Musik an sich


Artikel

Geyers - "vom Mittelalter infiziert"

Mittelalterbands sprießen zur Zeit wie Pilze aus dem Boden, und wie so oft ist Masse nicht gleich Klasse. Thomas Roth, seines Zeichens Gründungsmitglied von Des Geyers schwarzer Haufen (jetzt: Geyers), einer der dienstältesten Gruppen diese Genres, nahm sich die Zeit und stellte sich unseren Fragen.

MAS:
Zum Kennenlernen: Die wichtigsten Stationen der Geyers-Laufbahn.

Thomas Roth:
1984 zusammen mit U.v.Olnhausen und A.Schmidt-Reinthaler als "Des Geyers schwarzer Haufen" gegründet. 1986 verließ Olnhausen das Trio und Albert Dannenmann kam hinzu. 1987 stieß Jost Pogrzeba zur Gruppe. In dieser Besetzung die Band bis Ende 1999. Dann Trennung von Schmidt-Reinthaler und Änderung des Namens in "Geyers". Zeitgleich Einstieg von Georg Hesse.

MAS:
Was bewog euch damals dazu, eine Gruppe für mittelalterliche Musik zu gründen?

TH:
Wir spielten ab und zu Begleitmusik zu mittelalterlichen Tafeleyen auf der Götzenburg Jagsthausen und der Burg Hornberg. Durch dieses wunderschöne Ambiente sind wir mit Mittelalter im Allgemeinen und den dazu gehörenden Instrumenten und Melodien im Speziellen infiziert worden. Dann ging die Entwicklung Schritt für Schritt bis heute weiter.

MAS:
Besteht noch Kontakt zu damaligen musikalischen Weggefährten?

TH:
Nein.

MAS:
Habt ihr Vorbilder?

TH:
Keine direkt auf Geyers bezogenen.

MAS:
Welche anderen Gruppen kannst du empfehlen?

TH:
Adaro ist eine äußerst solide Band. Blackmore’s Night sowieso.

MAS:
Weshalb habt ihr euch Florian Geyer als Namenspatron gewählt?

TH:
Das hat mit dem sozialen Engagement dieses Ritters zu tun, der ja nicht auf seiner eigenen, sondern für die andere Seite gekämpft hat, also für die Rechte der von Staat und natürlich ganz besonders von der Kirche Unterdrückten.

MAS:
Würde man ihn heute als Terroristen bezeichnen?

TH:
Etablierten Faschos aus den dicht geschlossenen Reihen einer CSU wie Stoiber, Glos, Beckstein und Konsorten ist alles Unerdenkliche, also auch das zu zutrauen.

MAS:
Euer aktuelles Album, "Und dein roter Mund" verzichtet auf Rockeinschläge. Sind die Geyers in Rock - Zeiten passé?

TH:
Nein, ganz im Gegenteil. Wir sind in der glücklichen Situation, sowohl die rein akustische, als auch die akustisch-elektrische Variante zu spielen. Allerdings trennen wir strikt, um Transparenz für Veranstalter und Publikum zu erzielen. Im Moment stehen wir kurz vor der Vollendung unseres HistoRock-Albums mit dem Titel "Lästerzungen".

MAS:
Erzähle alles über "Und dein roter Mund".

TH:
Das ist ein Album, für das mein Herz ganz besonders schlägt. Verglichen mit den früher erschienenen haben wir hier meiner Meinung nach ein wunderschönes, für sich alleine stehendes Stück Musik publiziert, dem von vielen Seiten Tiefe, Ehrlichkeit, ein dezenter Schuss Humor und handwerkliches Können attestiert wird. Das hat viele Ursachen. Georg Hesse hat dem Album sowohl rein musikalisch als auch als Instrumentalist sicher seinen Stempel aufgedrückt, wobei das Komponieren, Arrangieren und Textverarbeiten immer Sache von allen vier Bandmitgliedern war. Das ist ein ganz entscheidender Unterschied zu früher und findet auch in den Urheberangaben seinen Niederschlag. Der Titelsong "Und dein Roter Mund" ist ein von Vogelweide und Morungen inspiriertes Eigengewächs und erstmals der Versuch, ein nur ganz wenig augenzwinkerndes (abgesehen von der unvermeidlichen dritten Strophe!) Liebeslied zu schreiben und öffentlich dar zu bieten. Einzig ein paar hypersensible Frauen könnten sich bei den „Weibern mit den Flöhen“ auf den nicht vorhandenen Schlips getreten fühlen. Das wäre schade für die.

