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Titel: Do what you want. Die Bad Religion Story
Verlag: Hannibal
ISBN: 978-3-85445-690-2
Preis: € 25
352 Seiten
Bad Religion sind keine Pioniere des Punk Rocks. Als sie Anfang der 80er starteten, galt der Punk für viele bereits als mausetot. Die Punk-Fans der frühen Jahre, die mit Sicherheitsnadeln in den Backen Slogans wie „All Cops are Bastards“, „Krieg dem Schweinestaat“, „Macht kaputt, was Euch kaputt macht“ gröhlten, schauten dem, was da an fröhlichen Punk-Klängen von der amerikanischen Westküste herüberschwappte, eher skeptisch entgegen. Das hatte so wenig mit der No Future-Mentalität zu tun.
Bad Religion, NoFx, Green Day, The Offspring, Pennywise und wie sie alle hießen schlugen eine neue Seite in der Geschichte des Punk Rocks auf. Bad Religion erzählen mit der Hilfe von Jim Ruland ihre Geschichte – und sie erzählen sie so, dass es eine ganz eigene Geschichte wird, die nicht im Gleichschritt mit anderen verläuft und keine Führerschaft einer Bewegung beansprucht. Bad Religion haben, so jedenfalls die Bad Religion Story, einfach ihr Ding durchgezogen, egal ob sie dabei mit, gegen oder vor dem Strom geschwommen sind.
Dass bei der Band eigene Köpfe gefragt waren, zeigt auch der Umgang miteinander. 1989 verlässt Brett Gurewitz nach einem eigentlich banalen Streit mit Jay Bentley die Band. (Seite 190f) Die Bad Religion Story kehrt den Streit nicht unter den Teppich, bemüht sich aber die Motivation beider Seiten deutlich und verstehbar zu machen.
So war die Band auch nicht nur von klassischen Punk-Bands beeinflusst. John Albert, kurzzeitiger Drummer erinnert sich: „Wir fuhren nach San Francisco und ich musste stundenlang Jethro Tull hören … Er (Greg Graffin, einer der Bandköpfe; NvF) hörte eigentlich nie Punkrock. Er trug ein Yes-Shirt auf der Bühne und die Leute glaubten, dass er das ironisch meinte. Aber das tat er nicht.“ (Seite 86) Auch Brett scheut völlig unpunkige Einflüsse nicht. So nutzt er für den Song „Sorrow“ ein Sample, das von Simon and Garfunkels „The Boxer“ inspiriert war.
Nicht nur musikalisch trennte Bad Religion etliches von anderen Punk-Bands. Greg Graffin z.B. legte großen Wert darauf, dass die Band ihre Tour-Pläne mit seinen wissenschaftlichen Studien als Anthropologe vereinbar plante. Aber seine Existenz als Wissenschaftler beeinflusste die Band noch wesentlich direkter. „Er betrieb sein Studium angetrieben von Wissensdurst und dem aufrichtigen Bedürfnis, in Erfahrung zu bringen, wie die Welt funktionierte. Bad Religion bot Greg eine geeignete Plattform, an einem solchen Verständnis zu arbeiten und seine Erkenntnisse auf sinnhafte Weise zu teilen.“ (Seite 121)
Die anspruchsvollen Texte waren für deutsche Fans eine Hürde, die aber auch positiv gesehen werden kann. „Auf Grund von Bretts und Gregs Vorliebe für hochtrabende Wörter und anspruchsvolle Ideen mussten sich die deutschen Fans ein bisschen mehr ins Zeug legen, um die Texte der Band nachvollziehen zu können. Sie konsultierten ihre Wörterbücher und unterhielten sich mit ihren Freunden über die Bedeutungen und Hintergründe der Songs. Vielleicht identifizierten sie sich daraufhin sogar noch intensiver mit den Texten als ihre amerikanischen Pendants…“ (Seite 136f)
Das ist nicht der einzige Eindruck, den die Kalifornier aus Deutschland mitnahmen. Als sie 1990 hier waren, machten sie auch einen Abstecher nach Ost-Berlin. „„Ostdeutschland war eine aufschlussreiche Erfahrung“, erzählte Brett. „Das lag am krassen Kontrast zum Westen. Brutalistische Gebäude. Verlassene Straßen. Desolate Graffiti.““ (Seite 148) Bassist Jay Bentley formuliert es drastischer. „Es wirkte, als ob Gott einen Aschebecher über der Stadt ausgekippt hätte. Grau in Grau. Als wie spielten, waren da jede Menge zorniger Skinheads. So richtig fiese, brutale Skins“
Bad Religion erschienen nie als Polit-Stars, als Umstürzler oder Systemveränderer. Booklets mit dem Hinweisen auf politische Manifeste oder Bewegungen, wie man sie z.B. bei Anti-Flag findet, kann man sich bei ihnen kaum vorstellen. Punk bleibt hier vorzugsweise ein Musikstil und keine politische Einstellung.
Eine kritische Haltung zur Politik ist damit natürlich nicht unmöglich Deutlich wird dies z.B. wenn die Band ihren Namen erklärt, der sich gar nicht unbedingt auf Religionen bezog. „Es war eine Reaktion gegen etablierte Denkschulen. … Unser Ethos widersprach der Vorstellung, wie Schafe durchs Leben zu gehen.“ (Seite 16)
In Kapitel 23 wird mehr als deutlich mit der verlogenen Begründung des Irak-Krieges abgerechnet und als „schamlose Zurschaustellung brutaler Gewalt durch eine imperialistische Macht, die als Reaktion auf die Terroranschläge vom 11. September die Muskeln spielen lassen wollte“ beschrieben. (Seite 291)
Ganz aktuell ist ihre Betrachtung der Regierungszeit Trumps. Sie sahen in Trump „nur das Produkt eines kaputten politischen Systems … Wenn Trump irgendwann Geschichte sein würde, so mutmaßten sie, würden die wahrhaft grundlegenden Probleme immer noch bestehen.“ (Seite 333f) Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass die Regierungszeit von Obama nicht mit einem Wort erwähnt wird.
Bad Religion haben sich entschlossen ihre Geschichte mit Hilfe des Journalisten Jim Ruland zu erzählen. Das führt zu einer sehr guten Lesbarkeit des Buches, das auch dadurch spannend wird, dass nebenbei ein Stück weit die Geschichte des legendären Labels Epitaph Records erzählt wird, das ursprünglich zur unabhängigen Veröffentlichung der Bad Religion-Alben gegründet wurde. Die unterschiedlichen Bedürfnisse der Band und des Labels führten aber sowohl dazu, dass die Band (vorübergehend) zum Major Sony wechselte und Brett Gurewitz die Band (vorübergehend) verließ, um den Bedürfnissen des Labels gerecht werden zu können.
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