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Artikel

MISERY SPEAKS - Death Metal der Generation 2000+

Info

Gesprächspartner: Florian Füntmann (Misery Speaks)

Stil: Melodic Death Metal

Internet:
http://www.miseryspeaks.com
http://www.myspace.com/miseryspeaks

Frisch klingender Death Metal wird heutzutage viel zu gern in die Metalcore-Schublade gesteckt. Das liegt viel weniger an den Bands selbst, sondern daran, dass dieser Trend erstens zum einen bis ins letzte ausgeschlachtet wird und sich fest im Unterbewusstsein von Stromgitarrenfans festgesetzt hat, und zweitens da sich viele dieser im Kern aus dem Hardcorelager stammenden Bands einen Narren At the Gates und Sounds der Göteborg-Schule gefressen haben. Leidtragende sind fest im Todesblei verwurzelte Gruppen wie MISERY SPEAKS aus Münster (Westfalen), die allzu schnell in den falschen Topf geworfen und gebrandmarkt werden. Zwar bedient sich der Fünfer auch nicht gerade zu einem kleinen Teil im genannten Schwedentopf, aber auf ihrem kürzlich erschienen neuen Album Disciples of Doom geht die Band noch ein Stück weiter und verpasste ihrem Sound eine heftig Portion rockigen Groove, wie ihn Entombed Mitte der 90er bereits pflegten, der aber auch an sumpfige Genossen wie Down erinnert. Mit dieser CD könnte der Band der große Wurf gelingen. Denn das gute Stück schafft den Spagat zwischen Traditionsbewusstsein und jugendlicher Frische hervorragend und dürfte MISERY SPEAKS zahlreiche neue Anhänger bescheren. Da verstand es sich von ganz allein, dass MAS Gitarrist Florian Füntmann vors Mikro zerrte um ihn ein wenig zum neuesten Streich auf den Zahn zu fühlen.


Von manchen werdet ihr immer noch in die Metalcoreschublade gesteckt. Wahrscheinlich weil ihr einfach eine junge, zeitgemäße Metalband seit. Ich halte das allerdings für absolut nicht gerechtfertigt. Nervt das nicht langsam?

Ja das nervt mittlerweile schon ziemlich. Ich kann verstehen, dass man uns nach unserem Debütalbum in die Metalcoreschublade gesteckt hat, weil auf dieser Platte schon ein paar Trademarks dieser Sparte zu finden waren und das Album nun mal auch auf einem eigentlich im Hardcore beheimateten Label erschien und wir zudem viele Metalcoreshows, neben Shows vor reinem Metalpublikum, gespielt haben. Wir persönlich haben uns aber immer schon als reine Metalband gesehen, was dann auch auf dem zweiten Album Catalogue of Carnage hörbar gewesen ist, wie ich finde. Auf der Platte haben wir ja eigentlich kaum noch etwas mit Metalcore zu tun gehabt, sondern eher ein ziemlich oldschooliges Death Metal-Album abgeliefert. Mit der neuen Platte Disciples of Doom dürfte sich das mit dem Metalcore aber hoffentlich endgültig erledigt haben, denke ich. Diese Platte klingt einfach viel zu rockig und genreübergreifend, zumal es auch keinerlei Breakdowns oder Ähnliches auf ihr gibt. Uns ist es am liebsten wenn wir einfach als Metalband gesehen werden und von Fans aus allen Lagern, sei es Metalcore oder Thrash Metal usw., gemocht werden.

So einige traditionelle Metalfans werden wohl auch durch euer Outfit und die kurzen Haare abgeschreckt. Letzteres hat sich ja mittlerweile etwas geändert. Findet ihr nicht auch, dass in diesem ach so freigeistigen Genre ähnlich wie im Popbereich zu viel Wert auf Äußerlichkeiten und Pseudo-Glaubwürdigkeit gelegt wird?

