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Info
Zeit: 04.05.2012
Ort: Nürnberg - Arena
Internet:
http://www.thinlizzyband.com
http://judaspriest.com
Judas Priest verkünden seit Urzeiten den Heavy Metal in Reinkultur - und jetzt leider auch ihren Abschied von den Bühnen der Arenen und Konzertsäle. Von daher war es für mich fast eine Pflichtaufgabe, bei einem der letzten Konzerte mit dabei zu sein. Außerdem war ich gespannt, wie Rob Halford diesmal singt. Bei den letzten Auftritten hat er ja sehr gute Kritiken bekommen. Ich hab Judas Priest zuletzt als Headliner auf dem Bang Your Head-Festival auf der Nostradamus-Tour gesehen. Und da hat Halford einfach nur sehr schlecht gesungen und bot eine geradezu bemitleidenswerte Vorstellung. Die Nürnberger Arena ist nicht komplett ausverkauft. Der Innenraum ist ziemlich voll und der Unterrang auch - der Oberrang hingegen ist völlig leer. Bei den Scorpions war zum Vergleich auch der Oberrang ausverkauft. Am Publikum merkt man, wie alt die Band ist. Hier sind viele Fans, die 50 - 60 Jahre alt sind. So alt wie die Herren Halford, Tipton und Ian Hill halt auch.
Als THIN LIZZY loslegen, sind die meisten Fans schon in der Halle. Die aktuelle Besetzung um Altmeister Scott Gorham (Gitarre), Marco Mendoza (Bass), Ricky Warwick (Gesang, Gitarre), Darren Wharton (Keyboards), Damon Johnson (Gitarre) und dem legendären Brian Downey am Schlagzeug setzen mit dem passenden „Are You Ready“ schwungvoll ein und sorgen für Bewegung im Publikum. Ricky Warwick bekommt die Stimme von Phil Lynott sehr gut hin und ist ein Frontmann, wie er im Buche steht. Er fordert das Publikum sehr häufig auf mitzumachen und die Nürnberger sind im Laufe des Sets immer besser dabei. Dabei setzen Thin Lizzy auf bewährte Klassiker, lassen jedoch auch mit „Suicide“ oder „Rosalie“ eher unbekanntere Songs vom Stapel. Sehr gut ist die Stimmung bei „Whiskey In The Jar“, bei dem viele vielleicht gar nicht mehr wussten, dass dieses alte Traditional ursprünglich zuerst von Thin Lizzy verrockt wurde und nicht von Metallica. Der Sound ist absolut klasse und Thin Lizzy können ihre Songs so sehr gut präsentieren. Bei „Black Rose“ wird die ganze Klasse der Twin-Gitarren-Abteilung mit Scott Gorham und Damon Johnson (ex-Alice Cooper) deutlich. Die beiden harmonieren perfekt und setzen dieses mit irischen Einflüssen durchsetzte Stück beachtlich in Szene. Mit dem Doppelschlag „Cowboy Song“ und dem anschließenden „The Boys Are Back in Town“ lassen Lizzy noch zwei Überklassiker vom Stapel, bei denen das Publikum begeistert mitmacht. Insgesamt ein sehr guter Gig, der mit 50 Minuten auch durchaus in Ordnung geht.
Setlist Thin Lizzy:
Are You Ready
Jailbreak
Killer On The Loose
Don't Believe a Word
Whiskey in the Jar
Suicide
Rosalie
Black Rose
Cowboy Song
The Boys Are Back In Town
Nun steigt die Spannung - die „Metal Gods“ betreten in Kürze die Bühne. Das bedrohliche „War Pigs“ (Black Sabbath) vom Band lässt bereits erahnen, dass die Ankunft der Helden nicht mehr lange dauern kann. Das Licht geht aus und zu dem Intro „Battle Hymn“ entern JUDAS PRIEST die Bühne. Los geht’s mit „Rapid Fire“, dem Kracher vom Album British Steel. Der Sound ist fett, nicht zu laut und Rob Halford singt mit Leibeskräften. Meiner Meinung nach übertreibt er es bei diesem Song sogar ein bisschen. Im Hintergrund der riesigen Bühne thront Scott Travis hinter seinem Schlagzeug und versetzt dem Song einen gewaltigen Dampf. Rechts steht Ian Hill mit seinem Bass wie ein Fels und lässt die Axt von Beginn an sehr weit kreisen und rotieren. Das bleibt auch während der kompletten 2,5 Stunden so. Ich frag mich tatsächlich, wie er das macht. Es wird gleich „Metal Gods“ hinterher geschoben und es wird klar: Judas Priest verabschieden sich zumindest mit einem gewaltigen Paukenschlag. Glenn Tipton spielt seine Riffs mit einer Wahnsinnspräzision und Neuzugang Ritchie Faulkner ist ein Aktivposten auf der Bühne. Er nimmt Kontakt zum Publikum auf und versucht, die Fans zu animieren. Trotzdem hätte ich gerade bei der Abschiedstour lieber Urgestein K.K. Downing dabeigehabt - der sich bis heute noch nicht zu seinem Ausstieg geäußert hat.
Rob Halfords Stimme ist auch heute wieder ein zweischneidiges Schwert. Manchmal singt er gut, manchmal hört sich seine Stimme einfach nur schrecklich an. Wenn er seine Kopfstimme einsetzt, klingt dies total unnatürlich und völlig übersteuert. Meiner Ansicht wird hier mit technischen Hilfsmitteln sehr stark nachgeholfen. Außerdem betont er die meisten Songs völlig anders als auf dem Album, was auch sehr gewöhnungsbedürftig ist. Seine Bewegungen auf der Bühne sehen saft- und kraftlos aus und man hat das Gefühl, dass er sich während eines Großteils des Konzerts unglaublich anstrengen muss. Er verkörpert fast schon den Prototyp des abgewrackten Rockstars - das muss man leider so sagen. Allerdings spricht er zwischen den Songs oft mit dem Publikum und kommt sehr sympathisch rüber. Außerdem scheint es, dass er sich wieder mehr mit den Texten auseinandergesetzt hat. Im Gegensatz zu manch anderen Konzerten war er heute offensichtlich ohne Teleprompter unterwegs und somit nicht in gebückter Haltung mit Blick auf den Hallenboden zu sehen.
