Musik an sich


Artikel
8-Bit-Nostalgie mit DESERT PLANET




Info
Gesprächspartner: Jukka Tarkiainen (Desert Planet)

Zeit: 13.04.2008

Interview: Telefon

Stil: 8 Bit Electronica

Internet:
http://www.desertplanet.com

Viele kennen es noch aus ihrer Jugend oder Kindheit: Quäkende 8-Bit-Sounds aus dem Spielhallenautomaten, der Konsole, dem C64. Viel brachten die Geräte damals nicht zustande, doch die Programmierer und Komponisten machten das beste daraus und schrieben etliche süffige Kaugummi-Melodien.
Als Ehrerbietung gegenüber dieser Frühzeit der Videospielindustrie und um seine Freunde zu schocken hat der heute 45jährige Finne Jukka Tarkiainen Ende der 90er Jahre begonnen, Tracks im diesem Stil zu programmieren. Der unerwartet große Zuspruch führte dazu, dass er schließlich die Band Desert Planet gründete - verstärkt durch Jari Mikkola und den VJ Antti Hovila, der bei den Live-Shows der Band für die visuellen Effekte zuständig ist.


MAS:
Hallo Jukka, wie geht's dir?

Jukka Tarkiainen:
Mir geht's sehr gut, ich bin noch nicht so lange wieder zu Hause. Wir waren gestern abend bei der Release Party unseres neuen Albums in Rovaniemi. Das ist etwa 100 km entfernt.

MAS:
In Finnland wurde euer Album also gestern veröffentlicht?

Jukka Tarkiainen:
Es wurde bereits vor ein paar Wochen veröffentlicht. Wir kamen aber erst jetzt dazu, den Release in Nordfinnland zu feiern.

MAS:
Habt ihr in Finnland viele Fans? Oder ist eure Musik eher im mitteleuropäischen Raum gefragt?

Jukka Tarkiainen:
Wir haben durchaus auch Fans in Finnland. Hier haben wir bereits sechs Alben veröffentlicht. Die haben sich zwar nur in geringer Menge verkauft, es wird aber immer mehr.

MAS:
Eure meisten Konzerte spielt ihr allerdings in Deutschland.

Jukka Tarkiainen:
Wir arbeiten zusammen mit Martti von 9pm Records. Er ist auch Booker, daher organisiert er uns viele Shows in Deutschland. Und für uns ist es ein Riesenspaß in Deutschland "on the Road" zu sein.

MAS:
Kann ich mir vorstellen: Man hört immer wieder, dass finnische Musiker gerne in Deutschland spielen, weil das Bier hier viel günstiger ist.

Jukka Tarkiainen:
(lacht) Stimmt, es ist in Deutschland viel billiger und schmeckt auch noch besser.

MAS:
Was ist euer musikalischer Hintergrund? Spielt ihr irgendwelche Instrumente?

Jukka Tarkiainen:
Ich komme aus dem Rockbereich, habe etwa 15 Jahre E-Gitarre in verschiedenen Punkbands gespielt.

MAS:
Erfordert es denn viele Kenntnisse über Harmonielehre und Musiktheorie, um einen Desert-Planet-Track zu komponieren?

Jukka Tarkiainen:
Als Rockgitarrist habe ich bereits Dutzende von Songs geschrieben. Mit Musiktheorie und Noten hatte ich dabei eher wenig zu tun. Inzwischen habe ich natürlich ein paar Kenntnisse aus dem Bereich, aber hauptsächlich komponiere ich die Tracks nach Gehör.

MAS:
Wie entsteht so ein Track? Komponiert jeder von euch für sich selbst oder arbeitet ihr dabei eng zusammen?

Diskografie
2001 - Asteroid Hopper
2003 - Joystick Pop
2004 - Turbo Tellytunes
2005 - Mario built My Hot Rod
2008 - Moonrocks
Jukka Tarkiainen:
Wir machen beides. Wir besprechen unsere Ideen gemeinsam und setzen uns auch schonmal zusammen, um einen Track zu programmieren. Häufig schreiben wir ein Stück aber auch alleine und spielen dem anderen später die Demo vor. Der sagt dann seine Meinung dazu und anschließend wird es nochmal überarbeitet.

