Artikel
Info
Zeit: 04.08.2010
Ort: Rockmusik Hamlar (Asbach-Bäumenheim)
Interview: Face 2 Face
Stil: Deutscher Rock
Internet:
http://www.tillmann.de
http://www.myspace.com/tillmannband
Vier Jahre sind im Musikbusiness eine lange Zeit. Und der Wald- und Wiesenhörer neigt bekanntlich zum schnellen Vergessen einer früher vielleicht positiv aufgenommenen Gruppierung - besonders wenn sich die Bandaktivitäten auf ein paar Gigs im Jahr beschränken. So ähnlich geht es auch dem Trio TILLMANN. Die Veröffentlichung ihres letzten Machwerks Vorsicht, Fahrstuhl! lag bereits im Sommer 2006. Seitdem hat sich bei ihnen auch ein bisschen etwas getan. Der Fahrstuhl im Proberaum ist genauso passé wie ihr Bassist Chris Scholz. Dieser wurde zwischenzeitlich durch Nils Hermanski, ex-Mitglied von Tubestar und Produzent ihres Vertrauens, ersetzt. Am Sound selbst hat sich aber glücklicherweise nichts geändert. Noch immer gibt es kernigen und unpeinlichen Deutschrock mit Bratgitarren und jeder Menge Schmiss. Für alle die nichts für deutschsprachige Betroffenheitsmucke und peinlichen Fremdschämhumor übrig haben, ist das hier ein Geheimtipp. Ihr neustes Baby, auf dem sich TILLMANN nach Herzenslust austoben, hört auf den schlichten Namen Geld, Gold und Glücklichsein. Gerne haben wir von MAS bereits zum zweiten Mal nach 2006 die Gelegenheit wahrgenommen, im urigen Ambiente des Kultclubs Rockmusik Hamlar bei Donauwörth mit dem äußerst sympathischen Schlagzeuger Dieter Kandler über die neueste Platte zu sprechen. Hier ein Auszug des kurzweiligen Gesprächs.
In letzter Zeit seid ihr ziemlich viel unterwegs. So einen gut gefüllten Tourplan hattet ihr schon lange nicht mehr!
Da bin ich auch überrascht. Am Anfang war wirklich gar nichts. Dann hat sich eines nach dem anderen ergeben. Wobei man ehrlich sagen muss, dass wir mit Nachdruck daran gearbeitet haben, dass man was bekommt. Wir buchen nach wie vor selbst. Es waren ein paar gute Open Airs dabei. Leider hat es bei ein paar geregnet. Aber ich muss dazu sagen, die Hardcore-Fans waren da. Den ganzen Tag hat es geregnet, aber so 250 bis 300 haben richtig Party gemacht.
Auf Eurer neuen CD sind wieder in paar ganz interessante Sachen dabei. „Wo immer Du gehst“, ist das so euer „Every breath you take“, der Song für alle Stalker?
Das stimmt, das ist der typische Stalker-Song. Ein guter Vergleich mit „Everybreath you take“. Das ist mir so auch nie aufgefallen.
Der Titel gibt jetzt aber keinen tiefen Einblick in das Seelenleben von Gitarrist und Sänger Tom?
Nein, ganz und gar nicht. (lacht)
Genauso wie „Ich bin dabei“, das Lied für alle mit einem ausgeprägten Minderwertigkeitskomplex.
Ja, das ist ein typischer Losersong. Das sind oft unsere Themen. „Ich bin dabei“, der Loser. Oder „Geld, Gold & Glücklichsein“, einmal auf den Putz hauen. Damit kann sich im Prinzip jedermann identifizieren. Und deshalb sind wir auch darauf gekommen, weil wir eben jedermann sind und solche Gedanken haben.
Ihr seit seid ja auch nicht das typische „Studentenklientel“ - Stichwort Hamburger Schule.
Das sind wir nicht und das mögen wir auch nicht. Man hat vielleicht mal ein paar Ideen und Anleihen in diese Richtung, wie zum Beispiel bei „Monotonie in der Vorstadt“. Da haben wir wirklich mal versucht eine Art Geschichte zu erzählen und es bildlich zu machen. Aber dann ist es für uns auch schon wieder gut. Wir wollen nicht ständig den Zeigefinger erheben. Dafür gibt es andere die es besser können.