Von der Songauswahl gibt es für knallharte Priest-Fans natürlich wenig zu meckern. Von jedem Album wird mindestens ein Song präsentiert. Im Hintergrund der Bühne wird jeweils das Cover des entsprechenden Albums gezeigt. Besonders überraschen mich die Songs „Starbreaker“ von Sin After Sin und „Never Satisfied“ vom Debütalbum „Rocka Rolla“. Viele Fans scheinen die ganz alten Gassenhauer und die etwas unbekannten Songs nicht so gut zu kennen - eine besonders gute Stimmung ist während der Songs und in den Pausen dazwischen auch nicht. Die berühmt berüchtigten „Priest, Priest, Priest“-Rufe sind nur sehr vereinzelt zu hören. „Diamonds And Rust“ wird zuerst langsam, dann schnell gespielt. Ich finde, der Song hat so überhaupt nicht funktioniert. Highlights des Konzerts sind für mich ganz klar die drei Songs „Victim Of Changes“, „Beyond The Realms Of Death“ und „Blood Red Skies“, bei denen Halford sichtlich selbst singt, ohne viel Hilfsmittel auskommt - und durchaus Gänsehautfeeling produziert. Bei vielen anderen Songs klappt das leider nicht. Vor allem die Wucht von „Victim Of Changes“ und dieser grandiose Songaufbau beweist, dass Judas Priest für den modernen Metal Pioniere waren, die völlig zu Recht einen sehr hohen Stellenwert in der Szene haben.
Richtig gute Stimmung kommt bei „Turbo Lover“ auf, das vom Nürnberger Publikum begeistert mitgesungen wird. Von Songs dieser Richtung bringen Judas Priest jedoch sehr wenige. „The Sentinel“ wird richtig vergewaltigt und wäre besser nicht gespielt worden. „The Green Manalishi“ gerät zum wahren Triumphzug, bei dem Band und Fans wirklich alles geben. Bei „Breaking The Law“ singt Rob nicht einen Ton, sondern lässt komplett das Publikum singen. Kann man nett finden, mir gefällt's nicht so gut. Jetzt kommt der Tiefpunkt des Konzerts: „Painkiller“. Wer auf dem Land wohnt, weiß wie es sich anhört wenn ein Huhn ein Ei legt: es gackert. So ähnlich singt Rob einige Textpassagen - und schrammt dabei noch meterweit am richtigen Ton vorbei. Das Publikum honoriert diese „Leistung“ trotzdem mit sehr viel Applaus. Ein Beweis der Nibelungentreue vieler Metalfans.
Der Zugabenblock beginnt mit „Hellion/Electric Eye“, das mit Begeisterung aufgenommen wird. Danach kommt zu „Hell Bent For Leather“ die legendäre Harley zum Einsatz und bei „You’ve Got Another Thing Coming“ testet Rob noch die Stimmbänder der Fans, in dem er sie ausgiebig singen lässt. Den finalen Schlusspunkt bildet ein umjubeltes „Living After Midnight“, bei dem Band und Publikum sich gegenseitig feiern und die Klasse der Judas Priest-Songs deutlich wird. Tosender Beifall herrscht nach dem Song, die Band bedankt sich beim Publikum und verlässt sichtlich gerührt die Bühne.
Das war es also - eines der letzten Konzerte einer der größten Heavy Metal-Bands dieses Planeten, die das Genre maßgeblich geprägt und beeinflusst haben. Etwas traurig ist diese Tatsache natürlich schon. Auf der anderen Seite muss man ganz klar sagen, dass Priest mittlerweile ihren Zenit mehr als deutlich überschritten haben. Rob Halford pfeift teilweise auf dem letzten Loch daher, Glenn Tiptons Aktionsradius wird auch immer kleiner und Scott Travis am Schlagzeug wirkt unterfordert und gelangweilt. Ritchie Faulkner ist als K.K. Downing-Nachfolger natürlich entsprechend engagiert und spielerisch über jeden Zweifel erhaben - aber ist halt einfach nicht K.K. Downing. Außerdem erinnert er mich vom ersten Song an sehr stark an den hanseatischen Blödelbarden Otto Waalkes. Es fällt mir schwer, Mr. Faulkner ernst zu nehmen. Der Fels in der Brandung ist die Bassmaschine Ian Hill. Wie der sich bewegt und die Songs zelebriert, ist wirklich unglaublich.
Fazit: Wer die Metal Gods noch nie gesehen hat, kann sich diese Konzertreihe anschauen. Wer die Herren in guter Erinnerung behalten will, sollte lieber zuhause bleiben!
Setlist Judas Priest:
War Pigs / Battle Hymn (Intro)
Rapid Fire
Metal Gods
Heading Out to the Highway
Judas Rising
Starbreaker
Victim of Changes
Never Satisfied
Diamonds & Rust
Dawn of Creation
Prophecy
Night Crawler
Turbo Lover
Beyond the Realms of Death
The Sentinel
Blood Red Skies
The Green Manalishi (With the Two Pronged Crown)
Breaking the Law
Painkiller
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The Hellion / Electric Eye
Hell Bent for Leather
You've Got Another Thing Comin'
Living After Midnight
Stefan Graßl
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