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Artikel

Gebrechlich aber beseelt: Johnny Winter in Nürnberg

Info

Künstler: Johnny Winter

Zeit: 18.11.2011

Ort: Nürnberg - Hirsch

Internet:
http://www.johnnywinter.net

Johnny Winter hat vor kurzem das Album Roots veröffentlicht, auf dem er diverse Songs aufgenommen hat, die für ihn eine Art Querschnitt durch die Bluesgeschichte darstellen. Alle Songs sind von Leuten, die ihn selbst beeinflusst haben, darunter der legendäre Robert Johnson („Dust My Broom“), Chuck Berry („Maybellene“) oder Muddy Waters („Got My Mojo Working“). Um die Songs inklusive seiner Klassiker dem Publikum vorzustellen, ist für diesen Tag ein Konzert im Nürnberger Löwensaal geplant, das jedoch kurzfristig in den etwas kleineren Hirsch verlegt wird.

Die Vorband WOLFGANG BERNREUTHER & UNITED BLUES EXPERIENCE kenne ich bis jetzt noch überhaupt nicht. Als das Trio um Sänger/Gitarrist Wolfgang Bernreuther, (Kontra-)Bassist Rudi Bayer und Sängerin und Blues-Harp-Spielerin Beata Kossowska loslegen, wird jedoch ziemlich schnell klar: Das wird ein außergewöhnliches Konzert! Teils aus eigenen Liedern („I Wanna Boogie“, „Fishing Blues“) und Coversongs bestehend ist das Konzert ein Highlight im wahrsten Sinne des Wortes. Wolfgang Bernreuther spielt eine ausgezeichnete Bluesgitarre und hat ein waschechtes Organ, wie man es für die Art von Musik eben braucht und Bassist Rudi Bayer sorgt mit stoischer Ruhe für den nötigen Drive, den er mit größter Präzision und einem riesigen Kontrabass einbringt. Das Highlight dieser Band ist jedoch Beata Kossowska. Die blonde Sängerin singt nicht nur außergewöhnlich gut, sondern spielt eine Blues-Harp, wobei einem Hören und Sehen vergeht. Ich hab vor kurzem selbst einen Blues-Harp-Kurs gemacht und weiß, was für eine Lunge bzw. trainierte Atmung für eine halbwegs gute Performance man dafür braucht. Beata Kossowska scheint der Ian Anderson der Blues-Harp-Spieler zu sein. Sie bringt Töne aus dem Instrument, die ich so noch nicht gehört habe. Man hat das Gefühl, dass sie sich in einen regelrechten Rausch spielt. Manchmal würde sie am liebsten gar nicht mehr aufhören, doch ihre beiden Kollegen holen sie rechtzeitig wieder in den Song zurück. Dabei hat die Frau noch eine unglaublich sympathische Ausstrahlung. Sie strotzt vor Energie und Spielfreude und es scheint ihr keinerlei Mühe zu machen, auf diese doch recht furiose Weise zu spielen. Respekt! Das Konzert vergeht wahnsinnig schnell und jeder Song ist für sich ein kleines Highlight. Das Nürnberger Publikum honoriert diese tolle Leistung mit ausgiebigem Applaus. Nach ca. 45 Minuten ist der tolle Support-Gig leider auch schon vorbei. Ich und viele andere hätten sicher noch wesentlich länger zuhören können.

Ich bin mir nicht sicher, was von einem JOHNNY WINTER-Konzert zu erwarten ist. Spielt er gut? In welcher Verfassung ist er? Hat er das Live-Spielen noch drauf? Auf den Promofotos sieht er doch schon ziemlich fertig aus - und der Jüngste ist er mit seinen 67 Jahren ja bekanntlich auch nicht mehr. Um 20:40 Uhr geht das Licht aus und die Johnny Winter Band betritt die Bühne. Die zocken erstmal ohne Johnny einen halben Song, bevor Bassist Scott Spray mit einem halb gebrüllten „Ladies and Gentleman - Johnny Winter“ den Altmeister ankündigt, der dann auch prompt auf die Bühne kommt. Allerdings wird er von seinem Roadie halb gestützt bzw. geführt. Er sitzt sich auf seinen Platz und es geht los. Nicht nur ich schaue erst etwas ungläubig - ich denke, es geht vielen so. Er ist körperlich sehr angeschlagen und macht keinen besonders fitten Eindruck. Als er jedoch auf seinem Stuhl Platz genommen hat und die Gitarre anschlägt wird klar: Das kann er auf jeden Fall noch, und das braucht er auch! Gesanglich ist er anfangs noch etwas schwach auf den Stimmbändern und der zu laute und schlecht abgemischte Sound tun ihr Übriges. Mit der Zeit wird dies jedoch besser und bereits bei dem legendären „Good Morning Little Schoolgirl“ von seinem Debütalbum ist seine Stimme wesentlich besser. Ansagen macht Johnny Winter kaum, er redet auch nicht mit dem Publikum. Er konzentriert sich ganz in alter Blues-Manier auf sein Gitarrenspiel und seinen Gesang. Gesanglich wird er hin und wieder von seinem wuchtigen Schlagzeuger Vito Liuzzi unterstützt.
Überhaupt ist die Begleitband, die Johnny Winter Band, über jeden Zweifel erhaben. Allesamt unauffällige, aber höchst wirksame und wuchtige Typen, sorgen sie für den nötigen Rhythmusteppich, auf dem Mr. Winter seine Gitarrenausflüge unternehmen kann. Highlights sind für mich ganz klar der Song „Got My Mojo Working“ und „Johnny B. Goode“, bei denen Johnny Winter eine grandiose Leistung abliefert und richtig ruppig und kraftvoll singt. Bei „Gimme Shelter“ merkt man erst etwas später, um welchen Song es sich eigentlich handelt. Überhaupt fällt auf, dass Mr. Winter sich manchmal etwas schwer tut mit dem gleichzeitigen Singen und Gitarre spielen. Johnnys Gitarrenspiel ist jedoch ausgezeichnet. Es macht richtig Spaß ihm dabei zuzuschauen. Etwas später bringt der Roadie noch die für ihn typische Gibson Firebird auf die Bühne, auf der er dann die letzten Songs spielt. Das coole Rolling Stones-Cover „It’s All Over Now“ und „Dust My Broom“ leiten bereits das Ende des Konzerts ein. Den Schlusspunkt bildet ein furioses „Highway 61 Revisited“, das er sogar im Stehen spielt. Allerdings ist das ein ziemlich trauriges Bild, ich habe die Befürchtung, dass er gleich mitten in die Menge fällt. Das passiert jedoch zum Glück nicht und ich bin froh, dass er diesen Song bis zum Ende im Stehen spielen kann. Johnny Winter und seine Band bekommen sehr viel Applaus. