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Artikel

Die Rocky Horror Show is back in Trash

Info

Künstler: The Rocky Horror Show

Zeit: 24.01.2018

Ort: Admiralspalast, Berlin

Veranstalter: BB Promotion

Fotograf: Norbert von Fransecky

Internet:
http://www.bb-promotion.com

Dank der (damals) supermodernen Video-Technik habe ich die Rocky Horror Picture Show nicht nur diverse Male im Kino gesehen, sondern noch viel viel öfter auf der heimischen Mattscheibe. Und natürlich hat mich der Soundtrack - erst als selbstüberspielte MC, später als CD - Ewigkeiten lang begleitet. Und es gab garantiert nicht ein einziges Mal, dass ich als Disc Jockey am Pult gestanden hätte, ohne den „Time Warp“ gespielt zu haben – meistens sofort gefolgt von „Minnie the Moucher“ aus dem Blues Brothers-Soundtrack. Nun stand zum ersten Mal die Rocky Horror Show ohne “Picture“ auf dem Programm.

Sam Buntrock (einen besseren Namen hätte man sich für den Regisseur dieses Stückes kaum ausdenken können!) hat die Rocky Horror Show mit seiner Inszenierung zu ihren Wurzeln zurückgeführt. Eine perfekte Hochglanzproduktion, insbesondere eine perfekte Wiederholung der Picture Show wäre sicher kontraproduktiv gewesen. Natürlich war das hier keine „Off-Broadway“-Inszenierung, die froh sein darf eine dreistellige Zahl an Besuchern zu ziehen. Aber sie tat so als wäre sie es – und das wiederum tat sie perfekt.

Der Gesang kam manchmal schräg. Die Bühnenausstattung sah aus wie im Trödel zusammengekauft. Die Spezial-Effekte waren dilettantisch sofort als solche zu erkennen. Und zu Beginn war alles noch viel schlimmer. Als Columbia das Programm mit dem Epilog vor dem Vorhang eröffnete, schienen sich meine Befürchtungen voll und ganz zu erfüllen. Ohne großes Charisma vorgetragen fiel es mir erst schwer das Stück überhaupt zu erkennen. Dass Holly Atterton sich dabei zum Teil einfach überschrie, machte das Ganze nicht einfacher.


Mehr als spartanisch ging es weiter. Es blieb offen, ob es überhaupt so etwas wie Requisiten geben würde. Für „Dammit Janet“ bestand das Bühnenbild(!) schlicht aus dem Bild einer Kirche, das auf den Vorhang projiziert wurde. Aber die Performance nahm deutlich an Fahrt auf. Die schlaksige, etwas unbeholfen naive Art von Brad wurde klasse getroffen – und dann ging es langsam los. Bereits zu „Over at the Frankenstein Place“ öffnete sich der Vorhang und die dritte Dimension wurde genutzt. Dann ging es in das Schloss, in dem Frank’n’Furter sein Unwesen treibt. Und die Rocky Horror Show hatte ihr Feld erreicht. Die Laborgeräte hatten den Charme eines b-Picture SF/Horror-Streifens der 50er Jahre. Dagegen war selbst die Dekoration bei Raumschiff Orion professionell perfekt. Mit dem „Time Warp“ wurde dann die Betriebstemperatur auf Hochtouren gefahren – und da blieb sie auch. Wirkten die Publikumsaktionen mit Konfetti, Zeitung, Wasserpistolen und Leuchtstäben bei „Dammit Janet“ und „Over at the Frankenstein Place“ noch etwas aufgesetzt, waren Publikum und Ensemble jetzt zu einer Einheit verschmolzen, die die Rocky Horror Party mit vollem Herzen zusammen feierten. Erfreulicher Weise wurde die hervorragende Liveband, die sich oberhalb der Bühne befand, einige Male aus der lichttechnisch bedingten Unsichtbarkeit gerissen.

Die Live-Band blieb auf ihrem Gerüst oberhalb der Bühne meist unsichtbar.

Ich war mit etwas gebremsten Erwartungen in diese Veranstaltung gegangen. Vor gut 10 Jahren habe ich eine Anniversary Edition der Rocky Horror Picture Show besprochen und auf der Bonus-CD dieser Edition waren auch Live-Mitschnitte einzelner Titel aus Aufführungen der Show. Und ich muss sagen, ein wahrer Genuss war das nicht – zumal man ja die genialen Versionen von Soundtrack kannte. Jetzt im Kontext dieser Inszenierung beginne ich diese Versionen zu verstehen.

