es gibt gutes Essen zu fairen Preisen, auch die Getränke gehen in Ordnung. Lediglich die Tatsache, dass man nur mit Bons und nicht mit Bargeld bezahlen kann, nervt mich. Etliche Händler bieten T-Shirts, CDs und LPs und weitere typischen Festivalkram an. Zum Stöbern ganz ok, aber zum kaufen meistens viel zu teuer. Für Autogrammjäger ist sogar eine Autogrammmeile eröffnet, bei der fast alle Bands nach oder vor ihren Auftritten Autogrammstunden geben. Sammlerherz, was willst du mehr!


Die Amis BLUE ÖYSTER CULT sind musikalisch in einer etwas anderen Ecke zuhause, passen jedoch auch wie die Faust aufs Auge auf das „Rock Of Ages”-Festival. Die Band war in den 80er-Jahren regelmäßig auf den deutschen „Monsters Of Rock“-Bühnen zu Gast und hat dadurch bei vielen Fans einen legendären Ruf. Mittlerweile lassen sie sich in unseren Breiten leider nur noch sehr selten blicken. Für mich war allein diese Band schon Anlass genug, auf das ROA zu fahren. Von der klassischen Besetzung sind nach dem Tod von Keyboarder/Gitarrist Allen Lanier nur noch Donald „Buck Dharma“ Roeser und Eric Bloom mit von der Partie. Die beiden sind stimmlich und körperlich noch sehr gut in Schuss und haben sich mit einer sehr guten Backing-Band verstärkt. Vor ein paar Jahren hatte ich die Band schon im Nürnberger Hirsch gesehen, der Auftritt dort war klasse.
BÖC schaffen mit dem göttlichen „This Ain’t The Summer Of Love“ einen optimalen Einstieg. Die Gitarren klingen satt, der Sound ist mehr als ordentlich und ich bin bereits jetzt im sogenannten Rock'n'Roll-Himmel. Die komplette Band singt A-Capella den Beginn von „Golden Age Of Leather“. Mich haut's fast von den Socken, so was hab ich schon lange nicht mehr gehört. Die Songs der Band sind beim Publikum anscheinend nicht so bekannt, wie die von Magnum oder Uriah Heep, verfehlen aber ihre Wirkung nicht. „Burnin’ For You“ ist für mich das Highlight des kompletten Auftritts, was für eine Perle! Die schwarze Gibson SG von Sänger und Gitarrist Eric Bloom ist ganz typisch mit dem Bandlogo verziert. Es sind solche kleinen Gimmicks, die diese Band so liebenswert und verschroben rüberkommen lassen. Bei „Buck’s Boogie“ gibt es eine kleine Verschnaufpause für die Sängerabteilung, bei dem etwas unspektakulären „Lips In The Hills“ müssen dann wieder alle ran.
Normalerweise sieht man ja auf Festivals ein Best-Of-Programm einer Band, meist ohne große Überraschungen. Dass sie jedoch den Uralt-Song „Then Came The Last Days Of May“ auspacken zeigt, dass sich BÖC um solche Sachen überhaupt nicht scheren. „Godzilla“ kommt wuchtig rüber, ist mir jedoch mit zu vielen Gesangseffekten überlegt und klingt etwas künstlich. Roeser widmet den letzten Song dem kürzlich verstorbenen Sandy Pearlman. Pearlman hat bis Mitte der 90er Jahre als Texter, Konzeptlieferant und als Produzent von Klassikern wie „Secret Treaties“, „Agents Of Fortune“ oder „Spectres“ fungiert. Ein fairer Schachzug eines sympathischen und bescheidenen Musikers!
„Don’t Fear The Reaper“ setzt den Deckel auf einen Auftritt mit Seltenheitswert, der für mich äußerst gelungen war. Von den Songs hätte man vielleicht statt „Lips In The Hills“ „Shooting Shark“ oder „In Thee“ bringen können, aber das ist mal wieder Erbsenzählerei. Schön, dass ihr wieder mal bei uns am Start ward!

Setlist Blue Öyster Cult:
1. This Ain't the Summer of Love
2. Golden Age of Leather
3. Burnin' for You
4. OD'd on Life Itself
5. Harvest Moon
6. ME 262
7. Buck's Boogie
8. Lips in the Hills
9. Then Came the Last Days of May
10. Godzilla
11. (Don't Fear) The Reaper

