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Zeit: 20.06.2009
Ort: Zitadelle, Spandau
Besucher: ausverkauft
Veranstalter: Spreeradio
Drei Fragezeichen standen vor dem Konzert von Foreigner in der Spandauer Zitadelle. Das passt aus zwei Gründen recht gut. Zum einen haben die Amerikaner in der Zeit, in der ich die „Hitchcock“-Jugendkrimis mit Begeisterung verschlungen habe, begonnen ihre wichtigsten Hits zu schreiben. Zum anderen erhob sich bald die Frage, ob man die Romane, von denen der große amerikanische Krimiautor bekanntlich nicht eine einzige Zeile geschrieben hat, überhaupt Hitchcock-Krimis nennen darf. Damit wären wir auch schon beim ersten Fragezeichen.
Darf sich eine Band mit Gründungsmitglied Mick Jones an der Gitarre, Michael Bluestein(?), Brian Tichy(!), Kelly Hansen(?) am Gesang, Jeff Pilson(!), Tom Gimbel(?) und ohne(!!) Lou Gramm überhaupt Foreigener nennen? Nun ja, man würde sehen.
Das zweite Fragezeichen ist der Open Air typische Blick zum Himmel - und der spielte am 20. Juni Achterbahn. Um 14 Uhr traute ich mich nicht aus unsrer guten St. Nikolai-Kirche heraus, weil geradezu orkanartige Böen den Regen fast waagerecht durch die Spandauer Altstadt trieben. Um 16 Uhr saß ich mit Katze und Gemahlin bei knallender Sonne, wolkenlosem Himmel, italienischen Temperaturen und Zwiebelkuchen auf unserer Terrasse. Um 17 Uhr flüchteten wir vor einem Hagelschauer ins Haus. Und 20 Uhr? Nun ja, man würde sehen.
Fragezeichen drei war das vielleicht bedrohlichste. Foreigner waren als Das 105'5 Spreeradio Privatkonzert Open Air angekündigt. Zur Erklärung für Nicht-Berliner. Die Verbindung von Spreeradio und Rockmusik klingt in etwa so wie "Rock’n’Roll im Seniorentreff" oder "Peter Kraus-Jubiläumstour". Die Morgenpost titelte dementsprechend Sanfte Welle. Und ich wollte doch die Band hören, die mich einmal mit „Hot blooded“ und „Double Vision“ und später mit „Urgent“ und vor allem „Juke Box Hero“ in ihren Bann gezogen hatte.
Das Bild das aufkommt, wenn Foreigner von dem jungen Fan erzählen, der ohne Kohle vor der Halle steht und die Riffs durch die Wand hört, ist Rock’n’Roll pur. Wenn Lou Gramm mit minimaler Instrumentalbegleitung die legendären Worte „Heard the Roar of the Crowd. He could picture the Scene. Put his Ear to the Wall, then like a distant Scream he heard one Guitar, just blew him away“ ins Mikro schreit, Worte, die in dem Song eine ganze Musikerkarriere starten, dann reißt mich das noch heute so mit, dass ich mich frage, ob ich in meinem Leben nicht irgendwann den falschen Abzweig genommen habe.
Und diese Band als Spreeradio Privatkonzert Open Air? Nun ja, man würde sehen.
Und man hat gesehen: !!!
Nehmen wir das Fazit vorweg. Nach wenigen Minuten war klar: Aus den drei Fragezeichen waren drei Ausrufezeichen geworden!!!
Das waren FOREIGNER!!! Keine Spur von Weichspülermucke!! Und der Himmel blieb freundlich und trocken!
Mick Jones (Git, E-Piano, Voc)
Tom Gimbel (Git, Sax, Querflöte, Voc)
Jeff Pilson (B, Voc)
Brian Tichy (Dr, Voc)
Michael Bluestein (Keys, Voc)
Das gilt übrigens für die gesamte Band. Dem alten Herrn Mick Jones, dem einzigen verbliebenen „echten“ Mitglied, ist es gelungen eine Top-Band um sich zu scharren. Außer bei ihm selber reichen nur bei John Gimbel die Foreigener-Wurzeln bis in die 90er Jahre zurück. Neben Jones und natürlich Sänger Kelly Hansen, ist er es dann auch, der u.a. bei seinen Einsätzen mit der Querflöte („Starrider“) und vor allem dem Saxofon („Urgent“ und „Long long Way from Home“) im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen darf. Aber auch der Ex-Dio und Ex-Dokken Bassist Jeff Pilson bangt wie wild auf seinem Bass herum und stiehlt dabei den eigentlichen Axt-Künstlern optisch immer wieder die Show. Brian Tichy macht an den Drums ebenfalls mächtig Exzess. Sein gewaltiger Punch sorgt dafür, dass die Foreigner-Nummern gelegentlich fast metallische Härte bekommen. Der Auftritt war eindeutig mehr Hard Rock als AOR und dafür ist nicht zuletzt Tichy zuständig. Da hätte sich Vinny Appice, der einige Tage zuvor an derselben Stelle für Heaven and Hell sein vier Mal so groß bestücktes Drumkit geschont hat, etliche Scheiben abschneiden können. Bleibt noch Mr. Bluestein zu erwähnen, der in seiner Keyboardburg am hinteren Ende der Bühne am unauffälligsten blieb. Aber auch er durfte mit einem sehr stark auf technische Effekte setzenden Synthesizer-Solo einmal die Bühne für sich alleine in Anspruch nehmen.
