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Artikel

RANTANPLAN geht durch die Städte und sucht junge Männer zum Mitreisen!

Info

Gesprächspartner: Rantanplan

Zeit: 20.07.2004

Ort: Weinheim

Interview: Face 2 Face

Stil: Ska-Punk

Internet:
http://rantanplan.musicpage.de

Mit ihrem neuen Album Junger Mann zum Mitreisen gesucht gingen die drei Jungs unterstützt von zwei Bläsern durch die Städte und fanden in Weinheim ein Café Central, in dem sich zahlreiche junge Männer und Frauen befanden, die bereit waren die zweistündige Reise anzutreten. Vorher hatte einer von ihnen noch einige Fragen zu den Reisebedingungen, die vom Veranstalter selbst im Reisebus beantwortet wurden - vom großen Rantanplan-Gremium, bestehend aus Sänger und Gitarrist Torben, Schlagzeuger Tim und Bassist Peso.

MAS:
Wie kommt die neue Platte bisher so an?

Torben:
Überwiegend gut. Die ist noch zu frisch um viel sagen zu können. Es gibt auch Fanzines, die die total verrissen haben. Es gibt Leute, die mögen Rantanplan gar nicht, aber das ist auch gut so.

MAS:
Wie ist das bei den Rantanplan-Fans, die immer den Vergleich zu den alten Platten ziehen?

Torben:
Natürlich gibt es Leute, die finden nur die erste Platte geil. Grundsätzlich ist es ein Phänomen, dass die letzte Rantanplan-Platte immer viel besser ist als die Neue. Auf einmal ist die Samba ne super Platte und die Neue ist scheiße, das haben wir schon oft genug zu hören bekommen. Die Leute sind Bauern, die müssen die Kartoffel erst mal ein Jahr aufn Teller gelegt bekommen und dann finden sie das toll. Jetzt ist das nicht genau das Gleiche, nicht mehr die selbe Butter drauf, schon finden sie’s nicht mehr gut, aber so sind die Menschen halt. Uns ist das egal.

Tim:
Wenn man an die Resonanz bei den Konzerten denkt ist das aber schon durchaus positiv.

MAS:
Eure Texte sind ja eher satirisch. Bands wie z.B. Propagandhi gehen mit den Themen direkter um. Käme das für euch in Frage? Oder wäre das mit der Grundidee von Rantanplan nicht zu vereinbaren?

Torben:
Schon, bei der ersten Platte ist das ja schon noch direkter und politischer. Wir haben schon auf vielen politischen Events teilgenommen und das unterstützt, wir haben auch alle unsere Meinungen, aber wir verbinden das Ernste mit dem spaßvollen. Wir haben ja auch trotzdem Spaß und wir möchten ja auch nicht vor bekehrten predigen. Ich liebe was Propagandhi machen, aber das war nie mein Ding. Ich nehm das mehr mit Humor.

MAS:
Kritiker sagen oft, dass ein humorvoller Umgang die einfachere Lösung ist und einen weniger das Risiko eingehen lässt sich in Klischees zu verrennen. Was meint ihr dazu?

Torben:
Es ist schwierig. Propagandhi machen das ja schon immer anders, aber dann kommen da ganz viele Antifa -Leute, interviewen die und suchen den Fehler. Das haben sie mit mir früher auch gemacht, aber das sind dann die Interviews, die man auch mal abbricht. In der linken Szene gibt es so viel Flügelkämpfe und einer will linker als der andere sein und weiß es besser. Einer findet Trotzki geil, der andere Stalin, keine Ahnung. Die reden zumindest alle nicht von Sachen, die irgendwann jemals in dieser Welt passieren.

Peso:
Es ist auch nicht das Risiko sich hier politisch zu orten und zu sagen „Hier steh ich jetzt!“, es ist ja nicht nur ein Risiko sondern kann manchen Menschen auch halt geben. Ich möchte das jetzt gar nicht als Positiv-Risiko sehen. Das sind ja auch nicht die Helden, die da alles ganz genau sagen. Oder, dass es besonders mutig wäre.