MAS:
Ist "Pastime" eine Hommage an Ritchie Blackmore?

TH:
Nein! Wir haben dieses Lied früher schon einmal in einer Fassung veröffentlicht, die wir schon lange nicht mehr hören können und wollen. Es galt, das künstlerisch richtig zu stellen.

MAS:
Wie kam der Kontakt mit ihm überhaupt zustande, damals hatte er mit Mittelalter ja noch nicht viel am Hut, oder irre ich mich ?

TH:
Ritchie hatte schon immer ein Faible für klassische Musik und für Musik aus noch früheren Zeiten. Auch bei Deep Purple und Rainbow ist das immer wieder deutlich heraus zu hören. Seinen Hang zum Mittelalter lebte und lebt Ritchie auch heute noch aus. Er kleidet sich häufig mittelalterlich, setzt sich intensiv mit der entsprechenden Musikliteratur auseinander und hält sich bevorzugt in alten Gemäuern auf, am liebsten in solchen, in denen es nachweislich vor Geistern nur so wimmelt. Letzteres war der Grund, dass wir ihn 1987 in Jagsthausen getroffen haben.

MAS:
Auf einem der Bandfotos im Booklet steht ihr vor einem großen Haufen Bauschutt - was will der Künstler damit sagen?

TH:
Also, das sieht erstens recht spacig aus, finde ich. Zum Zweiten war die Zeit der Bauernkriege um 1525, aus der sich der Name ja ableitet, eine Zeit der Zerstörung und gescheiterten Visionen. Also auch das passt. Für weitere Fragen steht unser Fotograf Michael Fuchs aus Remseck ganz sicher und gern zur Verfügung.

MAS:
Was macht ein Geyers-Stück aus?

TH:
Die Gesangsstimmen zum einen: nicht nur auf Schönheit bedacht, sondern bei allem Timbre auf Erdigkeit und Natürlichkeit bedacht. In welcher Band singt so ein Bass? Desweiteren die Grooves und die Tatsache, dass man nicht alle Stücke easy nachspielen kann. Kein Blendwerk, wenn ich bedenke, wer heutzutage alles vorgibt, Nyckelharpa spielen zu können.

MAS:
Was würdet ihr gerne vertonen?

TH:
Es gibt noch eine Menge Texte, nicht nur von Francois Villon, die unserer harren.

MAS:
Euer größter musikalischer Traum?

TH:
Ehrlich gesagt, dass die Band beieinander bleibt und wir gemeinsam ein größeres Publikum erreichen und alles, was damit zusammen hängt.

MAS:
Der härteste Stein in eurem Weg war...

TH:
...den Kopf frei zu kriegen von der Aktion Ende 1999.

MAS:
Der Erfolg von In Extremo, Corvus Corax etc.hat der Mittelaltermusik ja viele neue Hörer verschafft. Wie findet ihr diese Bands und ihre Art der Interpretation?

TH:
Der Erfolg rechtfertigt deren Existenz. Gefallen tut es mir nicht.

MAS:
Habt ihr euch einen Rahmen gesetzt, in dem ihr andere musikalische Einflüsse in eure Musik einarbeitet, oder seid ihr grundsätzlich für alles offen?

TH:
Jazz, Klassik, Rock, Funk, Ethno würde ich mal sagen. Einen bewussten Rahmen haben wir uns aber nicht gesetzt.

MAS:
Was macht gute Musik aus?

TH:
Drei Dinge: man findet sie auch nach dem tausendsten Mal noch gut! Man würde sie gerne selber spielen und wenn man sich wünscht, sie selbst geschrieben zu haben.