Blue Öyster Cult



Der Tag geht mit AVANTASIA seinem Höhepunkt entgegen. Vor der Bühne wird es spürbar voller und das Publikum wird etwas jünger. Tobias Sammet, das „Hirn“ hinter dem Projekt Avantasia ist mit seinen Alben mittlerweile erfolgreicher denn je und hat sich heuer auch für den Eurovision Song Contest beworben. Er hat auch diesmal einige prominente Musiker dabei, die auf seinen Alben diverse Gastauftritte hatten und wohl auch zukünftig berücksichtigt werden.
Bei sattem Sound und einer tollen Bühne, die ähnlich einer Burg ausstaffiert wurde geht das Spektakel los. Sammet, der bei der Affenhitze mit einem langen Wintermantel auf die Bühne stolziert ist der Chef im Ring. Gesanglich topp und immer mit 110 % Einsatz ausgestattet gibt er von Beginn an Vollgas. Was ihm gar nicht gefällt, ist sein Monitorsound - er scheint nichts zu hören. Dies bekommen die Bühnentechniker zu spüren, denen er bei den ersten Songs gehörig die Leviten liest. Völlig zu Recht. Wie soll er hier sonst eine gute Gesangsleistung abliefern?
Seine Gastsänger sind wie immer aller Ehren wert. Michael Kiske singt wie immer bockstark, verkauft sich aber von der Bühnenpräsenz her völlig unter wert. Er schlurft über die Bretter ohne wirklich Kontakt zum Publikum aufzunehmen. Ich finde bei ihm merkt man ganz stark, dass er zwar gerne Musik macht, aber wohl nicht auf der Bühne. Er scheint, einfach nur „seinen Job“ zu erledigen. Ganz anders ist hier schon Rampensau Ronnie Atkins, der seine Brötchen sonst bei der Dänen-Combo Pretty Maids verdient. Er sprintet wie ein Preisboxer über die Bühne und reißt dabei die Fans und alle weiteren Musiker sichtlich mit. Dass er vor kurzem seinen Fuß verletzt hat merkt man nur, wenn er wieder von der Bühne geht. Der Typ ist der Hammer! Da Jorn Lande leider nicht mit dabei sein kann, übernimmt er auch noch kurzerhand dessen Songs. Und was soll ich sagen? Ich habe Jorn nicht vermisst!
Mr. Big-Sänger Eric Martin ist hier ähnlich, wenn auch nicht so ruppig wie Atkins. Atkins beschreibt ihn als seinen „Lieblings-Saufbruder“, was man dem optisch etwas bubihaften Eric Martin so eigentlich nicht abnimmt. Gesanglich liefert Eric Martin eine tolle Leistung ab und veredelt die von ihm performten Stücke eindrucksvoll. „Dying For An Angel“, das im Original von Scorpions-Sänger Klaus Meine eingesungen wurde, macht er zu seinem eigenen. Klasse! Bob Catley himself lässt es sich natürlich auch nicht nehmen, bei dem Auftritt mitzuwirken. Er ruht in sich selbst, strahlt eine unbändige Lässigkeit aus und hat sichtlich Spaß, bei der All-Star-Truppe mitzumischen. Sein Alter merkt man ihm zu keiner Sekunde an - im Gegenteil! Er spornt Tobias Sammet zu Höchstleistungen an und unterstreicht die Songs dabei mit seiner typischen Gestik und Mimik, die man auch von Magnum kennt. Seebronn, 30 Grad, trockene Luft - die Stimme hält!
Amanda Sommerville wird heute von Marina La Torraca ersetzt. Auch sie macht ihren Job ausgezeichnet und bekommt beim Duett mit Bob Catley bei „The Story Ain't Over” und „Lost In Space“ Szenenapplaus. Der Gig ist für seine Länge von fast drei Stunden äußerst kurzweilig und sehr unterhaltsam. Am Besten gefallen mir das Zusammenspiel der Musiker und der harmonische Umgang der Musiker untereinander. Die Avantasia-Band sorgt mit einem präzisen Zusammenspiel und leidenschaftlich vorgetragenen Songs dafür, dass die Sänger gut aussehen. Sascha Paeth und Oliver Hartmann an den Gitarren leisten hier sehr viel. Quch sein Bassist und Schlagzeuger Felix Bohnke bringen eine tolle Leistung. Obwohl Sammet sich mit seinen Sprüchen angenehm zurückhält, kann er es nicht lassen, auch heute wieder dumm rauszulabern. Heute ist Keyboarder Michael Rodenberg das Opfer, der jedoch trägt es mit Fassung. Etliche im Publikum rufen „Spiel weiter“, „Halt dei Gosch“ (schwäbisch) oder andere Sprüche. Mich nervt's auch, aber so ist er halt.
Das überragende „Sign Of The Cross / The Seven Angels” beendet den eindrucksvollen Gig. Avantasia werden vom Publikum verdientermaßen abgefeiert, hier hatten Fans und Musiker offensichtlich sehr viel Spaß. Veranstalter Horst Frank läuft zwischen dem Auftritt als Putzfrau verkleidet über die Bühne und faselt dabei wirres Zeug. Das Festival hat er toll organisiert, aber seine „Einlagen“ und Sprüche habe ich an sich noch nie richtig nachvollziehen können. Vielleicht ein Hitzschlag? So endet ein toller Festivaltag, bei dem musikalisch fast alles gepasst hat. Die Zusammenstellung der Bands war der Oberhammer. Bleibt zu hoffen, dass eine derartige Mischung zukünftig beim ROA und auch bei anderen Festivals noch öfters gelingt.

Setlist Avantasia ca.:
1. Mystery of a Blood Red Rose
2. Ghostlights
3. Invoke the Machine
4. Unchain the Light
5. The Great Mystery
6. A Restless Heart and Obsidian Skies
7. The Scarecrow
8. Shelter from the Rain
9. Farewell
10. The Story Ain't Over
11. What's Left of Me
12. Dying for an Angel
13. Twisted Mind
14. Reach Out for the Light
15. Avantasia
16. Let the Storm Descend Upon You
17. Lost in Space
18. Sign of the Cross / The Seven Angels

Avantasia




Stefan Graßl



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