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Artikel

Nero di Marte: King Crimson sind die interessanteste Band der letzten 50 Jahre

Info

Gesprächspartner: Nero Di Marte

Zeit: 28.03.2013

Interview: E-Mail

Stil: Experimental Metal

Internet:
http://www.nerodimarte.com/
https://www.facebook.com/nerodimarte
http://www.prostheticrecords.com

Mit ihrem selbst betitelten neuen Album haben Nero Di Marte ein dickes Ausrufezeichen hingelegt. Mit ihrem technisch versierten, experimentellen Death Metal können sie über die gesamte Spielzeit von knapp 50 Minuten überzeugen. Hervorgegangen aus der Band Murder Therapy gibt es viel über die Gründe der Umbenennung und die Musik zu erzählen. Gitarrist Francesco D'Adamo (und bei einzelnen Fragen auch Sänger und Gitarrist Sean Worrel), hat sich unseren Fragen gestellt.

Hallo, könntest Du erst einmal etwas über die Formation der Band und die musikalische Karriere von NERO DI MARTE erzählen?

Nero Di Marte ist ein musikalisches Projekt, das aus der Band Murder Therapy hervorgegangen ist, die 2007 hier in Bologna, Italien gegründet wurde. Sean [Worrell, Gesang, Gitarre] und Marco [Bolognini, Schlagzeug] stießen später dazu und wir haben 2009 unser Debütalbum Symmetry of Delirium über Deity Down Records (aus den Niederlanden) veröffentlicht. Andrea [Burgio, Bass] wurde 2010 unser neuer Bassist und wir veröffentlichten gemeinsam eine EP mit dem Titel Molochian. Das Album Nero Di Marte haben wir 2011 aufgenommen und hat uns einen Plattenvertrag mit Prosthetic Records unter unserem aktuellen Namen eingebracht. Das ist mehr oder weniger unsere musikalische „Karriere“, neben zahlreichen Live Shows, die wir in Italien gespielt haben und einigen Auftritten in Europa.

Wie sind denn die bisherigen Reaktionen auf euer selbst betiteltes Album Nero di Marte (ich denke, es ist fantastisch)? Seid ihr mit den Reaktionen zufrieden?

Danke! Bisher sind der Rückmeldungen sehr enthusiastisch ausgefallen und ich war sehr beeindruckt, wie viele Hörer auf einzelne Aspekte unserer Musik hinweisen, von denen ich dachte, dass sie zu ‚persönlich‘ sind, dass sie jemand außerhalb der Band verstehen würde.

Man könnte meinen, dass das Album Euer Debüt ist. Nun, es ist das Debüt als Nero di Marte, aber ihr habt ja schon Platten als Murder Therapy veröffentlicht. Wie kam es zu der Namensänderung? Gab es musikalische Gründe, da sich Eure Musik ja auch ein wenig in eine mehr progressive, experimentelle Richtung verändert hat?

In vielen Belangen ist es ein neues Debütalbum, wegen dem Namenswechsel, wegen dem Sound und dem potentiell größeren Publikum, das wir durch Prosthetic erreichen können. Wir wollten eigentlich schon gegen Ende 2010 unseren Namen ändern, als sich das aktuelle Line-Up herauskristallisiert hatte, aber aus verschiedenen Gründen haben wir es dann doch nicht gemacht weil wir dachten, so lange unser alter Name keine Last für uns darstellt, würden wir ihn erst einmal behalten. Unsere Musik hat sich dagegen gar nicht so sehr verändert, man kann aber schon ein Fortschreiten erkennen, wenn man die Platten nacheinander hört.

Im September 2009 haben wir begonnen, das neue Material zu schreiben, direkt nachdem Symmetry of Delirium erschienen war und das förderte sofort neue Sounds zutage. “Convergence“ ist beispielweise der erste Song, den wir geschrieben haben und es gibt Videos, wie wir den Song schon 2009/2010 am Ende unserer Live Shows schon gespielt haben. Ich denke, als Sean am Gesang arbeitete und Andrea am Bass bei uns einstieg wurde es offensichtlich, dass wir etwas in einer freieren, persönlicheren Art kreieren konnten. Das war der Punkt an dem wir entschieden, unseren Namen in Nero di Marte zu ändern. Es war der Beginn einer Alchemie, die, wie ich denke (und hoffe), noch viel erschaffen und ausdrücken kann.

