Jewish Monkeys

High Words


Info
Musikrichtung: Klezmer Punk

VÖ: 28.04.2017

(Greedy for best Music / Indigo)

Gesamtspielzeit: 37:22

Internet:

http://www.jewishmonkeys.com


„Darwin’s final delusion“ stellt nur eines von vielen Attributen dar, die sich die Jewish Monkeys in „JM Fever“, dem Opener ihres neuen Albums High Words, selbst beilegen, in bester HipHop-Manier erstmal den eigenen Claim absteckend, bevor man beginnt, die anderen zu attackieren. Und da gibt’s einige Ziele, die von der Tel Aviver Truppe unter Beschuß genommen werden, lyrisch wie musikalisch übrigens. Ohne die Verwurzelung im klassischen jüdischen Humor ergäbe schon die scheinbare Selbstbeleidigung des Bandnamens keinen Sinn, und Schubladendenker haben musikalisch hier auch keinerlei Chance, so daß das Infoblatt gleich zwei Überschriften auffährt: „A wacky burlesque punky Rock band“ und „Yiddish music meets the Marx Brothers“.

In der Tat: In den bombastischen Midtempo-Klezmer-Rock von „Post Midlife Dance“ mal eben das Hauptthema von Survivors „Eye Of The Tiger“ einzuflechten muß man sich erstmal trauen, und im Finale des flotten Tanzflächenfegers „Alte Kacker“ (so schreibt sich die Nummer jedenfalls laut Backcover der Promo-CD – in Livesetlisten finden sich auch andere Schreibweisen) kommen Vokalisen vor, die an Entengeschnatter erinnern, allerdings leider keine tragende Wirkungen mehr entfalten können, weil der Song schon in Ausblendung begriffen ist und kurze Zeit später endet. Das Schöne an der Sache ist, daß man nicht geneigt ist, das der Band vorzuwerfen – das, was sie in den zehn Songs auffährt, macht diese auch in der vorliegenden Form rund, ohne daß man das unbestimmte Gefühl hat, hier würden Chancen fahrlässig vergeben.

Andererseits folgen die Songs klaren Grundideen, die auch durch mancherlei Bocksprünge nicht zunichte gemacht werden und zudem vor allem einem Ziel dienen: das Publikum in eine tanzbeinschwingende Menge zu verwandeln, die gut gelaunt und bereichert die Konzerthalle oder das Festivalgelände wieder verläßt. Das schließt das Vorhandensein melancholischer Balladen wie „Pupik“ oder „Oy Brigitte“ selbstverständlich nicht aus, aber besonders erstgenannte besticht durch ihren unauffällig anmutenden, jedoch äußerst wirkungsvollen treibenden Grundbeat, der auch sie zum Tanzbeinschwingen geeignet erscheinen läßt, während zweitere rein akustisch daherkommt und mehr Gelegenheit bietet, dem skurrilen Text über eine (Güter-)Trennung zu lauschen.

High Words erscheint übrigens auch als LP – ob es Zufall ist, daß die beiden genannten Balladen jeweils das Ende einer LP-Seite einnehmen? Wohl nicht – die Jewish Monkeys sind, so spontan vieles ihrer Musizierkunst auch anmuten mag, nicht dafür bekannt, grundlegende Dinge dem Zufall zu überlassen. Ihr eklektizistischer Anspruch schließt selbstverständlich auch politische Verständigung mit den Mitteln der Musik ein.

Ausgerechnet der Titeltrack verarbeitet orientalische und nicht primär der jüdischen oder jiddischen Tradition entspringende Melodik. Wie weit verbreitet wiederum jiddische Kultur war, zeigt eine programmatisch betitelte Nummer wie „Romania“ (mit sechseinhalb Minuten mit Abstand der längste Track auf dem Zweitwerk der Jewish Monkeys), und den Charakter der notwendigen Verständigung demonstriert am besten „I Wonder“, das unter Beweis stellt, warum es einen großen Vorteil darstellt, daß diese Band gleich drei Vokalisten in ihren Reihen besitzt, die sich hier förmlich das Mikrofon in die Hand geben, wobei einer auch noch extrem hohe Backingvocals einwirft, die ihn auch für jede Power-Metal-Band qualifizieren würden. Und wie der musikalische Chefdenker Ran Bagno (Akkordeon, Keyboards) im Verbund mit seinen Mitdenkern „Shprayz Ikh Mir“ aus einem Stakkato in einen Offbeat gleiten läßt oder in „Romania“ blitzartige Dur-Moll-Wechsel einbaut, unterstreicht, mit was für Klassemusikern wir es hier zu tun haben.

Das einzige Problem, vor dem die Jewish Monkeys stehen, teilen sie mit vielen anderen enorm starken Livebands: Nachdem man ein- oder auch mehrmals einen exzellenten Konzertabend mit ihnen genossen hat, hält man die Studio-Tonkonserve zwar immer noch für stark, wird aber das Gefühl nicht los, daß ihr das gewisse Etwas, das letzte Quentchen Mitreißfaktor fehlt. Über dieses Luxusproblem dürfte das israelische Oktett freilich nur grinsen, und zur Vorbereitung aufs nächste Jewish-Monkeys-Konzert ist die Tonkonserve auf alle Fälle erstklassig geeignet – man will ja die Breaks beim Tanzbeinschwingen auch richtig setzen.

Ist es eigentlich Zufall, daß in „Romania“ Vokalisenfiguren vorkommen, die man in ähnlicher Form schon bei den im Nachbarland Rumäniens siedelnden und mit selbigem kulturell eng verbandelten Moldawiern Zdob Si Zdub hören konnte? (Menschen mit gut sortierter Tonträgersammlung kramen jetzt deren Ethnomecanica-Meisterwerk heraus und werfen es in den Player.) Egal wie: High Words macht enorm viel Hörspaß, und wer nicht bis zum nächsten Konzert warten will, der pogt halt zu Hause um seinen Schreibtisch. Wermutstropfen: 37 Minuten Spielzeit fallen unter die Kategorie „Schmalhans ist Küchenmeister“. Aber es gibt am CD-Player ja die Repeat-Taste ... (oder das Debüt der Jewish Monkeys; Red.)



Roland Ludwig



Trackliste
1JM Fever3:22
2 Post Midlife Dance2:26
3 Alte Kacker3:24
4 Titina4:02
5 Pupik4:29
6 High Words3:06
7 I Wonder2:41
8 Shprayz Ikh Mir4:10
9 Romania6:32
10 Oy Brigitte2:42
Besetzung

Assaf Pariente (Voc)
Jossi Reich (Voc)
Gael Zaidner (Voc)
Ran Bagno (Akkordeon, Keys)
Omer Hershman (Git)
Moran Baron (Pos)
Yoli Baum (B)
Henry Vered (Dr)



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