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Lange Jahre schien es, als würde mein Musikgeschmack eine normale gesunde Entwicklung nehmen. Mit der „harten“ Abba-b-Seite „Watch out“, Golden Earrings „Radar Love” und den ersten Sweet-Krachern auf einer selbst bespielten Mix-Cassette begann ich mich aus dem gemeinsamen Musikhören mit den Eltern (NDR 2, Dieter Thomas Hecks ZDF Hitparade etc.) zu lösen – und gar den Wunsch zu entwickeln, die "wildere" Disco mit Ilja Richter zu sehen.
Später kamen dann LPs von den Scorpions, Deep Purple, Status Quo, Rainbow und sogar den Ramones und den Sex Pistols auf den Teller. Dabei sollte es aber nicht bleiben. Der Musikgeschmack wurde anspruchsvoller. Barclay James Harvest und Supertramp leiteten den Gymnasiasten, der ich war, über zu Yes, Genesis, Alan Parsons und ähnlichem. Spätestens mit dem Studienbeginn kamen die ersten Klassik-Scheiben in den Schrank. Händel und Beethoven und als erster persönlicher Klassik-Liebling vor allem Tschaikowsky. Daneben auch moderate Jazz-Scheiben – im Wesentlichen Fusion, wie Al di Meola, Billy Cobham, Al Jarreau, die recht unbekannten Kornet, deren Scheibe jemand aus der Gemeinde aus dem Schweden-Urlaub mitgebracht hat, Kraan vielleicht und die Jukka Tolonen Band.
Wäre alles normal gelaufen, wären die alten Scheiben aus den Regalen verschwunden und dort stände jetzt eine Mischung aus Phil Collins, Sade, den Drei Tenören und vielleicht noch Nigel Kennedy herum. Zum Glück kam es anders! Helloween haben daran ihren Anteil.
Natürlich lief die Entwicklung nicht so geradlinig, wie oben beschrieben. Auch in den Studienjahren lagen natürlich immer wieder einmal Hard Rock-Scheiben auf dem Plattenteller. Aber die neuere Entwicklung der späten 70er und der ersten Hälfte der 80er Jahre ist weitgehend an mir vorbeigegangen. Gut, „The Number of the Beast“, „Ace of Spades” und „Highway to Hell“ hatten ihren Weg auch bis zu mir gefunden. Aber ansonsten waren nur aktuelle Weiterführungen des 70er Jahre Hard Rocks, wie Gary Moore, Dio oder Whitesnake bei mir angekommen.
Es waren nicht zuletzt Helloween, die mit fröhlichen Speed Metal Nummern, wie „Judas“, „Reptile“, „I’m alive“ oder „Future World“, dafür gesorgt haben, dass ich einen für mich deutlichen Schritt hin zu extremerer Musik gewagt habe – entgegen der Tendenz, die die musikalische Sozialisation in der Regel nimmt. Im März 1988 landete dann mit Keeper of the seven Keys, Part I die Scheibe in der Sammlung, die für lange Zeit die härteste CD bleiben sollte. Ein Konzertbesuch folgte im Oktober durch eine im Radio gewonnene Konzertkarte. Erst im Spätsommer 1989 kamen die ersten CDs von Iron Maiden und AC/DC – zu diesem Zeitpunkt schon Klassiker – dazu. Ein weiter Schritt in den Metal Heaven wurde vom Deutschen Evangelischen Kirchentag 1993 in München eingeleitet. Aber das ist eine andere Geschichte.
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