Torben:
Ich war immer ein großer Manlifting Banner, bin ich immer noch. Die holländische Hardcore-Band, die es schon lange nicht mehr gibt. Die haben immer gesagt, dass sie Kommunisten sind und haben kommunistische Manifeste gepredigt. Das ist aber lächerlich, echt lächerlich. Wenn du da als Hardcore-Band durch Europa eierst und sagst, dass der Kommunismus doch bitte mal über Europa soll. Das ist ne tote Sache. Ich hasse Kommunisten fast so sehr wie Faschisten. Überall wo der Kommunismus sich durchgesetzt hat ist die Kultur auch gestorben, es saßen die Künstler, die das Ganze noch mitgetragen haben dann im Knast oder wurden zu Tode gefoltert. Auf Cuba oder bei den Russen. Ein richtiger Kommunist ist einer, der einen großen Kaninchen-Stall will, aus dem keiner raus darf, höchstens er hält ihn an den Ohren und zeigt ihm kurz die frische Luft. Trotzdem bin ich großer Manlifting-Banner-Fan. Ich finde da auch viele gedanklich Parallelen, aber so durch die Gegend zu laufen kann man nicht bringen. Genau wie The (International) Noise Conspiracy, die haben sich vor Jahren schon lächerlich gemacht indem sie russische Uniformen angezogen haben und vorab ein russisches Lied gesungen haben, das find ich panne. Vielleicht war das auch ein Witz. Ist ne sehr gute Band, ich mag auch den Sound, aber so was ist nur lächerlich.

MAS:
Auf den Konzerten verkaufen die aber eher Anarcho-Literatur.

Peso:
Das ist gut, bei uns sind auch oft Antifa-Leute, die bei uns auf den Konzerten Bücher verkaufen, da hab ich mir auch schon einiges Material geholt. Das ist auf jeden Fall ne gute Sache. Das gehört sich auch so.

MAS:
Wenn ihr ein Konzert spielt, inwiefern glaubt ihr, dass eure Texte ankommen?

Torben:
Ne magische Formel wäre vielleicht, dass du von 1000 Leuten drei einen Indikator gegeben hast über etwas nachzudenken. Ich würde niemals damit rechnen, dass da von 100 oder 200 Leuten, die hier heute Abend kommen 50 anders sind danach. Wäre auch schade, weil die Leute, die unsere Musik hören, dann ja verdammt schwache Charaktere wären.

MAS:
Wie würdet ihr eure Einflüsse beschreiben? Nicht nur musikalisch...

Torben:
Man nimmt ja an einer gewissen Kultur teil, was vorwiegend Underground-Kultur ist. Man geht auf Konzerte, sieht diesen Film, usw. das ist das eigene Biotop, in dem man rumkrebst. Oder die Weltgeschichte.

Peso:
Intergrität ist natürlich auch ein Stichwort. Das geht ja quer durch alle Lager oder lässt sich nicht auf eine bestimme Szene, eine bestimmte künstlerische Ausrichtung reduzieren.

MAS:
Was hört ihr im Tourbus? Ähnliche Musik oder etwas ganz anderes?

Torben:
Less Than Jake, Lagwagon, Bob Marley, System Of A Down, Helge Schneider, Zappa, Bad Religion, Good Riddance, Snuff, Johnny Cash, … das haben wir so für diese Tour dabei.

MAS:
Wenn ihr drei Sachen am Staat oder dem System verändern könnten, was würdet ihr tun?

Torben:
Nur drei Sachen?

Peso:
Als erstes das System der Parlamentarischen Demokratie, das sollte abgeschafft werden.

Torben:
Ich würde mich zum Diktator erheben und Tim einsperren und Peso hinrichten. Nee, ich würde die Arbeit gerecht aufteilen, den Frust abschaffen...

Tim:
...und es scheint immer die Sonne.

Torben:
Auf Cuba haben die Leute nichts zu essen, haben aber nen Smilie aufm Gesicht und tanzen auf der Straße in ihren abgewetzten Schuhen. Dagegen Deutsche oder Europäer, die rennen mit so ner Hasskappe rum. Dunkle Wolken immer sehen... Die Kelten waren ja auch ein derbe übles Volk, wenn da Köpfe vor der Türe hängen. Damals war’s Wetter wohl noch schlechter.

