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Zeit: Juli 2009
Stil: Folk, Singer/Songwriter
JOHN JONES, dieser Name sorgt bei Folkrock-Fans immer wieder für wohlige Schauer und ein Leuchten in den Augen, ist der sympathische Brite doch die emotionale und charismatische Stimme der fast schon legendären Oysterband. Seit über dreißig Jahren erfreut diese schon ihre Fans rund um den Globus. Bei einer derart langen (Band-)Beziehung ist es schon fast normal und verständlich, dass einzelne Mitglieder auch mal fremdgehen. So haben Gitarrist Alan Prosser und Chellist/Bassist Ray „Chopper“ Cooper bereits früher auf eigene Faust Projekte gestartet. JOHN JONES dagegen hat lange gezögert, unternimmt jetzt allerdings mit seinem ersten und wunderbaren Soloalbum Rising road einen eigenen Ausflug. Dabei geholfen hat ihm besonders sein Produzent Al Scott, welcher vorher schon Meet you there, Holy bandits und andere Projekte der Oysterband produziert hat.
Für Instrumentalisten scheint es oft auch einfacher sich solistisch und außerhalb ihres Stammplatzes zu bewegen, während die Stimme von Sängern meist komplett mit dem Sound ihrer Band verbunden bzw. assoziiert wird. Sich davon freizumachen ist dabei gar nicht so einfach. Dies war auch der Grund, dass John Jones in früheren Jahren skeptisch war, ob er deswegen auch auf eigenen musikalischen Beinen stehen kann. „Als die emotionale und markante Stimme der Oysterband war es für mich immer etwas schwieriger ein Soloalbum zu machen. Das ist bei Sängern immer so. Jeder denkt die Welt einer Band würde enden, wenn ein Sänger mal etwas anderes macht. So war es vielleicht auch für mich eine Frage den richtigen Zeitpunkt abzuwarten, bis ich es richtig machen und meinen eigenen Sound finden konnte.“ Und heraus kam dabei ein sehr schönes und ehrliches Stück Musik, mit zahlreichen erhebenden Momenten, das sich doch ein ganzes Stück von den Oysters unterscheidet. Wie zu erwarten steht dabei die Stimme von John im Vordergrund, während seine Begleitmusiker darunter einen angenehmen Klangteppich zaubern. Fragt man den Protagonist selbst, worin er den Unterschied sieht, gibt er folgendes zu Protokoll: „Bei Rising road entstehen die Songs allein aus dem Fluss meines Gesangs - nicht von den Akkorden, festgelegten Rhythmen oder von einem Bandansatz. Die Melodien und das emotionale Gewicht eines Lieds waren das wichtigste.“ Dabei kam es schon mal vor, dass außer ein bisschen Perkussion ein Lied nur aus Gesang besteht. So wie bei dem Traditional „Polly on the shore“.
Aus dem Grundgedanken den Gesang in den Mittelpunkt zu stellen und ihn nicht als ein weiteres Instrument zu sehen, musste natürlich auch eine etwas andere Herangehensweise an die Musik gefunden werden, die John zusammen mit Produzent Al entwickelt hat. „Dies war eine Entdeckungsreise für beide von uns. Wir wussten, dass wir nicht einfach ein neues Oysterband-Album machen konnten. Wir arbeiteten uns von der Stimme als Ausgang nach vorne, von einem A Capella-Start, was ziemlich aufregend und befreiend war.“ Die die Lieder mussten auch funktionieren während John über ein Grundsummen oder ganz ohne Instrumente sang. So entwickelten sich die am Ende zu hörenden Klanglandschaften ziemlich schnell. Vor allem da die beiden zu zweit ziemlich frei experimentieren konnten. Nebenbei veränderte sich so auch die Sicht Jones’ auf die Musik an sich. „Es war eine sehr kreative Zeit für mich und sie hat wirklich meine Sicht und Herangehensweise für Musik verändert. Ich hoffe ich habe so auch eine unverkennbare Stimme außerhalb meiner Person als Mitglied der Oysterband geschaffen.“
