····· Osterei - Luxus-Haydn auf Vinyl ····· Zwischen Grunge und Pop suchen Woo Syrah ihren Weg ····· Der zweite Streich von Billy Idol neu und erweitert ····· Die Hamburger Ohrenfeindt sind „Südlich von Mitternacht“ auf der Überholspur ····· BAP gehen auf Zeitreise in ihre besten Jahre ·····  >>> Weitere News <<<  ····· 

Artikel

1988 releaded - Iron Maiden auf „Maiden England“-Tour

Info

Künstler: Iron Maiden

Zeit: 29.06.2013

Ort: Singen-Aach - Open-Air-Arena

Internet:
http://www.ironmaiden.com

Nostalgie-Touren sind bei Iron Maiden nichts Neues. Die letzte Tour mit diesem Motto hieß „Somewhere Back In Time“ und behandelte die Alben fünf bis acht. In diesem Jahr haben sich die wackeren Engländer dazu entschlossen, das Live-Album Maiden England wieder auf die Bühne zu bringen. Das dazugehörige VHS-Video ist Kult und seit diesem Jahr auch wieder auf CD und DVD erhältlich. Mir gefallen diese Touren wesentlich besser als die Touren zu den aktuellen Alben, da hier ausschließlich Klassiker gespielt werden und nicht das neue Album fast komplett präsentiert wird.

Wenn man in das beschauliche Städtchen Aach fährt, glaubt man nicht, dass hier in ein paar Stunden die größte Heavy Metal-Band aller Zeiten spielt. Wälder, Wiesen, Kuhweiden - nichts deutet darauf hin. Bei einer gemütlichen Brotzeit in einer der beiden Dorfgaststätten teilen mir zwei Einheimische mit, dass im Vorfeld 25.000 Tickets für das Konzert verkauft worden sind. Am Open-Air-Platz angekommen, staune ich nicht schlecht. Das Gelände war anscheinend für Pferderennen entworfen worden und wird nun für diverse Konzerte (David Garrett, Peter Maffay) genutzt. Bei den beiden waren vor kurzem ca. 10.000 Fans . aber keine 25.000 wie bei Iron Maiden. Das Gelände ist jedoch sehr weitläufig, die vielen Fans fallen gar nicht weiter auf und man hat wirklich sehr viel Platz. Trotz des Regens, der während des Konzerts zum Glück stoppt, ist das Gelände noch sehr gut zu begehen. Die Vorbands habe ich leider aus Zeitgründen nicht mitbekommen.

Als der Song „Doctor Doctor“ von UFO aus den Lautsprechern dröhnt, weiß jeder im Publikum, dass das Konzert gleich beginnt. Nach dem bekannten Intro von „Moonchild“ geht’s los und die Jungs legen einen furiosen Start hin. Der Sound ist astrein, die Videoleinwände sind optimal ausgerichtet und das Publikum ist von Beginn an voll auf der Höhe. Maiden sind bis in die Haarspitzen motiviert und ein wie immer völlig aufgedrehter Bruce Dickinson hat die Menge von Beginn an fest im Griff. Die Bühne ist mit den bekannten Eis-Elementen verziert und erinnert stark an das damalige Live-Video. Steve Harris braucht auch heute wieder sehr viel Platz und beweist einmal mehr, dass er einer der besten Metal-Bassisten ist, die dieser Planet je gesehen hat. Zusammen mit dem Urvieh Nicko Mc Brain bildet er ein Rhythmusduo, das im Metal-Bereich nahezu in einer eigenen Liga spielt. Bereits bei „Can I Play With Madness“ steht die Menge Kopf und es jagt mir meterhohe Schauer über den Rücken, als die komplette Meute hier mitsingt. Die Videoeinspielungen zu den einzelnen Songs sind dieselben wie bei dem Live-Video. Manchmal lohnt es sich eben doch, wenn man solche Sachen aufhebt und nicht wegwirft… Die Setlist deckt sich jedoch glücklicherweise nicht mit dem Live-Video und lässt Platz für Überraschungen wie das unnachahmliche „Afraid To Shoot Strangers“. Wie konnten Iron Maiden den Song nur so lange nicht spielen? „The Trooper“ wird von Bruce Dickinson wie immer zelebriert. Er schwenkt seine Britannien-Fahne weit über Gebühr und hängt sie über den bestens gelaunten Gitarristen Janick Gers, der trotz „Sichtbehinderung“ einfach weiter spielt. Überhaupt ist das Gitarren-Dreigestirn mit Dave Murray, Janick Gers und Adrian Smith wieder einmal über jeden Zweifel erhaben. Die Solos sitzen, der Einsatz stimmt und das überträgt sich natürlich aufs Publikum.