MAS:
Wie weit interessiert euch das aktuelle musikalische Geschehen?

TH:
Meist sind wir mit unserer eigenen Sache beschäftigt, was eigentlich schade ist. Es gibt jede Menge guter Bands (nicht im Mittelalterbereich!), die jedoch gar nicht so leicht aus zu machen sind. Was uns die Musikindustrie anbietet, ist ja meistens eher zum sich Übergeben.

MAS:
Welche CD hast du dir zuletzt gekauft?

TH:
Händels Orgelkonzerte mit Simon Preston auf der Orgel von Westminster Abbey.

MAS:
Dein Allzeitfavorit?

TH:
Ich glaube, am bleibendsten wird Johann Sebastian Bach sein. Der komplexen Systematik und Struktur seiner Kompositionen wegen.

MAS:
Weshalb muss man mindestens ein Mal im Leben auf einem Geyers-Konzert gewesen sein?

TH:
Muss man nicht! Man kann aber auch öfter!

MAS:
Spielt ihr lieber in Sälen oder im Freien?

TH:
Im Festsaal der Wartburg zu Eisenach spiele ich lieber als in der Fussgängerzone von Castrop-Rauxel. An einem See in einer lauen Sommernacht spiele ich lieber als im Tagungsraum einer Bank. Aber alles hat seinen Platz.

MAS:
Geht ihr auf Konzerte der 'Konkurrenz'?

TH:
Nur, wenn es sich lohnt.

MAS:
Wenn ihr ein neues Stück einstudiert, existiert es vorher schon fertig in euren Köpfen, oder wird noch viel herumprobiert?

TH:
Der Titel „Und dein Roter Mund“ zum Beispiel ging eigentlich ganz locker von der Hand. Da war steter Zug dahinter und nach zwei, drei Stunden stand er grob und wir waren happy. An anderen Tagen hakt es und man tut sich schwerer. Das hat mit körperlicher, geistiger und vor allem seelischer Befindlichkeit zu tun. Jeder hat im Übrigen seinen eigenen Kopf. Die werden dann in einen so genannten Kopftopf geworfen. Dann wird kräftig umgerührt und fertig ist der Sud.

MAS:
Was macht mehr Spaß: Das Interpretieren eigener oder fremder Stücke?

TH:
Wenn man die Möglichkeit hat, beides zu tun, ist das sekundär. Dann gilt: es macht Spaß, gute Musik in gutem Ambiente, in guter Atmosphäre, also vor guten Leuten gegebenenfalls auf einer guten Anlage gut gemischt ohne Nachzudenken für gutes Geld gut zu spielen.

MAS:
Welche Frage wurde dir noch nie in einem Interview gestellt?

TH:
Zum Beispiel, ob wir schwul sind.

MAS:
Dann beantworte sie bitte jetzt.

TH:
Nein!

MAS:
Welche Aktivitäten plant ihr für 2004?

TH:
Zunächst vordringlich ist die Veröffentlichung der Rock-CD. Dann hoffen wir, dass es terminlich wieder mit Blackmore’s Night klappt. In der zweiten Jahreshälfte planen wir wieder eine Tour durch Wales. Im Gespräch sind auch Festivals in England und Schottland.

MAS:
Welches eurer Konzerte ist dir am Besten in Erinnerung geblieben?

TH:
Es waren im Laufe von zwanzig Jahren natürlich unendlich viele. Die Gastspiele in Jagsthausen in den Achtzigern waren immer etwas Besonderes. Mit Ritchie Blackmore auf der Bühne zu stehen, hat auch heute noch immer etwas Prickelndes.

MAS:
Der schönste Ort, an dem ihr je eine Vorstellung gabt?

TH:
Der Festsaal der Wartburg.

MAS:
Was möchtest du noch loswerden?

TH:
Es wäre schön, wenn sich die Leute mal wieder - positiv natürlich - in unserem Gästebuch verewigen würden.

MAS:
Danke für das Interview.

TH:
Aber gern!

Die Geyers im Internet: www.geyers.info

Sascha Christ