Mick Jones hielt sich vernünftig und Kräfte schonend zurück, überlies den jungen Leuten weitgehend den Platz an der Rampe und war so problemlos in der Lage zu brillieren, wenn seine Soli an der Reihe waren.
Nachdem die Eröffnung mit dem furiosen „Cold as Ice”, incl. E-Piano-Solo von Michael Bluestein, und dem wunderbaren „Blue Morning, blue Day“ abgeschlossen war, kam die Phase des Abends, die man am ehesten als Pflichtprogramm bezeichnen kann. Dabei natürlich das „Muss“ „Waiting for a Girl like you”, das der Band zumindest in Europa gemeinsam mit dem dazugehörigen Album 4 den endgültigen Durchbruch verschaffte; eine wunderbare Ballade, die aber irgendwann die Längen brachte, die ich bei diesem Konzert befürchtet hatte, weil auf der Bühen bei dem Weichspüler letztlich nichts mehr passierte. Es folgte mit „Too late” das einzige neue Stück, das Hansen benutzte um ein neues Foreigner-Album für das kommende Jahr anzukündigen. Dazu gab es dann noch „That was Yesterday”, eins von insgesamt nur drei Stücken aus der Zeit nach 4. Die beiden anderen waren „Say you will“, das in einer unplugged-Version mit Akustikgitarre, E-Piano und Vocal-Sextett gebracht wurde und die Gänsehaut-Ballade „I want to know what Love is“ im Zugabenblock.
Head Games
Cold as Ice
Blue Morning, blue Day
Waiting for a Girl like you
Too late
That was Yesterday
Dirty white Boy
Say you will (unplugged)
Starrider
Feels like the first Time
Urgent
Keyboard-Solo
Drum-Solo
Juke Box Hero (icl. Whole lotta Love)
Zugabe:
Long long Way from Home
I want to know what Love is
Hot blooded
Überraschungen waren der bereits genannte Unplugged-Teil und ein weiterer Doppelschlag vom Debütalbum, wo mit „Starrider“ die progressivsten Momente des Abends erklangen. Das Stück wurde massiv zum Solieren benutzt und brach einem Kritikpunkt, den man dem Auftritt bis dahin eventuell machen konnte, die Spitze, nämlich der Tatsache, dass kaum eine Note gespielt wurde, die man nicht sowieso schon kannte. Das sollte sich im weiteren Verlauf ändern.
Nach ausführlicher Vorstellung der Band folgte „Feels like the first Time“. Und man hatte den Eindruck, dass die Band das wirklich ernst meinte. Man nahm es dieser Truppe jede Sekunde ab, dass sie in dem Bewusstsein auf der Bühne stand, am Anfang eines neuen Frühlings zu stehen. Was dem Titel des aktuellen Best of Albums No End in Sight ein ganz neues Gewicht verleiht.
Zwei gute und unterhaltsame Soli leiteten dann zum Finale furioso über. Dafür wurde „Juke Box Hero“ mächtig erweitert. Ein neues Solo zu Beginn und groovende Gitarren-Riffs, die an ZZ Top erinnerten, ließen den Diamanten durch eine neue Facette funkeln. Nach dem eingebauten Zeppelin-Cover kam aber auch noch einmal das bekannte und geliebte Gesicht zur Geltung.
Als die Band mit „Long long Way from Home” aus den Kabinen kam, war klar, dass es mehr als ein Stück als Zugabe gab. Und so romantisch das Teil auch ist, es war kaum anzunehmen, dass die Band sich nach diesem Konzert mit der Edel-Schnulze „I want to know what Love is“ verabschieden würde. Und so wurde dem Programm, das mit „Double Vision“ begonnen hatte, mit „Hot blooded“, ein Rahmen aus zwei Songs von dem Album gegeben, das meiner Ansicht nach musikalisch das wichtigste von Foreigner ist. Und auch wenn „Hot blooded“ nicht so spektakulär kam, wie „Dirty White Boy“ und vor allem „Juke Box Hero“, dröhnten die Tribünen am Ende von den trampelenden Füßen eines restlos begeisterten Publikums, das gerne noch mehr gehört hätte. (Vielleicht „Women“, das ich gerne gegen „Long long Way from Home“ ausgetauscht hätte)
Aber in der Zitadelle muss pünktlich um 22 Uhr Schluss sein - und die letzten fünf Minuten vor Schluss wurden noch für ein Feuerwerk über der mittelalterlichen Festung gebraucht.
Zum Abschluss ein Trostpflaster für alle, die nicht bei der schon im Vorfeld ausverkauften Veranstaltung dabei sein konnten. Am Eingang hing ein Schild, das darauf hinwies, dass das Konzert für eine DVD mitgeschnitten würde.
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