MAS:
Kommt es auch vor, dass einer von euch mit einem Track ankommt, dem der andere überhaupt nichts abgewinnen kann?

Jukka Tarkiainen:
Natürlich!

MAS:
Scheiden solche Tracks von vornherein aus oder haben sie dennoch eine Chance, auf ein Album zu gelangen?

Jukka Tarkiainen:
Etwa die Hälfte unserer Songs wird veröffentlicht. Die andere Hälfte besteht aus Ideen und Demos, die unserer Meinung nicht so gelungen sind. Darunter findet sich sowohl Material von Jari als auch von mir. Für unser neues Album hatten wir eine Testgruppe aus sechs Personen, die sich etwa 25 Stücke angehört haben. Die Zusammenstellung der Tracks auf Moonrocks basiert sehr stark auf den Meinungen und Eindrücken dieser Gruppe. Das war eine große Hilfe bei der Auswahl der besten Stücke.

MAS:
Und die Stücke, die nicht auf das Album kamen, verstauben auf deiner Festplatte?

Jukka Tarkiainen:
Genau, dort befindet sich so einiges an Musik.

MAS:
Und keine Möglichkeit für uns Normalsterbliche, sie zu hören.

Jukka Tarkiainen:
Mal sehen. Vielleicht veröffentlichen wir eine CD mit diesen alten Tracks, wenn wir erstmal richtig berühmt sind.

MAS:
Verstehe, ihr wollt die fette Kohle machen.

Jukka Tarkiainen:
Genau. (lacht)
Vielleicht veröffentlichen wir mal einen Teil des Materials im Internet.

MAS:
Auf welchem System entsteht eure Musik?

Jukka und Jari bei der Arbeit

Jukka Tarkiainen:
Mein erster Computer war ein C64. Später hatte ich ein Super Nintendo. Daher meine Verbundenheit zu diesen alten Videospielgeräten. Viele meiner Freunde hatten auch einen Amiga, ich selbst allerdings nicht.
Mit Desert Planet angefangen haben wir 1999. Wir kombinieren dabei verschiedene Systeme. In erster Linie geht es uns um das Ergebnis, darum, wie der Track klingt. Weniger wichtig ist es uns, wie und mit welchem System er erstellt wurde. Wir verwenden zwar ein paar alte Computer und Konsolen - zusammen gestellt wird aber alles mit PC oder Mac. Es geht vor allem darum, dass das Feeling dieser alten Videospielmusik rüberkommt.

MAS:
Du hast aber auch schon am C64 Musik gemacht?

Jukka Tarkiainen:
In den 80ern habe ich ein paar Sachen geschrieben, die waren aber nicht so gut (lacht). Als ich später mit Desert Planet angefangen habe, hatte ich wesentlich mehr musikalische Erfahrung. Heutzutage würde ich mit dem C64 wahrscheinlich bessere Tracks hinbekommen.

MAS:
Was waren deine Lieblingsspiele in den 80ern und in den frühen 90ern?

Jukka Tarkiainen:
Am C64 habe ich damals Asteroids, Frogger, Commander, Popcorn, Missile Command und vieles mehr gespielt. Am Super Nintendo zum Beispiel Super Mario und Zelda. Die Nintendo Klassiker finde ich alle sehr gut.

MAS:
Beschäftigst du dich privat auch mit modernen Videospielen?

Jukka Tarkiainen:
Schon, aber nicht besonders viel. Ich arbeite in Vollzeit als Grafikdesigner und in meiner Freizeit beschäftige ich mich viel mit Musik. Da bleibt im Alltag nicht viel Zeit für Videospiele.

MAS:
Und welche Spiele hatten deiner Meinung nach die besten Soundtracks?

Jukka Tarkiainen:
Auf jeden Fall die Nintendo Klassiker wie Mario und Zelda. Diese Musik stammt überwiegend von Koji Kondo und ist wirklich genial. Außerdem schätze ich Rob Hubbard als C64 Komponist. Von ihm stammt zum Beispiel der Soundtrack zu Commando.

MAS:
Seid ihr direkt involviert in der 8-Bit-Szene? Kannst du irgendwelche anderen 8-Bit-Bands und -Musiker empfehlen?