Tim:
Jedes Land bekommt eben das Wetter, das es verdient. Wie Torben schon in „Schmuddelwetter Sucks“ singt.

MAS:
Wenn ihn drei Sachen am Menschen verändern könntet, was würdet ihr da machen?

Peso:
Biologisch meinst du?

MAS:
Von der Denkweise her...

Torben:
Das Hirn würde ich öffnen.

Peso:
Offenheit, Toleranz, zwei ganz wichtige Stichworte.

Tim:
Jeder Mensch sollte ja das Leben so leben wie er es für richtig hält, da sich jemand zurechtbiegen wollen, damit die Menschheit so ist wie man es selbst will....

MAS:
...aber genau das ist ja die Parallele zum Überstülpen von Systemen, die wiederrum die Umwelt des einzelnen bestimmen.

Torben:
Bewusstein schaffen. Ich ärgere mich immer. Wenn ich zum Einkaufen gehe da sind nur Zombies unterwegs. Ich würde mir wünschen, dass die mal alle anfangen zu leben. Das ist auch in meiner eigenen Familie so. Da denk ich nur, das geht doch nicht. Das kann man drei Tage machen, dann ist das Programm gelaufen, dann kann man sich auch nen Strick nehmen. Da muss man nicht den ganzen Sauerstoff von den andere Menschen verbraten nur um immer das gleiche zu tun. Nur fernsehen, den gleichen Müll jeden Tag essen.

MAS:
Ohne jetzt Fehler suchen zu wollen interessiert mich wie euer politisches Engagement denn aussieht?

Torben:
Das sind zum einen eben Benefits-Konzerte für irgendwelche Sachen, die wir unterstützen, Tag X, Castor-Kram oder gegen Brechmittel-Einsätze in Hamburg, Weltaidstag, Rage Against Abschiebung...

Peso:
Ja, das ist noch im Gespräch, da kann man noch nicht allzu viel dazu sagen...

Torben:
Oder Pressekonferenzen.... das ist uns schon wichtig.

MAS:
Das Engagement geht dann aber schon eher von der Musik aus.

Peso:
Das kreuzt sich ja auch, diese Band-Sache und das Persönliche. Indem man sich in einer bestimmten Szene aufhält und bereit ist sich in einer bestimmten Art und Weise zu verhalten entgegen dem herkömmlichen Kommerz-Ding oder Leistung-gegen-Cash, wenn man das dann irgendwie aufhebt. Wenn man das Gefühl hat, dass sich das irgendwie lohnt ist das ja auch Engagement. Wenn jetzt eine Band nur vier mal im Jahr ein Benefits-Konzert spielt ist es ja damit nicht getan. Engagement hat für mich viel mit dem Alltagsverhalten zu tun. Meine Überzeugung ist, ich weiß nicht ob wir uns da einig sind, dass das wesentlich effektiver ist als sich einmal auf die Bühne zu stellen und Nazis raus zu brüllen. Das ist ne einfache Sache, aber das in einer Situation anzubringen, wo das eher gefragt ist, ist ne andere Sache und das finde ich wesentlich effektiver.

MAS:
Wie ist das bei euch eigentlich? Müsst ihr neben Rantanplan arbeiten?

Torben:
Wir finanzieren damit Rantanplan. Es gibt sicherlich auch mal Konzerte oder Touren, bei denen was übrigbleibt, aber wenn man rückblickt rechnet sich das nicht, da muss man was mitbringen. Wenn man nicht gerade 30 oder 40000 Platten verkauft, kann man nicht ein Jahr lang von Musik leben. Das wär mal schön, aber das ist wohl nicht drin.

MAS:
Würdet ihr anders klingen, wenn Rantanplan euer Full-Time-Job wäre?

Torben:
Sicherlich, wenn was anders ist als jetzt wäre es ja immer anders, das ist ja normal. Aber es kommt ja auch immer anders als man denkt.

