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Titel: Am Anfang war das Feuer. Die Rammstein Story
Verlag: Heel Verlag
ISBN: 978-3-86883-677-6
198 Seiten
Ohne die DDR hätte es Rammstein nicht gegeben überschreibt Ulf Lüdke sein erstes Kapitel. Man könnte entgegnen – in der DDR auch nicht. Richtig ist daran zumindest so viel, dass Rammstein mit der Punk-Kapelle Feeling B einen Vorläufer in der DDR hatte. Mit der Ausweitung der Wurzeln Rammsteins von dieser Band auf praktisch die gesamte DDR ebnet sich Lüdke den Weg zu einer Rammstein Darstellung, die nach Bob Dylan bereits den nächsten Literatur Nobelpreisträger aus der Musikszene erwarten lässt.
Zu Recht verweist Lüdke darauf, dass die DDR-Kulturszene eine große Fähigkeit entwickelt hatte, zwischen den Zeilen Dinge zu sagen, die – offen ausgesprochen – direkt nach Bautzen oder ein anderes Gefängnis der Republik hätte führen können. Auf dieser Basis erahnt er bei praktisch jedem Rammstein-Song mindestens zwei doppelte Böden, die die oft recht platten Provokationen der Band zu intellektualistischen Bedeutungsträgern werden lässt.
Dass gerade Feeling B das wohl schlechteste Beispiel für die Botschafts-Hypothese waren, bleibt in Lüdkes Buch nicht unerwähnt. „Wir waren ein Haufen Dilettanten, und in unseren Texten ging es eigentlich um gar nichts,“ zitiert er Flake selbst (S. 21) mit einem Rückblick auf Feeling B. Bei Rammstein soll das nun aber ganz anders sein.
Rammstein sind zu Recht ein megaerfolgreicher Rock-Act, einer der stärksten Rock-Exporte Deutschlands seit den Scorpions. Zumindest der internationale Erfolg dürfte wohl kaum auf verborgene Botschaften in den deutschen Texten zurück zu führen sein. Rammstein ist es schlicht und ergreifend gelungen eine Musik zu inszenieren, die Eingängigkeit kongenial mit Brachialität verbindet – ein genialer Mix, der international ohne Worte verständlich ist. Und das Ganze wurde live mit einer Größe und Perfektion in Szene gesetzt, wie es sonst derzeit wohl nur die Onkelz und die Blue Man Group auf die Kette bekommen.
Diesen Weg beschreibt, der nicht zuletzt von einer permanenten Steigerung lebt, beschreibt Lüdke prima – und er vergisst auch nicht zu erwähnen, dass dieser Weg endlich ist, da eine unendliche Steigerung nicht möglich ist.
Warum dann aber diese überzogene Literaturisierung der Texte. Ich wage eine These. Rammstein haben neben ihren DDR-Wurzeln noch weitere deutsche Wurzeln, die nicht der BRD entstammen. Die Onkelz wurden bereits erwähnt. Dass es sich bei ihnen um keine Nazi-Band handelt, sollte mittlerweile zum Allgemeinwissen gehören, gespielt haben sie mit diesem Image aber immer wieder, weil es Aufmerksamkeit und Medienrummel versprach.
Rammstein scheinen davon gelernt zu haben. Das rollende R und die muskulösen blonden Männergestalten mit bloßen Oberkörpern sind NS-Ästhetik vom Feinsten. Aber die Band ist noch deutlich weiter gegangen. Für ein Musikvideo Aufnahmen von Leni Riefenstahl zu verwenden hätten sich die Onkelz nie trauen können. Die ehemalige DDR-Punk-Band konnte das. Und sie hat es weidlich ausgenutzt. Dazu kommen die Texte, die immer wieder sehr brutal, fast sexistisch und martialisch daher kommen.
Gerade wegen ihres Erfolges hat das natürlich immer wieder Fragen aufgeworfen und zu Teil scharfe Kritik hervorgerufen. Bei dem Erfolg, den Rammstein - ähnlich wie die Onkelz – hatten, war das wertvolle Reklame, da es sie in die Presse brachte – auch auf Seiten, auf die man es nur mit Musik nie geschafft hätte.
Um das Ganze als fast perfekte Verkaufsstrategie kenntlich zu machen, fehlt es Lüdeke am Zynismus. Also muss er dem Eindruck einer Band, die die Kumpanei mit der NS-Zeit als werbewirksame Provokation nutzt, entgegentreten. Dazu nutzt er die angeblichen doppelten Böden der Rammstein-Texte. Was dem vorschnellen Betrachter als Nazi-Ästhetik erscheint ist in Wahrheit nur ein oberflächlicher Eindruck, unter dem der aufmerksame Betrachter tiefere Weisheiten erkennt. Wie in der DDR.
Mit einem Unterschied. In der DDR wurden anstößige Inhalte unter einer harmlosen Oberfläche verborgen, während Rammstein ihre tieferen Weisheiten in einer politisch unkorrekten Verkleidung präsentieren. Sinn macht das eher nicht.
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