Iron Maiden spielen die alten Klassiker im Jahr 2013 so, als wären sie gerade erst geschrieben worden. Manchen Bands merkt man bei derartigen Spezialtouren an, dass sie die Songs rein aus Geldgründen spielen. Dies ist hier definitiv nicht der Fall. Bei „Run To The Hills“ kommt auch Bandmaskottchen Eddie zum Zug. Er ist heute als Kavallerie-Soldat verkleidet und hat einen Pfeil im Cowboyhut stecken. „Wasted Years“ sorgt für Begeisterungsstürme im Publikum und ich denke mir, dass es sicher auch mal cool wäre, wenn sie die Somewhere in Time-Scheibe mit mehr Songs berücksichtigen würden. Bei „Fear Of The Dark“ überschlägt sich die Stimmung geradezu und jeder holt noch mal alles aus seinen Stimmbändern heraus. Bruce Dickinson lässt es sich nicht nehmen, das Publikum pausenlos anzustacheln. Die Reaktionen sind entsprechend und das ganze gerät zu einem wahren Triumphzug. Der Song „Iron Maiden“ beendet das reguläre Set, aber das Publikum hat noch nicht genug.

„Churchill’s Speech“ erklingt und jeder weiß, dass jetzt nur „Aces High“ kommen kann. Auch hier zeigt sich Bruce von seiner besten Seite und präsentiert eine Gesangsleistung, die schier unglaublich gut ist. So gut wie an dem Abend hab ich ihn definitiv noch nicht gehört. „The Evil That Men Do“ und „Running Free“ inklusive einer kurzen Bandvorstellung beenden das Super-Konzert. Iron Maiden bekommen stürmischen Beifall und der Oldie der Band, Mr. Nicko McBrain an den Dampfkesseln, wirft Sticks und Felle ins Publikum. Der überaus sympathische Schlagzeuger genießt den Beifall in vollen Zügen und geht als letzter unter dem Outro „Always Look On The Bright Side Of Life“ von der Bühne.

Das Licht geht an und alles ist nach ca. 110 Minuten auch schon wieder vorbei. Wahnsinn, ich kann es noch gar nicht fassen. Das Ganze war eine Zeitreise allererster Güteklasse. Überall sieht man in strahlende Gesichter und ich denke, dass es keiner bereut, hier her gekommen zu sein. Etwas negativ fällt ins Gewicht, dass der Veranstalter beim Rausgehen ziemlich schnell das Licht ausknipst und man den Weg, den die wenigsten kennen, eigentlich kaum noch sieht. Eine weitere Frechheit sind die Getränkepreise: 4,80 Euro für 0,4 Liter, fast 10 Euro für einen Liter. Es ist okay, dass ein Veranstalter auch etwas verdienen muss. Aber wenn man das Gefühl hat, dass man gemolken wird, habe ich immer weniger Lust auf solche Konzerte. Trotzdem: Iron Maiden sind und bleiben live eine Macht. Ich finde es eine Art Geschenk an die Fans, dass die Band mit einer derartigen Setlist tourt. Ich war zu jung, um damals dabei gewesen zu sein. Fans der frühen Alben kommen um diese Tour eigentlich nicht vorbei!


Setlist:
Moonchild
Can I Play with Madness
The Prisoner
2 Minutes to Midnight
Afraid to Shoot Strangers
The Trooper
The Number of the Beast
Phantom of the Opera
Run to the Hills
Wasted Years
Seventh Son of a Seventh Son
The Clairvoyant
Fear of the Dark
Iron Maiden
Aces High
The Evil That Men Do
Running Free

Stefan Graßl


Zurück zur Artikelübersicht