Ja das könnte wohl stimmen. Wenn eine Band kurze Haare trägt, wird sie von vielen traditionellen Fans nicht akzeptiert und ähnlich ist es wohl auch andersherum. Dabei ist das worauf es letztendlich ankommt, einzig und allein die Musik und die Einstellung die eine Band an den Tag legt. Bei uns hat sich das mit der Haarlänge tatsächlich verändert, was natürlich daran liegt, das mit Przemek nun ein weiterer Langhaariger in der Band ist und sich auch unser Drummer grade wieder eine Matte wachsen lässt. Auch ich hatte natürlich früher mal lange Haare, aber das sah im Nachhinein so unfassbar scheiße aus, dass ich mich hüten werde, mir sie erneut wachsen zu lassen. (lacht)

Statt Hardcoreverweisen hört man bei euch eher die klassische schwedische Schule und Bands wie Edge of Sanity, Dark Tranquility oder Entombed heraus. Ist das der Ort an dem eure Wurzeln liegen?

Ja, definitiv! Das sind genau die Bands an denen wir uns orientierten, als wir mit dieser Band angefangen haben. Klangen wir früher mehr wie Edge of Sanity, geht es heute eher in eine groovigere, dreckigere Richtung á la Entombed, ohne dabei unsere melodische Seite zu vergessen.

Sehr ihr euch dabei als eine mehr oder weniger klassische Death Metal-Band?

Ja, das kann man schon so sagen. Bei uns gibt es zwar nicht permanent musikalisch auf die Fresse, sondern auch mal ein paar ruhigere Momente, aber wir sehen uns schon als klassische Death Metal-Band, die ein paar Ausflüge in andere Gefilde wagt.

Du spielst mit eurem Drummer Janosch neben Misery Speaks auch noch in der eher Post Rock-lastigen Band Long Distance Calling. Wie bringt man das musikalisch unter einen Hut? Das ist schließlich eine ganz andere Baustelle. Oder ist das eine benötigte musikalische Abwechslung?

Die beiden Bands lassen sich, so unterschiedlich sie auch sein mögen, leichter unter einen Hut bringen als man denkt. Dass beide Bands so verschieden klingen ist genau der Vorteil, denn so kann es nicht passieren, dass sich Ideen überschneiden oder wir uns entscheiden müssen, welche Riffs für welche Band besser passen. Es ist für mich, und ich denke für Janosch auch, eine willkommene musikalische Abwechslung, da man sich so mal auf einem völlig anderen Terrain austoben kann. Wir haben bei beiden Bands auch unterschiedliche Arbeitsweisen wenn wir Songs schreiben. Bei Misery Speaks läuft es so ab, dass jemand mit einer oder mehreren Ideen in den Proberaum kommt und wir dann alle vorhandenen Riffs zusammentragen und daraus dann Songs basteln. Jammen tun wir eigentlich eher selten, wobei auch das hin und wieder vorkommt. Bei Long Distance Calling basieren eigentlich alle Songs auf Jamsessions. Meist fangen wir einfach an irgendetwas zu spielen und gucken was dabei raus kommt. Es kommt aber auch vor, dass jemand eine Idee mitbringt und wir dazu dann solange jammen, bis wir etwas Brauchbares haben. Das Interessante ist, dass Liveshows bei Long Distance Calling für mich physisch anstrengender sind als eine Misery Speaks-Show. Eine Show bei Long Distance Calling steht und fällt damit, ob wir es schaffen eine bestimmte Atmosphäre zu kreieren, und dafür muss man als Musiker völlig mit der Performance und der Musik verschmelzen.

Im Sommer hattet ihr bei Misery Speaks einen Besetzungswechsel. Claus Ulka gab das Mikrofon an Przemek Golomb ab. Der Wechsel ging in der Öffentlichkeit ziemlich harmonisch vonstatten. Warum ist Claus nicht mehr bei euch?

Claus konnte das mit der Band einfach nicht mehr mit seinem Privat- und Berufsleben unter einen Hut bringen. So etwas schadet einer Band natürlich, und so haben wir beschlossen, lieber diesen Schritt zu wagen. Bei uns gab es auch innerhalb der Band kein böses Blut deswegen. Wir sehen Claus immer noch regelmäßig, weil wir ja denselben Freundeskreis haben. Claus hatte kurz nachdem er nicht mehr bei uns war ziemlich schwerwiegende Probleme mit seinen Stimmbändern und kann immer noch nicht wieder richtig singen. Das haben wir und er selber aber auch erst erfahren, nachdem Przemek schon ein halbes Jahr bei uns war. Das ist natürlich sehr schade für ihn und auch für die Band, mit welcher Claus jetzt angefangen hatte Musik zu machen.

