Musik an sich


Artikel
Sehet, was ihr sehen sollt – „High“; ein literarisches Hochglanzphoto des jungen Songwriters JAMES BLUNT




Info
Autor: Michael Fuchs-Gamböck / Thorsten Schatz

Titel: High – Die James-Blunt-Story

Verlag: Bosworth Verlag, 2007

ISBN: 978-3-86543-344-2

Preis: € 7,95

164 Seiten

Internet:
http://www.jamesblunt.de

Seine Karriere dauert grandiose vier Jahre und er hat auch schon zwei reguläre CDs veröffentlicht. Muss man da schon eine Biographie über ihn schreiben? Es mag überraschen: Aber zwei Überlegungen sprechen dafür.

Zum einen könnte James Blunt eine Eintagsfliege sein, über die in drei Jahren schon niemand mehr spricht. Dann könnte das Erscheinen des zweiten Albums die letzte Chance für eine Biographie gewesen sein.
Zum anderen sind viele Musikerbiographien nur solange spannend, wie die Band auf dem Weg zum Ruhm ist. Danach verlieren sie oft ihren Reiz. Dann hätte Blunt, egal was nun noch kommt, den lesenswertesten Teil seiner Musikerbiographie schon hinter sich. Und somit hätten wir hier den ungewöhnlichen Fall einer Biographie, deren relevanter Aspekt zeitnah erscheint und nicht erst retrospektiv am Ende einer längeren Karriere.

Für mich war es eine ungewöhnliche Biographie, da ich von Blunt schlicht gar nichts wusste. Ich habe auch bis heute noch nicht einen Titel von ihm gehört, obwohl Blunt alleine von seinem ersten Album 12 Millionen Exemplare verkaufen konnte. Aber das muss ja nichts sagen. Wir wissen von diversen Beispielen, dass die Anzahl verkaufter Schieben und die Platzierung in den Charts nicht viel über die Qualität der Musik aussagt. Wie das bei Blunt ist, vermag ich nicht zu sagen. Die Autoren loben die Emotionalität und Ehrlichkeit ihres Helden über den grünen Klee. Micht macht es aber misstrauisch, wenn ich lese, dass am zweiten Album The lost Souls Komponisten mitgewirkt haben, die bereits für Acts wie Beyoncé, Nas, die Backstreet Boys oder Britney Spears gearbeitet haben. Das entspricht nicht ganz dem, was ich von jemandem erwarten würde, den man mir als führenden Vertreter einer neuen Songwriter-Generation zu verkaufen sucht.

Fuchs-Gamböck und Schatz haben angesichts der exorbitanten Länge der Karriere ihres Objektes viel Platz auf die einzelnen Stücke einzugehen. Und das tun sie mit Engagement. Kaum ein Stück, das eine Betrachtung von unter zwei Seiten erhält. Das sprengt bei weitem den Rahmen der im selben Verlag erscheinenden Reihe Storys und Songs kompakt. Und im Gegensatz zur genannten Reihe beschäftigt sich High auch intensiv mit den Texten. Es mag an mir liegen, oder mein Vorurteil unterstützen, wenn mir die Texte in den gebotenen Auszügen dabei lange nicht so tief schürfend vorkommen, wie die Autoren es haben wollen.

Aber das ist kein Mangel der Biographie, sondern wäre dann schlicht das Problem Blunts. (Man kann schließlich auch einem Reporter, der über George Bush schreibt, nicht dessen Politik zum Vorwurf machen.) Bei High stolpere ich an einer anderen Stelle – nämlich da, wo ich nichts erfahre.
Zu Beginn begegnet mir Blunt als ein junger Mensch, der seinen Berufung zum Musiker schon sehr früh erfasst; der aber kein Problem damit hat, dem Wunsch seines Vaters nach einem vernünftigen Studium nachzukommen und sich sogar auf vier Jahre Armeedienst einlässt, damit er danach ein von der Armee finanziertes Studium absolvieren kann. Nun gut, die Generation der revoltierenden Songwriter ist wohl Geschichte.
Wir erfahren nun einiges über das Leben des Soldaten James Blunt, das so unterschiedliche Gesichter hat, wie einen monatelangen Kosovo-Einsatz, bei dem er als Captain eine 30.000 Mann umfassende Einheit an vorderster Front nach Pristina führt, und später die Stationierung bei einer britischen Paradeeinheit, die britischen Geist hoch zu Pferde mit blitzender Uniform und Säbel präsentiert. 2002 gehörte er gar zu den Trägern des Sarges der verstorbenen Queen Mum.
Ja und dann ganz plötzlich versucht Blunt seine erste CD zu promoten – erst ohne und dann mit grandiosem Erfolg. Aber von Anfang an mit einem Warner-Plattenvertrag.

Und da ist es wieder - mein Misstrauen. Immer wieder liest man von den ermüdenden, frustrierenden Jahren, in denen Newcomer nach einem Plattenvertrag streben. Bei Blunt ist er einfach da. Wie das passiert ist, das sagt uns keiner. Zusammen mit den oben genannten Erfolgsproduzenten entsteht – so leid es mir tut - das Bild eines Major-Produkts, das mit massiver Promotionpower von 0 auf 1 in den Markt gedrückt wird.
Und dafür gibt es noch ein Argument. Das Buch von Fuchs-Gamböck und Schatz besteht im Wesentlichen aus einer gut gemachten Aufarbeitung einer Handvoll von Interviews, die Blunt im Lauf der Jahre gegeben hat. Daran ist nichts Ehrenrühriges. Aber es fällt auf, dass das am häufigsten zitierte Interview ein Warner-Interview, also letztlich ein Promotext ist. Daneben stehen einige Interviews mit Internetportalen, sowie dem Stern(!) und der Brigitte(!!). Auch das ist kein Problem. Aber wieder stößt mir auf, was hier fehlt. Es gibt praktisch kein einziges Interview irgendeiner etablierten Musikzeitung. Und das macht aus den Fragezeichen dann letztlich doch Ausrufezeichen.

Und noch ein Manko muss benannt werden. Der Fototeil ist eine langweilige Katastrophe. Auf acht farbigen Hochglanzseiten sehen wir 20 Mal James Blunt, acht Mal mit Gitarre. Außer einem Mikrofon sehen wir sonst nichts. Kein wirkliche Live-Situation, kein anderes Bandmitglied, keine Foto mit irgendeiner Art von Leben. Dabei werden im Buch so schöne potenzielle Motive beschreiben: Blunt hoch zu Ross in Paradeuniform, James Blunt und sein Panzer, auf(!) dem er die Gitarre fest gebunden hat, Blunt, der im Biwak für seine Kameraden „Give Peace a Chance“ spielt, Blunt der schweißtreibende Konzerte gibt, ja und vielleicht auch das eine oder andere der von ihm gehassten Paparazzi-Fotos mit Paris Hilton oder einer anderen Blondine im Arm.
Klar, nicht in jeder dieser Situationen klickt eine Kamera. Aber wenn sich der Fototeil völlig auf gestellte – selbstverständlich möglichst natürlich wirkende – Promofotos reduziert, bestätigt das den Eindruck, den der Text bietet, noch einmal.

Fazit:
High ist eine gut geschriebene Fleißarbeit von Fuchs-Gamböck und Schatz, die dem danach hungernden Leser, bzw. wahrscheinlich eher der Leserin, das Bild von James Blunt vor Augen hält, das die Plattenfirma gerne von ihm verbreiten möchte.


Norbert von Fransecky



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