MAS:
Ihr habt jetzt zwecks der Veröffentlichung der Platte euer eigenes Label gegründet. Finanziell ist das wohl auch nicht besser. Seid ihr jetzt glücklich oder nervt der ganze Business-Kram?

Torben:
Eigentlich nervt’s. Wir wollten das auch tunlichst vermeiden. Das war der Notnagel, aber eigentlich haben wir uns auch um Plattenfirmen bemüht. Die paar Angebote, die es gab, waren so haarstäubend, da hätte ich eher aufgehört Musik zu machen bevor wir richtig, richtig viel Geld mitbringen müssen, was wir auch unterschreiben hätten müssen. Das hätte keinen Sinn gemacht. Dann haben wir das mit Hilfe von Indigo als starken Vertriebspartner eben selbst rausgebracht. Das wünschenswerte Ziel war das aber nicht. Klar sind die Nächte jetzt kürzer. Nach der Arbeit muss man erst noch mal arbeiten und dann kann man erst die Gitarre in die Hand nehmen, was man aber lieber direkt nach der Arbeit machen würde. Das ist schon schwierig.

MAS:
Ihr macht ja alle wohl Musik der Musik wegen. Wie steht zu den ganzen Sachen, die das mit sich bringt, gerade eben so was wie Interviews?

Peso:
Das ist ja auch so, dass was zurückkommt dabei. Wir haben da ja keinen großen Trubel, so dass wir nicht mehr rauskommen und von einem Interview ins nächste stürzen. Für mich persönlich ist das kein Problem. Es ist ja oftmals auch interessant. Die Leute beschäftigen sich ja damit, was man als Band kreativ leistet. Das bringt einem dann auch persönlich was.

Torben:
Ohne Feedback wäre das alles schon abgefrühstückt. Ein Interview ist ja eine Art von Feedback so wie auch ein Konzert. Ohne das macht man das ein Jahr oder im Stile einer Skatrunde. Ich bin auch schon mal nach Berlin gefahren um dort 15 Interviews zu geben. Das war auch ne geile Erfahrung. Ich würde niemals so wie Fanta 4 drei Monate durch Deutschland fahren wollen und jeden Tag Interviews geben und mich selbst darstellen. Man bekommt auch schnell das Gefühl, dass man ein Selbstdarsteller wird. Man muss ja immer positiv über sich selber reden und das groß machen und es aufblähen. Wenn ich ab und zu Interviews von anderen lese krieg ich echt die Krätze. In vielen Zeitschriften stehen ja auch auf hundert Seiten nur Superlative, alles das Geilste, alles das Beste, das Innovativste. Und das alles im Zeitalter der Strokes und all dieser Rolling Stones Neuauflagen hat das Wort Innovation gar nichts zu suchen. Das ist schon sehr befremdlich. Aber so’n Interview geben vorm Konzert ist ne gute Sache, hat man nicht so viel Langeweile. Besser als nur zwischen Soundcheck und Show rumzuhängen.

MAS:
Wo du’s von Innovation hast. Da fällt mir auch diese „Eclipsed“ New-Art-Rock-Gerede ein.

Tim:
Um was geht’s da?

MAS:
Das ist eine neue Zeitschrift, die jede Band die 70er-Pink-Floyd-Sachen spielt als innovativ betitelt.

Torben:
Das ist ja dasselbe mit der deutschsprachigen Musik. Es gibt ja mittlerweile wieder fast so viele deutschsprachige Bands wie in NDW-Zeiten. Als wir angefangen haben war das ja beinahe noch verpönt in Deutsch zu singen. Die lokalen Leute sind da auch nur zu Ami-Bands gegangen und das war immer voll, egal wie scheiße die Band war. Bei ner Band aus Deutschland oder Europa war’s dann spärlich besucht. Das hat sich alles ein bisschen gedreht. Ist ja auch sehr gut, aber es ist echt erschaudernd was da mittlerweile wieder in Deutsch gesungen wird, was für Lari-Fari-Kacke. Die trauen sich Sachen rauszuhauen wie in der NDW schreckliche Bands auch.

MAS:
Okay, das war’s dann auch schon von mir. Vielen Dank fürs Interview!

Kevin Kirchenbauer


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