Wie und wo habt ihr Przemek gefunden und warum ist der genau der richtige Mann für Misery Speaks?

Przemek ist ein Bekannter von uns, den wir schon ein paar Jahre kennen. Wir haben schon diverse Shows mit Przemeks Zweitband Seventh Seal Broken gespielt. Daher wussten wir wie seine Stimme klingt. Er hat auch schon ein paar Mal als Ersatz für Claus ausgeholfen, als der keine Zeit hatte zu spielen. Von daher wussten wir, dass wir auch persönlich auf einer Wellenlänge liegen. Przemek war geilerweise auch sofort interessiert bei uns einzusteigen.

Eure neue CD ist jetzt draußen und wie ich es mitbekommen habe, bekommt ihr dafür ziemlich gutes Echo. Momentan fehlt einem vielleicht noch etwas der Abstand, aber wie zufrieden seit ihr mit dem Endergebnis?

Wir sind mit dem Ergebnis mehr als zufrieden! Wir haben mit dieser Platte viel gewagt und ich bin sehr zufrieden, wie sich das entwickelt hat. Die Pressereaktionen sind bislang sehr, sehr gut. Wenn man es genau nimmt, unser bisher bestes Ergebnis in der Presse. Natürlich haben ein paar Leute negativ auf die neuen Songs die wir online gestellt haben reagiert. Aber damit hatten wir schon gerechnet, weil es für die alten Fans natürlich ein harter Brocken ist, wenn eine Band einen neuen Sänger präsentiert und auch sonst etwas anders klingt als bisher. Aber ich denke, wenn die Platte erschienen ist und die Leute die Platte als Gesamtwerk hören, werden sie sich schnell daran gewöhnt haben.

Auf Disciples of Doom hört man verstärkt rockig-wuchtige Elemente. Diese verpassen den Songs eine etwas andere und düstere Atmosphäre. Beabsichtigt, Zufall oder unter anderem eine Folge des Sängerwechsels?

Ich muss sagen, dass diese Kurskorrektur schon beabsichtigt war. Wir haben bewusst versucht eine etwas düstere, morbide Atmosphäre zu schaffen. Przemek hat da aber sicher auch seinen Teil dazu beigetragen, weil er eine sehr variable Stimme hat und uns somit viel mehr Möglichkeiten eröffnet hat ein bisschen zu experimentieren.

Der Plattentitel klingt schon ziemlich negativ. Wer ist mit „Schüler des Untergangs“ gemeint?

Der Plattentitel ist mit einem kleinen Augenzwinkern zu verstehen. In dem Song „Disciples of Doom“ geht es darum, dass Metal oder harte Musik allgemein ja früher als böse und satanisch angesehen wurde. Das ist natürlich heute nicht mehr so krass. Aber da wir ja alle dem Metal und Rock ´n Roll verfallen sind und somit auch ein Teil dieses „Bösen“ sind, sind wir nun mal Jünger des Unterganges. Wie gesagt, in dem Titel steckt eine ordentliche Prise Spaß.

Zieht sich ein roter Faden durch die Texte auf dem Album? Um was geht es in den einzelnen Songs?

Nein, ein wirklich roter Faden in textlicher Hinsicht ist nicht zu finden. Das liegt aber wohl in erster Linie daran, dass diesmal alle beim Schreiben der Texte beteiligt waren, und somit natürlich eine große thematische Bandbreite zustande kam. Die Texte von Przemek sind alle sehr persönlich und sehr lyrisch geschrieben, fast schon wie ein Gedicht. In einem Text von mir, „Into the Unknown“, geht es um die innere Stärke von jemandem. Wenn man ein Ziel vor Augen hat und einen bestimmten Weg verfolgt, wird man sein Ziel erreichen. In „Obsessed“, das Martin geschrieben hat, geht es um seine Liebe zur Musik und wie er das erste Mal mit Metal in Berührung kam.

Auf dem fernöstlich anmutenden Cover sieht man einen Wolf der sich in eine Schlange verbeißt. Was hat es damit auf sich?

Wir hatten von Anfang an die Idee im Kopf das Cover wie eine Art Kupferstich oder Federzeichnung aussehen zu lasen und wollten dafür auf jeden Fall ein eher klassisches Motiv haben. Man kann sagen, dass es ein bisschen um den Kampf zwischen Gut und Böse geht. Der Wolf kämpft gegen die böse Schlange.

