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Musikalische Legende mit unglaublichem Arbeitsethos: Paul McCartney live in München

Info

Künstler: Paul McCartney

Zeit: 10.06.2016

Ort: München - Olympiastadion

Internet:
https://www.paulmccartney.com

Die Nachricht einer Paul-McCartney-Tour verbreitet sich in der Regel wie ein Lauffeuer. Als bekannt wurde, dass der Ex-Beatle einen Abstecher nach München machen würde war für mich klar, dass ich hier vor Ort sein muss. Die Beatles haben mich schon als Kind schwer beeindruckt und eine Best-Of-LP meiner Eltern dürfte sicher aufgrund meiner und meines Bruders Leidenschaft für diese Musik einige Kratzer abbekommen haben.

Der überaus verregnete und kalte Sommer 2016 hält einige Überraschungen parat. Unter anderem auch bestes warmes Wetter - optimale Open-Air-Verhältnisse also! Um das Olympiastadion herum vertreiben sich Tausende von erwartungsvollen McCartney-Fans die Zeit. Die Stimmung hat etwas von einem Volksfest, einige spontan versammelte Bands spielen Beatles-Songs im Akustikgewand mit teilweise großem Publikumsandrang. Die Bühne ist direkt vor der Gegengerade platziert. Ich hätte eher damit gerechnet, dass sie vor einem der früheren Tore steht. Als Anheizer gibt es keine Band sondern einen DJ, der diverse Beatles-Songs als Dance-Version ablaufen lässt. Das ist nicht wirklich zwingend, aber auch nicht wirklich schlecht. Aber mal ehrlich: Wer soll hier schon als Vorband ran?

Was viele nicht für möglich gehalten haben tritt ein: Sir Paul McCartney betritt um Punkt 20 Uhr die Bühne und beginnt mit „A Hard Day’s Night“ seinen Auftritt. Etliche Zuschauer haben hier noch gar nicht realisiert, dass das Konzert schon losgeht und strömen in Scharen in den seltsamerweise bestuhlten Innenbereich. Bereits nach einigen Sekunden hält es keinen der Zuschauer mehr auf den Sitzen. Alle stehen auf! Der Sound ist vor allem zu Beginn nicht optimal. McCartneys Gesang klingt schwammig und blechern, der Gesamtsound ist von der Lautstärke her in Ordnung, aber viel zu undifferenziert. Das Ganze bessert sich nach etwa einer halben Stunde, danach ist der Sound auch nicht optimal, aber im Vergleich wesentlich besser.

Am besten kommen erwartungsgemäß die Beatles-Nummern an. „Can’t Buy Me Love“ lässt Erinnerungen aufkommen, das in meinen Augen schlechte „Temporary Secretary“ verbreitet dagegen keine gute Laune. Überhaupt muss man sagen, dass Mc Cartney an dem Abend nicht auf Nummer sicher geht und etwa ein Best-Of-Programm runterspielt, sondern mit teilweise obskuren und sicher nicht typischen Beatles-Nummern wie etwa „Being for the Benefit of Mr. Kite!“ oder „Here, There And Everywhere“ aufwartet.

Sein Alter - immerhin ist der sympathische Engländer mittlerweile 73 Jahre alt - merkt man ihm nicht an. Rank und schlank und äußerst agil führt er als Konzertmeister durch das Programm. Begleitet wird er dabei von exzellenten Musikern. Die beiden Gitarristen Rusty Anderson und Brian Ray sorgen für eine schwungvolle, rockige Darbietung der Stücke. Beim Background sind sie allesamt mit am Start. Brian Ray übernimmt auch mal den Bass, wenn „Macca“ lieber zur Gitarre greift. Schlagzeuger Abe Laboriel Jr. schont sich während der kompletten Show keineswegs, sondern gibt den Songs einen harten, griffigen Beat und übernimmt dabei noch große Teile des Background-Gesangs. Keyboarder Paul Wickens ist der Hansdampf in allen Gassen. „We Can Work It Out“ schmückt er mit einem tollen Akkordeon, bei den Stücken, die im Original mit Orchester gespielt werden, sorgt er für eben diesen Effekt. Die Songs werden dabei musikalisch perfekt in einer 1:1-Version der Alben präsentiert. Die einzige Ausnahme bildet hier das vorzügliche „Something“, das „Macca“ mit der Ukulele spielt und zwar in der Version, die er Jahre nach der Aufnahme mit George Harrison lässig am Swimming Pool gespielt hat.