Was ich auch sehr geil finde, ist der Abschluss „Ein schöner Tag“. So ein richtig dahin gerotzter Punksong hinten raus.
Genau. Den finde ich auch schön. Aber mein persönlicher Favoriten ist unter anderem „Gib mir ein Boot“.
Wenn man das Demo davon kennt, hat sich das Lied schon ein ganzes Stück weiter entwickelt.
Diesen Titel gibt es bei uns glaub ich schon seit fünf Jahren. Es ist immer wieder daran herum gemacht und er dann zurück gestellt worden. „Das können wir doch nicht machen, das ist kein richtiger Song.“ Und irgendwann haben wir gesagt „und jetzt ist Schluss, machen wir den drauf auf die Platte“. Und das war gut so.
Der absolute Ohrwurm ist natürlich „Der Plan“.
Von der Entstehung der CD her waren „Der Plan“, „Monotonie in der Vorstadt“ und „Kein Augenblick“ die Neuesten. Das waren, ohne Übertreibung jetzt, mal zwei richtig kreative Proben, dann waren die drei Songs fertig. Wir haben gesagt: „OK, jetzt ziehen wir die Platte schon so lange herum, jetzt ist es auch schon egal und wir machen die drei noch drauf, weil sie einfach gut sind.“ Dann haben wir unseren Verleger überredet, dass wir noch zwei Monate länger brauchen. Und die drei sind natürlich drei absolute Knaller auf der CD.
Die CD hat sich eh sehr lange hingezogen. Du hattest sie schon vor zwei Jahren angekündigt.
Genau. Weil die meisten Lieder die jetzt drauf sind bereits fertig waren. Wir hatten sogar insgesamt noch einmal fünf Stück mehr, die aber am Ende rausfielen. Das witzige ist, wir haben uns bei der letzten Probe vor einer Woche geschworen, dass wir definitiv im Winter 2011 die nächste CD rausbringen und nicht mehr vier Jahre warten werden. (lacht) Die nächsten zwei Songs dafür wurden schon geschrieben. Wir haben uns wirklich darauf eingeschworen, dass wir im Durchschnitt alle eineinhalb Jahre eine neue CD in Angriff nehmen.
Bei einer solchen langen zeitlichen Lücke verliert man wahrscheinlich auch etwas den Anschluss und die Leute vergessen einen in der schnelllebigen Zeit wieder.
Ja, es ist wirklich so. Vor allem macht es auch tierisch Spaß eine CD zu machen. Wenn es sich über zwei Jahre hinzieht, macht es weniger Spaß. Wir haben es vorher auch schon anders gemacht. Wenn man ins Studio geht und das alles zügig abgearbeitet und gemischt wird, hat man auch unwahrscheinlich Bock drauf. Und wenn ich mir jetzt die Platte anschaue, sind auch alle Sachen gut. Nur sind ein paar Dinge drauf, die kennt man schon so lange, dass man davon selbst nicht mehr überrascht wird. Man hört dann die fertige CD und zappt am liebsten weiter. Aber nicht weil der Song schlecht ist, sondern weil man ihn schon so lange kennt.
Und mit dem Aufnehmen selbst, ist es ja jetzt wohl etwas unkomplizierter, nachdem ihr euren Produzenten Nils Hermanski kurzerhand zum neuen Bassisten gemacht habt.
Es ist vor allem einfacher. Und das Gute ist, ich muss einem Produzenten nichts mehr erklären. Der muss erst verstehen, was die Band will, wie es klingen soll, wie muss die Gitarre klingen, dass es Tillmann ist. Das fällt hier natürlich komplett flach, weil er Teil der Band ist. Das ist ein riesiger Vorteil. Er weiß wie das Schlagzeug klingen muss, er weiß wie die Gitarre klingen muss und natürlich wie sein Bass klingen muss. Das vereinfacht die Arbeit gleich mal um die Hälfte.
Warum ist der Chris eigentlich nicht mehr dabei?
Wir sind im Guten auseinander gegangen. Es gab keine Skandale oder großen Streitereien. Man hat sich einfach nicht mehr so verstanden.
Wenn man sich die Platte jetzt anschaut: Es sind zwei neue Lieder mit drauf, eine große Werbekampagne ist am Laufen. Es kommt mir fast so vor, als wäre das jetzt ein richtiger Tillmann-Neustart. Wie auf 0 gedrückt und jetzt geht es erst richtig los.