Eine besondere Rolle hat in der Bühnenversion der Erzähler, der die ansonsten in Englisch gesungen und gesprochene Handlung deutsch kommentiert. In der Geschichte der Bühneninszenierung hat sich die Sitte herausgebildet, dass der Erzähler, sowie er den Mund aufmacht, beschimpft wird – vor allem mit dem Kommentar „boring“. So fällt ihm die Aufgabe zu sich mit humorvoll witzigen Repliken gegen das Publikum zu wehren und nebenbei auch noch den vorgesehenen Kommentartext an den Mann zu bringen. Bei dieser Berliner Premiere gab Sky du Mont, der bereits seit der ersten Premiere dieser Inszenierung 2008 diesen Job immer wieder einmal gemacht hat, den Erzähler. Er passte perfekt. Denn seine ölig geschmeidige, etwas schlüpfrig arrogante Art passte wie Arsch auf Eimer in die burlesque Travestie-Show der Rocky Horror Show.


Die Zugaben nach dem frenetischen Applaus lösten meine ewige Unzufriedenheit mit dem Ende der Rocky Horror Picture Show. Dass dieses Feuerwerk aus Rock’n’Roll, wildem Kabarett und Glam-Rock mit drei ruhigen Stücken zu Ende geht hat mich immer gestört. Für die Zugaben wurden dann aber noch mal das „Wild and untamed Thing“ und der „Time Warp“ aus der Kiste geholt, was mich wesentlich adäquater gestimmt in diese fast schon frühlingshafte Januar-Nacht entließ.

Da am 24. Januar Premiere in Berlin war, gab es eine Show vor der Show. In Theaterumgang stand eine Fotowand mit einem lebensgroßen Bild von Magenta und Riff Raff, vor dem man sich fotografieren lassen konnte. Was natürlich besonders wirkte, wenn die Personen sich in ein Rocky Horror Kostüm gezwängt hatten. Solche gab es und da sich auch Mitglieder des Ensembles unter die Fans mischten, wusste man oft gar nicht: Sind das jetzt Echte, oder doch nur verkleidete Zuschauer.

Sky du Mont und Dominic Boeer sind zwei von drei Erzählern während des Berliner Gastspiels.

Interessant war dabei das Alter der Beteiligten. Zum einen wurde deutlich. Man kann auch in unserer Traditions-Bruch-Gesellschaft offenbar noch kulturelle Werte weitergeben. Es waren auch jüngere Semester dabei, die sich dem Travestie-Straps-Look hingegeben hatten. Was teilweise sehr nett aussah. Ich habe auch eine entsprechende Damengruppe gesehen, die ich auf klar 60+ einschätze. Das hatte auch wieder etwas. Eine besonders mutig entkleidete Dame (ca. 40) protzte allerdings dermaßen mit Orangenhaut, dass man sich wünschte doch lieber in ein Muscial aus der viktorianischen Zeit gegangen zu sein.

Höhepunkt des Vorprogramms war der kurze Auftritt von Sky du Mont und Dominic Boeer, die in Berlin die Rolle des Erzählers vom 23. bis 29. Januar, bzw. vom 30. Januar bis zum 4. Februar übernommen haben. Nach ihnen ist dann Martin Semmelrogge an der Reihe. Und dann geht die Rocky Horror Show weiter nach Stuttgart, München, Frankfurt, Hannover, nach Zürich und Basel, nach Düsseldorf, Baden-Baden, Leipzig, Hamburg und noch einmal Frankfurt. Im Juni ist denn in Graz erst einmal Ende.


Welchen Stellenwert die Rocky Horror (Picture) Show mittlerweile hat, lässt sich auch an dem opulenten 40-seitigen Programmheft ablesen, das sehr schön herausarbeitet, auf welche kulturellen Wurzeln sich Autor und Komponist Richard O’Brien (zum Teil ganz explizit) in seiner Trash-Revue beruft.

Schön auch, dass man dieses Spektakel an den jeweiligen Orten mehrere Abend lang an Orten wie dem Admiralspalast aufführt und die Publikümer (oder kennt jeder einen besseren Plural für Publikum?) nicht an einem einzigen Abend in einer gesichtslosen Großraum-Mehrzweck-Halle abspeist.

Norbert von Fransecky


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