Und auf Rising road klingt diese Stimme vielleicht sogar ein bisschen befreiter und präsentiert sich auch ein Stück persönlicher. So zeigt er bereits auf dem Cover seine Verbundenheit zur Natur und lässt seine Passion für Langstreckenwanderungen immer wieder durchklingen. Das Album klingt wie eine Reise durch die weiten Landschaften seiner Heimat, die er zu Fuß erkundet. Im Frühjahr ging dieses Hobby sogar so weit, dass er auf seiner Konzertreise von Veranstaltungsort zu Veranstaltungsort wanderte. Ingesamt 200 Meilen. „Diese Wandertour war eine ziemlich verrückte Idee. Teils eine persönliche Herausforderung, teils Erkundung und eine Hommage an die wundervolle Landschaft in der ich lebe. Am Ende eines langen Tagesmarschs war es eine erstaunliche Erfahrung ein Konzert zu geben. Zwar ermüdend, aber zutiefst befriedigend.“ Kein Wunder, dass sich diese Verbundenheit zur Natur derart in der Musik auf Rising road niederschlug und sich das durch die ganze Atmosphäre des Albums zieht. Das war auch das vorrangige Ziel des Briten. „Es gibt zwar auch städtische Folkmusik da draußen, denn Folkmusik kann auch draufgängerisch, scharfkantig und eben urban sein. Doch ich wollte viel mehr die natürliche, ländliche und offene Dimension der Folkmusik hervorheben.“ Der Sänger stellte sich dabei viele der hier zu hörenden Songs als Reisen durch eine zeitlose Landschaft vor. Zwölf solcher Reisen finden sich auf dem Album, wobei sieben der Stücke auf traditionellen Weisen beruhen. John zur Auswahl dieser Lieder: „Ich sang Al viele traditionelle Songs vor, die mir in der Vergangenheit alle persönlich etwas bedeuteten. Es war also wie eine Reise zurück zu meinen Wurzeln. Am Ende haben wir diejenigen ausgewählt, welche die schönsten Melodien, sowie eine ausgeprägte Atmosphäre besitzen.“
Eingespielt wurde das Album nach dieser Phase mit einer ganzen Reihe an Leuten. Seth Lakeman (Geige, Viola) und Benji Kirkpatrick (Akustikgitarre, Mandoline, Bouzouki) hat John auf einer gemeinsamen Tour vor vier Jahren kennen gelernt, woraus sich eine Freundschaft entwickelte. „Sie waren als Gäste meine erste Wahl, da sie eine so frische und energiegeladene Herangehensweise besitzen“, gibt der Sänger zu Protokoll. Ian Keary (Banjo, Dulcimer), der aus der Nähe von Brighton stammt, ist ein alter Weggefährte der Oysterband-Vorläufergruppe Oyster Ceilidh Band. Die schöne Stimme von Rowan Godal war bereits auf den Oysterband-Alben Street of dreams und Here I stand zu hören. „Es ist einfach großartig Duette mit ihr zu singen!“ Den Pedal Steel-Gitarristen Francois Deville, ebenfalls aus der Gegend um Brighton stammend, lernte Jones über Schlagzeuger und Perkussionist Dil Davies kennen. Die Harfenistin Sophie Walsh wurde ihm empfohlen. Für den Rest der Instrumente sorgte Produzent Al Scott. Dass zwischen den Musikern eine ganz spezielle Magie entstand, ist zu Sekunde auf Rising road zu spüren. „Die Aufnahmesessions waren intensiv, aber produktiv und angenehm. Wer begannen am 5. Januar mit der Arbeit in Als Studio im The Metway in Brighton, arbeiten jeweils eine Woche und machten danach eine Woche Pause. Das Ganze bis Ende März.“
Vermutlich hat diese entspannte Arbeitsweise auch dafür gesorgt, dass das Album so wunderbar ehrlich und unverbraucht klingt. Da bleibt am Ende nur noch die Frage ob John Jones mit dieser CD nur den harten Kern der Oysterband ansprechen will, oder ob der Weg noch ein Stückchen weiter führen soll. „Natürlich will man immer auch neue Leute ansprechen, welche Dich noch nicht kennen - egal was Du auch tust. Denke dran, dass dies in erster Linie einfach ein Album ist, und nicht die Vorstellung einer neuen Band. Es besitzt eine unverwechselbare Atmosphäre, die sich sehr von der feierlichen Stimmung der Oysterband unterscheidet.“ Diese wird natürlich auch immer eine Seite der Persönlichkeit John Jones’ bleiben, aber er selbst hofft, dass sich die Leute auch mit der ziemlich dunklen, aber doch auch schönen Sicht auf die Welt in der er lebt und wie er sie sieht, identifizieren können.
Und das müssen nicht zwangsweise nur Folkfans sein, auch wenn er sich diesem Umfeld und dieser Musik an sich am meisten verbunden fühlt. „Die Magie, das Mysterium und das Chaos traditioneller Lieder haben meine Musik und mein Songwriting so sehr beeinflusst, aber es ist die Schönheit der Melodien, welche ich am meisten liebe“. Und diese Schönheit können wir sicherlich auch genießen, wenn John Jones im nächsten Jahr wieder mit der Oysterband deutsche Bühnen betritt, wie er angekündigt hat. Vielleicht hat er auch ein paar geschmackvolle Ausschnitte aus Rising road dabei.
Mario Karl
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