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Artikel

Gianmaria Testa mit Band unterwegs in Deutschland

Info

Künstler: Gianmaria Testa

Zeit: 18.02.2013

Ort: Franz K, Reutlingen

Internet:
http://www.gianmariatesta.com

Gianmaria Testa ist seit einigen Jahren eine absolute Größe unter den zeitgenössischen Liedermachern Italiens und ist seit 2004 auch vermehrt im Ausland mit großem Erfolg unterwegs. Es ist dabei immer wieder erstaunlich, dass Künstler, deren Muttersprache man nicht wirklich spricht und oft auch nicht versteht, einen Musikhörer dennoch ansprechen. Viel hängt dabei mit der Ausstrahlung des Künstlers ab und die ist bei Gianmaria Testa fast schon unwiderstehlich, wie ich bei seinem Konzert im Reutlinger Konzertsaal Franz K nun selbst erleben durfte.

Nach seinem grandiosen Live-Album Solo Dal Vivo aus dem Jahr 2009, das den intimen Solokünstler Gianmaria Testa in den Vordergrund stellte, war das nachfolgende aktuelle Album Vitamia eine Bandproduktion, die vielleicht manchen Fan überrascht hat. Mit seinen stellenweise rockigen Klängen vielleicht auch etwas verstört. Um die vollen Klänge von Vitamia auch live entfalten zu können hat sich Gianmaria Testa (Gesang, Gitarre) live verstärkt. Mit an Bord sind Giancarlo Bianchetti (Gitarren), Nicola Negrini (E-Bass, Kontrabass, Bassukulele) und Philippe Garcia (Schlagzeug), die auch schon das Album veredelten. Und so ging es gleich ziemlich rockig los. Der erste Konzertteil war angefüllt mit vielen Liedern von Vitamia. Grandios gespielte Stücke wie “Lasciami Andare“ oder “Cordiale Saluti“ zeigten eine perfekt abgestimmte Band die dem Gesang von Gianmaria Testa jedoch genügend Raum ließen, die Texte zu zelebrieren, die diese rockigere Umsetzung geradezu verlangen, darunter politische Gedanken zur aktuellen Lage seiner Heimat Italien.

Daneben wurde auch die Fraktion des ruhigeren, solistischen Gianmaria Testa nicht vergessen. Stücke wie “Lele“, live ohne Klavier sondern mit der Gitarre begleitet, boten einen Ausgleich für die rockigen Titel. Die Band beherrscht daneben auch jede andere Musik wie chansoneske Klänge, fantastischen Latin oder spanische Flamenco Anklänge. Alle Musiker spielten auf allerhöchstem Niveau. Philippe Garcia beherrscht das leise zurückhaltende Spiel mit dem Schlagzeug genauso, wie brachiales Drumming. Dabei spielte er stets mit einem lockeren Groove, der gemeinsam mit Nicola Negrini ein Fundament legte, wie es nur wenige Rhythmusgruppen beherrschen. Die stellenweise fast schon progressiv anmutenden rhythmischen Taktwechsel wirkten stets mühelos. Nicola Negrini zeigte mit seinen kleinen solistischen Einlagen, dass er sich nicht nur als Fundamentgeber sieht, ohne dabei aufdringlich zu wirken. Vor allem am Kontrabass und bei einem Lied mit der Bassukulele spielte er feinste Walking Bass-Linien. Den größten Eindruck machte für mich allerdings Giancarlo Bianchetti, der sowohl an der elektrischen Gitarre, wie auch an der Konzertgitarre begeisterte. Nur wenigen Gitarristen gelingt dieser Spagat. Meist ist entweder das eine oder das andere Instrument Beiwerk. Zu unterschiedlich sind sie von den eigentlichen Spielweisen. Giancarlo Bianchetti ist hier eine angenehme Ausnahme. Seine Rhythmusarbeit war schon eine Augenweide, aber vor allem seine Gitarrensoli waren fein ausgearbeitet. Mal jazzig, dann eher im Flamenco, Sekunden später ein rockiges Solo mit orientalischen Anklängen. Wenn ein Stück allerdings nur kleine Farbtupfer benötigte, war er sich nicht zu schade, sich komplett zurückzunehmen, denn im Vordergrund war stets Gianmaria Testa selbst. Und dieser hat eine unglaubliche Ausstrahlung, wie man es ihm vielleicht zunächst gar nicht zutraut. Das muss man live gesehen habe. Seine Bühnenpräsenz ist etwas ganz eigenes vor allem, weil er nur einfach in der Mitte der Bühne sitzt, Gitarre (akustische Stahlsaiten-Gitarre und immer wieder auch E-Gitarre) spielt und mit seiner unnachahmlichen Art ins Mikrofon singt, spricht oder summt. Das ist vielleicht ein wenig mit Paolo Conte vergleichbar und doch wieder ganz eigen. Egal, ob er ein Lied wie das rockige “Sottosopra“ oder das leise zelebrierte “Gli amanti di Roma“ vortrug. Die Stimmung war stets gespanntes Zuhören und Genießen dieses einmaligen Liedermachers. Und sie kochte fast über, als das Publikum bei “Al mercato di Porta Palazzo“ selbst mit einsteigen durfte. Was manchmal peinlich wirkt macht hier nur deutlich, wie sehr Gianmaria Testa das Publikum auf seiner Seite hatte.

Mit dazu beigetragen hat sicherlich auch der glasklare Sound im kleinen aber feinen Franz K in Reutlingen, das fast komplett gefüllt war. Der ideale Rahmen für ein solches Konzert. Auch wenn einzelne Zuhörer stellenweise von der musikalischen Ausrichtung etwas enttäuscht waren, wie man aus Gesprächen am Ende des Konzertes hören konnte, weil sich die Musik seit Solo Dal Vivo doch verändert hat, waren die meisten Reaktionen – völlig zu Recht - überwältigend positiv. Selten bekommt man ein solch abwechslungsreiches ausgereiftes musikalisches Feuerwerk geboten wie bei diesem Konzert. Egal ob in den ruhigen Stücken oder den treibend rockigen, Gianmaria Testa und seine Musiker gehören zu den besten Musikexporten ihrer Heimat abseits jeglicher Disco-, Rock- und Popkultur. Das sollte man sich nicht entgehen lassen.

Besetzung:
Gianmaria Testa: Gesang, Gitarren
Giancarlo Bianchetti: Gitarren
Nicola Negrini: E-Bass, Kontrabass, Bassukulele
Philippe Garcia: Schlagzeug

Ingo Andruschkewitsch


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