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Motown - Sound of the Sixties

Motown ist mehr als eine Plattenfirma. Motown ist ein Sound und Motown ist ein Mythos. Horst-Peter Meyer macht sich auf die Suche nach den Wurzeln dieses Mythos. Er findet sie beim Firmengründer Berry Gordy, einem schwarzen Selfmade-Mann, dem man eine ganze Reihe von Ehrentiteln anheften kann. Er hat aus dem Nichts ein Imperium erschaffen. Er hat schwarzes Selbstbewußtsein nicht eingefordert, sondern gelebt. Auf uramerikanische Art und Weise hat er dem stockweißen Amerika eine kräftige schwarze Infusion in die kulutrellen Adern verpasst, die die amerikansiche Musikszene bis heute unauslöschlich mitprägt.

Dass Motown Motown wurde, hat aber noch weitere Gründe - außer der Musik natürlich. Als autokratisches patriachales Oberhaupt führte Gordy sein Firmenkonglomerat wie eine Großfamilie, die es z.T. auch war - durch die Einbindung geborener und eingeheirateter Familienmitglieder in die Firmen und diverse Ehen zwischen Gordys, führenden Mitarbeitern und Künstlern. Bestes Beispiel für das familiäre Verantwortungsbewußtsein Berrys wird der kurz nach der Geburt erblindete Steveland Morris, Sohn einer Putzfrau in den firmeneigenen Hitsville Studios. Man kümmert sich um ihn, läßt ihn einfach dabei sein, behandelt ihn wie ein Familienmitglied - bis man sein Talent entdeckt und er als Stevie Wonder einer der größten Motown-Stars aller Zeiten wird.

80 Seiten lang läßt Meyer den Mythos wieder aufleben. Dann folgt wie so oft, die Ernüchterung, die mit dem Erfolg kommende Anpassung an das Musikgeschäft und dann 1988 der Verkauf des Imperiums an den Mediengiganten MCA. Und auch hier behält Gordy die Fäden letztlich in der Hand, indem er die Situation richtig einschätzt, sich nicht an den verblassenden Mythos bindet, sondern mit einem guten Geschäft einen Abschluß hinter das vielleicht wichtigste Kapitel amerikansicher Musikgeschichte der 60er und teilweise auch noch 70er Jahre setzt.

Meyer beendet seinen Abriß mit Kurzportraits wichtiger Motown-Künstler, die im Buch nicht oder nur knapp erwähnt werden und ausführlichen Stammbäumen der beiden wichtigen Motown-Ensembles, der Supremes mit Diana Ross und der Temptations.

Ein gelungenes Stück Musikgeschichte, bei dem ich, als jemand, der mit Motown-Scheiben nur wenig bestückt ist, eigentlich nur eine beigefügte CD vermisse.

Horst-Peter Meyer
Dancing in the Streets
Motown - Sound of the Sixties
Sonnentanz-Verlag, Augsburg
144 Seiten
ISBN 3-926794-23-2
12,70 Euro

Norbert von Fransecky