Wie würdest Du Eure Musik selbst beschreiben?

Es ist eine Art Reise. Nach einem etwas ‚epischeren‘ Beginn, sinkt die Musik in etwas Dunkles, Mysteriöses und kehrt dann auf tragische Weise wieder an die Oberfläche zurück. Es gibt Phrasen und Stimmungen, die sich widersprechen und bekämpfen und dann im Laufe des Albums wieder in Luft auflösen, manchmal jedoch nicht im gleichen Song, was das Album als Ganzes sehr stark macht. Alle Farben des Albums sind sehr dunkel und tief aber dennoch sehr lebendig.

Wie komponiert und arrangiert ihr? Habt ihr feste Arrangements oder ausgeschriebene Noten, da die Musik sehr komplex klingt oder sind da auch Jams dabei? Könnt Ihr etwas über den kreativen Prozess erzählen?

Sean: Normalerweise schreibt jeder Teile oder ganze Songs für sich, so dass die Hauptideen jeweils von einem einzelnen stammen. Wenn einmal ein Songgerüst mehr oder weniger arrangiert ist (und wir alle eine Vorstellung davon haben, in welche Richtung der Song geht), starten wir damit, über die Riffs zu jammen und mit den Strukturen herumzuspielen und innerhalb kurzer Zeit verändern sie sich wie von selbst. Stück für Stück feilen wir an den einzelnen Songabschnitten, bis wir zufrieden damit sind: das hängt vor allem vom Kontext, in dem der Song geschrieben wurde und seiner inneren Balance ab. Schließlich, wenn die Bestimmung eines Songs (im Kontext zum anderen Material, das wir schreiben) klar ist, ist es für uns einfach, diesen zu verstehen und abzuschließen. In diesem Sinne haben wir herausgefunden, dass es für uns besser ist gleichzeitig an mehr als einem Song oder einer Idee zu arbeiten. So kann man immer herum experimentieren indem man eine bestimmte Richtung nimmt und sofort erkennt, ob das was man gerade ausprobiert auch im Kontext mit anderen Songs die man gerade schreibt zusammenpasst. Aber der wichtigste Aspekt beim Songwriting erscheint mir für zu sein, auf uns selbst zu hören und uns Zeit zu lassen. Wir nehmen alle unsere Proben und Jam-Sessions auf und das hat Einfluss darauf, dass sich ein Song sehr verändern kann. Wir sind wählerisch genug uns nur die Sachen herauszupicken, die wirklich essentiell für die Struktur sind und mit der Zeit hören wir, was sich nicht richtig anfühlt und anhört. Manchmal kann sich so auch nach Monaten ein Song komplett verändern, manchmal sogar nach Jahren! Ich hoffe, dass dadurch die Songs auch ein gewisse Langlebigkeit beim Hörer besitzen.

Ist es für Euch schwierig, die aufgenommenen Lieder in die Live Situation zu übertragen?

Nein, überhaupt nicht. Was wir aufgenommen haben kam aus dem Probenraum und wenn wir das dann auf die Bühne bringen sind nur ein paar Soundänderungen notwendig. Wir versuchen den Sound etwas ‚aufzuhellen‘, um die Performance nachvollziehbarer zu machen, weil der Live-Mix nie auf demselben Niveau stattfinden kann, wie bei einer Aufnahme. Zusätzlich geben wir uns auf der Bühne ein wenig Raum für Improvisationen, zum Beispiel in den etwas atmosphärischen Teilen wie im mittleren Abschnitt von “Nero di Marte“ oder am Beginn von “Convergence“ und spielen das Album nicht einfach nur nach.

Wie ist es mit den Texten, sind diese wichtig für Euch?

Sean: Die Texte sind natürlich wichtig aber für uns kommt die Musik dennoch an erster Stelle. Wir versuchen mit den Texten, die Stimmung der Musik einzufangen und dies führt dazu, dass wir meist sehr aufrüttelnde und introspektive Texte schreiben, weil wir die Musik so hören. Es ist für uns immer schwer über die Texte zu sprechen, weil sie sowohl so unterschiedlich wie auch zusammenhängend sind, wie die Musik selbst ja auch.