McCartney bringt viele Ansagen auf Deutsch. Auch wenn diese durch die Bank vom Teleprompter abgelesen werden und teilweise einstudiert wirken: Das ganze funktioniert und sorgt für begeisterten Applaus seitens des Münchner Publikums. Gesanglich ist McCartney über jeden Zweifel erhaben. Am meisten beeindruckt mich die raue Stimme, die er vor allem bei den rockigeren Stücken an den Tag legt.

Für mich sind es jedoch eher die ruhigen Songs, die zu den Highlights des Abends zählen. „Blackbird“ etwa ist der Oberhammer! Hier singt er völlig ohne Begleitung und nur mit Akustikgitarre. Dazu wird im Bühnenhintergrund eine tolle Videoprojektion eingespielt. Der absolute Wahnsinn. Mit „In Spite of All the Danger“ wird ein Song gespielt, der noch aus Quarrymen-Zeiten stammt - der Band vor den Beatles. Psychedelisch wird es mit „The Fool On The Hill“, „Lady Madonna” ebnet wieder den Weg in mäßige Gefilde. McCartney bleibt während des Konzerts der reservierte britische Gentleman. Er applaudiert dem Publikum zu und genießt sichtlich den Auftritt. Wirkliche Begeisterung kann er jedoch nicht vermitteln, das ist aber einfach nicht seine Art. Dafür lässt er die Musik sprechen. Und die hat es in sich.

„Ob-La-Di, Ob-La-Da“ verwandelt das Stadion in eine Partymeile, der Wings-Klassiker „Band On The Run“ fasziniert durch seine tollen Songstrukturen. Multiinstrumentalist McCartney spielt abwechselnd Bass, Gitarre, Ukulele, Piano und eine ziemlich coole Hammond-Orgel. Als er ganz lässig hinters Piano geht und die ersten Töne von „Let It Be“ anschlägt, stockt mir fast der Atem. Das ist ganz großes Kino, dieser Song live hat etwas Majestätisches. Es geht etlichen Fans im Stadion so - hier ist Ehrfurcht angesagt! Zwischendurch holt McCartney einige Fans mit selbst gebastelten Transparenten auf die Bühne und unterhält sich kurz mit ihnen. Das kommt sehr authentisch rüber und bringt ihm viele Sympathien. Bei „Live And Let Die” werden Pyros und Knalleffekte ausgepackt. Der James-Bond-Soundtrack lässt das Stadion erbeben und haut richtig fett in die Magengrube. Und wer mit einem Monolith wie „Yesterday“ den Zugabenteil eröffnet, kann doch nix mehr falsch machen, oder? Die restlichen Songs werden ziemlich schnell und zackig gespielt, hier rotzt die Band noch mal richtig amtlich vom Stapel.

Nach 2,5 Stunden ist dann leider Schluss, ich hätte hier noch stundenlang zuhören können. Ich bin mir sicher, ein äußerst kurzweiliges und einmaliges Konzert einer musikalischen Legende gesehen zu haben. Was dieser Typ während des Abends auf die Beine gestellt hat, ist aller Ehren wert und so manche Nachwuchsband kann sich allein vom körperlichen Einsatz des Briten eine gewaltige Scheibe abschneiden. Einziges großes Ärgernis: Die Sitzplätze im Innenbereich! Warum hat man hier keine Stehplätze eingerichtet? Um sich zu bewegen waren die Sitzreihen viel zu eng, von einer entspannten Konzertatmosphäre kann hier nur bedingt gesprochen werden. Das geht besser!


Setlist:
1. A Hard Day's Night
2. Save Us
3. Can't Buy Me Love
4. Letting Go
5. Temporary Secretary
6. Let Me Roll It
7. I've Got a Feeling
8. My Valentine
9. Nineteen Hundred and Eighty-Five
10. Here, There and Everywhere
11. Maybe I'm Amazed
12. We Can Work It Out
13. In Spite of All the Danger
14. You Won't See Me
15. Love Me Do
16. And I Love Her
17. Blackbird
18. Here Today
19. Queenie Eye
20. New
21. The Fool on the Hill
22. Lady Madonna
23. FourFiveSeconds
24. Eleanor Rigby
25. Being for the Benefit of Mr. Kite!
26. Something
27. Ob-La-Di, Ob-La-Da
28. Band on the Run
29. Back in the U.S.S.R.
30. Let It Be
31. Live and Let Die
32. Hey Jude
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33. Yesterday
34. Hi, Hi, Hi
35. Birthday
36. Golden Slumbers
37. Carry That Weight
38. The End

Stefan Graßl


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