Im Prinzip hast Du ein bisschen Recht. Erstens ist die Band neu zusammen gewürfelt worden. Mit dem neuen Bassisten ist es einfach neues Lineup. Man hat schlicht und ergreifend gesagt, die zwei Songs die jetzt noch einmal zusätzlich drauf sind, die es vorher schon einmal gegeben hat, sind gut, warum nicht noch einmal? Dann hat uns unser Verlag ein wenig finanziell unterstützt. Man probiert es mal aus und schaut wie es eine richtig professionelle Promoagentur macht. Alleine daher ist für Tillmann um einiges mehr passiert als beim letzten Mal.
Wurden die zwei alten Songs „Herr Dehmel“, der jetzt „Bitte, bitte kauf mich“ heißt und der Titeltrack bei der Gelegenheit noch einmal komplett neu eingespielt oder einfach übernommen?
Nein, der Bass wurde neu eingespielt und die Songs dann neu abgemischt. Es wurde wirklich darauf geachtet, dass man das noch einmal neu macht, da der Chris nicht mehr dabei ist. Nils spielt auch einfach anders Bass. Er spielt zuerst mal einfacher. Was man wirklich sagen muss, Chris war ein regelrechter Virtuose und Nils spielt viel mehr geradeaus und arbeitet mehr mit Sounds. Das macht das Ganze natürlich ein wenig schmutziger, was mir persönlich etwas besser gefällt.
Die CD heißt jetzt Geld, Gold & Glücklichsein und nicht wie zuerst geplant Rock hoch. Warum habt ihr da umgeschwenkt?
Das Cover für Rock hoch war eigentlich schon fertig. Dann sagte unser Verleger irgendwann mal zwischendurch, es ist nicht so plakativ. Im Nachhinein hatte er wahrscheinlich auch Recht. Natürlich war es anfangs ärgerlich, weil man sich schon so darauf eingeschossen hatte. Aber den Titel finde ich jetzt richtig richtig griffig. Es ist ein zwar einfacher, aber absolut positiver Titel.
Dieses Mal gab es statt einer Coverversion gleich zwei. „Tango 2000“, das bei euch jetzt „Tänzer“ heißt, habe ich zuerst gar nicht erkannt, da es im Original auch eine Frau singt.
Der Witz an der Sache ist, dass wir einige Zeit lang selbst nicht kapiert haben, dass wir einen Song covern. Der Tom hat immer diesen „Tänzer“ gespielt und wir haben das einfach so als seine Idee hingenommen. Und irgendwann haben wir zu unserem Entsetzen festgestellt, dass es ein Lied gibt das verdammt ähnlich klingt. Dann haben wir recherchiert. Es kam eine Band namens Nichts dabei heraus, die jetzt witzigerweise auch wieder aktiv ist. Eine NDW-Band mit ihrem größten Hit „Tango 2000“. Da hat sich jemand unbewusst ganz stark davon inspirieren lassen. (lacht)
Hier hab ich gedacht, dass das wirklich Absicht ist. Ihr seid als NDW-Fans bekannt und der Einfluss im Sound ist auch nicht wirklich zu überhören.
Als wir das festgestellt haben, dachten wir natürlich, dass das wirklich sehr gut passt. Aber ursprünglich ist es wirklich anders gewesen. Wir haben immer gemeint, das sind wir und wir sind die tollsten Songschreiber der Welt.
Wie kamt ihr dann auf „Wo bist Du?“ der bajuwarischen Institution Spider Murphy Gang?
Der ursprüngliche Grund, dass wir das überhaupt gemacht haben, war dass es vor zwei Jahren eine Tribute-CD zum 30-jährigen Jubiläum der Spider Murphy Gang gab. Auf Initiative unseres Verlegers wollten wir uns daran auch beteiligen. Es wurde dann eine Liste herum geschickt, welche Band welchen Song schon belegt hat. Am Ende waren noch „Wo bist Du?“ und „Pfiad Di Gott Elisabeth“ übrig. Mundart passt allerdings nicht zu Tillmann und es gibt glaube ich auch nur zwei auf Hochdeutsch gesungene Titel der Spider Murphy Gang. Also blieb eben nur dieser eine übrig und wir haben daran rumgebastelt. Nachdem letztendlich nichts aus der Geschichte wurde, haben wir den Titel wenigstens auf unser eigenes Album genommen.