Welches sind Eure Haupteinflüsse?

Diese Frage wurde mir schon einige Male gestellt und ich habe dabei immer mit den Namen von Bands geantwortet, die uns allen vier etwas bedeuten oder speziell mir. Aber wenn man genau aussortiert und auf die Wurzeln schaut dann denke ich, dass King Crimson unser größter Einfluss ist in dem Sinne, wie wir versuchen Musik zu machen. Ich würde keines ihrer Alben im Speziellen nennen, das ist nicht der Punkt. Es ist ihre Idee, wie sich eine Band selbst ausdrücken kann, wie man seine Instrumente kennen und einsetzen kann, wie man ohne Angst neue Sounds erforschen kann, sich sozusagen in einer beständigen Evolution befindet. Sie sind meiner Meinung nach die interessanteste Band der letzten 50 Jahre.

Ist Musik Euer Beruf? Habt Ihr studiert oder seid ihr Musiker, die sich alles selbst beigebracht haben?

Nein, Musik ist nicht unser Beruf. Es wäre zwar toll, aber es ist nicht so. Wir haben uns alles selbst beigebracht auch wenn jeder von uns einen sehr unterschiedlichen Weg auf seinem Instrument zurückgelegt hat.

Sean, Dein Name klingt nicht sehr italienisch. Ist es ein Pseudonym oder was ist Deine Geschichte?

Sean: Haha, kein Pseudonym. Ich bin in Italien geboren und aufgewachsen aber meine Eltern stammen aus den USA (aus Detroit, um genau zu sein). Sie haben einfach entschieden hierher zu ziehen, nachdem sie geheiratet hatten. So habe ich als ich aufwuchs sowohl italienisch als auch englisch gelernt.

Werdet Ihr in Deutschland auf Tour gehen, um das Album zu promoten?

Wir hoffen, dass wir bald auf Europatour (und natürlich auch in Deutschland) gehen können, hoffentlich nach dem Sommer. Wir arbeiten daran, aber es ist noch nichts bestätigt.

Welche Gitarren, Amps und welches Equipment benutzt ihr?

Unsere beiden Gitarren haben einen sehr unterschiedlichen Sound und verschiedenen Klangfarben und wir haben versucht, diese Charakteristiken auch bei den Aufnahmen zu erhalten, um einen reicheren Sound zu bekommen. Ich spiele eine Gitarre von Jackson und habe für die Aufnahmen ein Peavey JSX Topteil und viele Effektpedale benutzt. Ich bin mehr auf der ‚analogen‘ Seite des Gitarrensounds. Sean benutzt ganz andere Instrumente. Im Moment speilt der eine 7-String Telecaster von Agile mit einem Axe FX Ultra und deinem VHT Power-Amp. Er schleift das alles durch einen Midi Controller – es ist einfacher für ihn gleichzeitig zu singen und zu spielen, wenn er sich nicht auch noch mit den ganzen Pedalen herumschlagen muss. Andrea benutzt einen Mayones 5-String Bass mit einem Ampeg svt-3 Topteil und auch verschiedenste Pedalen

Der Sound auf Nero di Marte ist sehr gut, heavy und sehr klar. Wie wichtig war die Hilfe von Soundtechniker Michele Trasforini und Riccardo Pasini, der das Album abgemischt und gemastert hat?

Beide waren absolut essentiell. Michele hat uns die Möglichkeit gegeben, das gesamte Material in aller Ruhe und ohne irgendwelche Deadlines aufnehmen zu können und hat dabei einen fantastischen Job erledigt, wenn es darum ging, den Sound einzufangen. Paso machte mit seiner Erfahrung, dass alles sehr kompakt, stark und dynamisch klingt. Wir sind sehr glücklich mit dem Endresultat: Das Album klingt real und lebendig, ohne dass dabei irgendetwas von der Kraft und Lautstärke verloren ging.

Wollt Ihr unseren Lesern noch etwas mitteilen?

Hört einfach einmal in unser Album rein und kauft es bitte, wenn es eure musikalische Neugier weckt. Wir sehen uns dann bald live! Bis demnächst…

Ingo Andruschkewitsch


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