Jukka Tarkiainen:
Natürlich, es gibt da eine Internetseite namens micromusic.net. Das ist unsere Verbindung zur Szene. Empfehlen möchte ich aus diesem Bereich folgende Musiker:
Bacalao macht Micromusic, Beats und Elektro. Aufgewachsen ist er mit dem Amiga. (www.bacalao.ch, http://www.myspace.com/bacalao_ch)
Puyopuyo aus Frankfreich macht "game trash". (http://puyopuyo.lautre.net)
VIRT FX3 ist professioneller Videospielekomponist und Szenemusiker aus den USA. Er hatte eine Veröffentlichung bei 8bitpeoples und ist hauptsächlich vom Game Boy beeinflusst. (http://www.8bitpeoples.com/discography/by/virt, http://virt.vgmix.com/)
YMCK aus Japan machen Nintendo-Jazz mit Gesang. (http://www.ymck.net/)
Aleksi Eeben aka Heatbeat kommt wie wir aus Finnland und bewegt sich in der C64- und Amiga-Szene. (http://www.cncd.fi/aeeben/)

Equipment aus der Werkstatt der 'Association of Experimental Electronics'

MAS:
Auf eurem neuen Album habt ihr ein paar Tracks zusammen mit der 'Association of Experimental Electronics' gemacht. Wer steckt dahinter und was machen sie? Wie kam es zu der Zusammenarbeit?

Jukka Tarkiainen:
Das sind ein paar Leute aus Helsinki, die sich mit Circuit Bending beschäftigen. Sie entwerfen mit Hilfe alter Geräte wie elektrischem Kinderspielzeug, Keyboards, Effektgeräten und Synthesizer neue Sounds. Ich erfuhr von ihnen in einer Radiosendung, in der sie interviewt wurden und einige ihrer Sounds präsentierten. Daraufhin habe ich sie angerufen, wir sind zu ihrem Arbeitsraum gefahren und haben ein paar Recording Sessions gemacht. Sehr schönes und lustiges Equipment gibt es dort.

MAS:
Woher stammen eure hübschen Raumanzüge und die grünen Helme?

Jukka Tarkiainen:
Die Anzüge haben wir damals für unser Video zu "Asteroid Hopper" angeschafft. Jari hat sie ganz einfach in einem Geschäft gekauft - eigentlich handelt es sich dabei um Malerkleidung. Bei den Helmen handelt sich um Second-Hand-Motorradhelme, die Jari grün bemalt hat.

MAS:
Du sagtest bereits, dass du Grafikdesigner bist. Was machen die anderen beiden Bandmitglieder im richtigen Leben?

Jukka Tarkiainen:
Jari ist Dozent für Multimedia bei der Universität von Lappland (http://www.ulapland.fi/?deptid=17515). Unser VJ Antti studiert Media Art.

MAS:
Woher stammt der Name Desert Planet? Ist es eine Hommage an das PC-Spiel 'Dune'? (Welches in den 90er Jahren sehr populär war und dessen Handlung auf einem Wüstenplanet spielt, Anm. d. Red.)

Jukka Tarkiainen:
Genau, einerseits ist es eine Hommage an das Spiel Dune und an das zugehörige Buch und den Film. Es ist aber auch ein typischer Science Fiction Ort und könnte beispielsweise der Name eines Videospieles sein.

MAS:
Ist es bereits: Was sagt ihr denn dazu, dass bereits seit einigen Monaten das Browser-Game Desert Planet eure Nr. 1 Position bei Google in Beschlag hält?

Jukka Tarkiainen:
(lacht) Das ist schon in Ordnung für uns. Es freut uns, dass wir einen so coolen Namen ausgesucht haben, dass auch andere ihn benutzen. Keine Ahnung, ob die überhaupt schonmal von uns gehört haben.

MAS:
Wie genau sehen eure Konzerte aus - ist dabei überhaupt irgendetwas 'live'?

Jukka Tarkiainen:
Jari hat uns unsere eigenen Instrumente programmiert, wir spielen sie auf den Laptops. Es funktioniert ähnlich wie ein Sampler. Außerdem verwenden wir bei den Konzerten Casio Keyboards, ein elektronisches Xylophon und verschiedene Spielzeuginstrumente.


Hendrik Stahl



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