Wie läuft es mittlerweile mit dem Songwriting bei euch, nach der Neuformierung?
In der momentanen Besetzung, für diese CD, ist es wirklich eine Kooperation von allen Dreien.
Bringt sich der Nils dann auch kreativer ein als der Chris?
Eigentlich nicht. Chris hat sich auf eine andere Art eingebracht. Er hatte eine andere Herangehensweise. Es war eigentlich vorher auch schon so. Der Tom kommt mit einer groben Idee, mit einem Riff oder so etwas. Er kommt aber nie mit einem fertigen Lied. Und dann ist es wirklich hopp oder topp. Man spielt das und die anderen beiden sagen dann, es geht überhaupt nicht oder es ist super. Dann baut man es auf, zeichnet es grob auf und nimmt es mit nach Hause. Wenn man es dann in den nächsten Probe anhört und man findet es immer noch gut, dann kann man damit weitermachen. Wenn nicht, ist es ein Fall für den Papierkorb.
Diskografie
Gott der Stadt (1999)
Vorsicht, Fahrstuhl! (2006)
Geld, Gold und Glücklichsein (2010)
Also diese CD haben wir nach Studiomanier aufgenommen, während wir bei der letzten einige Songs live eingespielt hatten. Vorher hatten wir einen groben Guidesong angefertigt, um sich daran zu orientieren und dann alle Aufnahmen gestückelt, was den Vorteil hat, dass man danach mit dem Song alles mögliche machen kann, da man jede Spur einzeln sauber hat. Das zieht sich natürlich in die Länge. Jetzt haben wir im Überschwang der Gefühle der letzten Probe gesagt, die nächste CD nehmen wir wieder live auf. Was wir natürlich letztendlich machen, stellt sich dann heraus. Aber in diese Richtung wird es gehen, weil es schneller geht und einfach mehr Spaß macht und weil es eine Bestandsaufnahme der jeweiligen Zeit ist, wo man spielerisch stand.
Ihr hattet immer zahlreiche Songs so herumliegen. Gibt es da noch Überreste, die auf eine Verwertung warten?
Wir haben jetzt gewissermaßen einen Kassensturz mit der CD gemacht. Einige Ideen die schon lange rumschwirren, wurden endlich verarbeitet und wir haben unser Archiv damit aufgeräumt. Nun sind wir komplett leer. Alles was jetzt dann kommt, hat es noch nie gegeben und ist komplett neu.
Wo wollt ihr als Band noch hin, noch mehr Platten, noch mehr Konzerte?
Natürlich könnten es ein paar Konzerte könnte mehr sein. Aber eher eine andere Art von Konzerten, eine andere Qualität. Wir wollen natürlich im Jahr keine 200 Gigs spielen. Das kann keiner von uns. Von einer guten Band die passt mal einen guten Supportslot bekommen, für eine Handvoll Shows. Ganz auf die Art: „Wenn ich heute dort spiele, weiß ich auch, dass Leute dort sind, die so etwas hören wollen.“ Und natürlich wie gesagt, schnellst möglichst die nächste Platte machen.
Geld, Gold & Glücklichsein erscheint jetzt über Nils' Firma Bumrecords. Ein echtes Plattenlabel steckt aber nicht dahinter. Eine bewusste Absage an das „Big Business“?
Was wir festgestellt haben ist, dass wir an sich keine Plattenfirma benötigen. Das braucht man heutzutage einfach nicht mehr. Wenn man eine Promoagentur für die Werbung beauftragt und einen Vertrieb hat - was willst du dann noch mehr? Die Platte ist im Laden, sowie bei Amazon zu finden und man kann sie sich herunterladen. Und diese Sachen zahlst du im Endeffekt sowieso auch bei einer Plattenfirma selbst mit. Die verkaufen dann wahrscheinlich schon noch mehr, weil sie noch mehr Promotion machen. Aber es wird dann immer noch mehr Geld von den Verkäufen abgezogen, bis nichts mehr übrig ist. Und das brauchen wir nicht. Was für uns interessant ist, wäre eine Bookingagentur, die für uns vernünftige Gigs macht. Das wäre die letzte Säule die uns noch fehlt.
Na dann hoffen wir mal, dass die Lücke auch noch gefüllt wird!
Mario Karl
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