Das Vorgängeralbum „Catalogue of Carnage“ wurde zwar schon in Schweden von Dan Swanö gemischt, aber für das neue Album habt ihr euch erstmals in das Land der Elche ins Studio von Jonas Kjellgren zum Aufnehmen begeben. War es nicht aufregend mal im Ausland eine Platte einzuspielen?

Ja absolut! Wir waren alle noch nie in Schweden, und wenn man dann dort noch eine Platte aufnehmen kann ist das natürlich doppelt toll. Das Studio liegt in Pärlby, wo gelinde gesagt überhaupt gar nichts los ist. (lacht) Wir waren also umgeben von unglaublich schöner Natur und Schnee. Das war schon ziemlich beeindruckend. Der Vorteil war, dass wir uns so komplett auf den Aufnahmeprozess konzentrieren und zum Entspannen durch den Schnee spazieren konnten.

Die Arbeiten scheinen innerhalb von nur drei Wochen ja ziemlich flott vonstatten gegangen sein. Lief das Ganze so glatt oder hat euch Jonas einfach nur kräftig in den Allerwertesten getreten?

Also, wir waren schon alle gut aufs Studio vorbereitet, sprich wir haben sehr intensiv geprobt vorher. Aber Jonas hat uns trotzdem gehörig in den Arsch getreten, damit alles so tight klingt wird wie er und wir uns das vorstellen. Er ist einfach ein wahnsinnig guter Musiker, der uns mit hilfreichen Tipps zur Seite stand.

Mit eurer letzten Platte seit ihr bereits vom kleinen Hardcore orientierten Label Alveran zum Quasi-Riesen Drakkar gewechselt. War dies der richtige Schritt auf der Erfolgsleiter und seit ihr rundum zufrieden mit dieser Entscheidung?

Es war die absolut richtige Entscheidung. Wir fühlen uns sehr wohl bei Drakkar. Dort wird sehr professionell gearbeitet. Abgesehen davon sind alle auch sehr liebe Menschen. Natürlich haben wir durch den Labelwechsel viel mehr Möglichkeiten, da wir ja nun auch ein größeres Budget zur Verfügung stehen haben, wovon wir natürlich profitieren.

In nächster Zeit stehen ein paar Festivalshows an. Ist denn momentan noch keine größere Tour zum Album geplant?

Ja, wir spielen bislang diese Festivals und diverse Einzelshows. Zu einer Tour kann ich momentan noch nichts Konkretes sagen, da wir da noch inmitten der Planung stecken. Aber wir wollen selbstverständlich die neue Platte so viel live promoten wie möglich.

In den letzten Jahren wart ihr oft unterwegs. Unter anderem mit Heaven Shall Burn, Caliban oder The Sorrow. Welche Tour hat euch am meisten Spaß gemacht, bzw. was hat euch als Band am meisten gebracht?

Am meisten Spaß hat auf jeden Fall die Tour mit The Sorrow und Grantig gemacht. Wir kannten die Jungs von The Sorrow ja schon etwas länger und wussten, dass wir komplett auf derselben Wellenlänge liegen. Die Partys auf der Tour waren dann auch dementsprechend heftig jeden Abend. (lacht) Am meisten gebracht hat uns sicherlich die Europatour mit Heaven Shall Burn und Aborted. Das hat zum einen musikalisch gut gepasst, wie auch menschlich. Für uns war die Tour wichtig, weil wir noch nie zuvor eine komplette Europatour gefahren sind und wir unsere Band so weitläufig bewerben konnten.

Mit wem würdet ihr denn gerne in Zukunft die Bühne einmal teilen?

Da gibt es viele Bands. Ich nenn jetzt einfach mal ein paar Namen: Lamb of God, Testament, Darkest Hour, aber auch Metallica oder Slayer wären nicht das Schlechteste. (lacht)

Damit wären wir am Ende angekommen. Ich danke Dir herzlich dafür, dass Du Deine Zeit für mich geopfert hast. Wenn Du noch ein paar epochale Weisheiten loswerden willst, nur zu!

Kein Problem! Checkt unsere neue Platte Disciples of Doom aus, besucht unsere Konzerte, trefft uns am Merchstand und trinkt euch einen mit uns. Metal up your ass!


Mario Karl


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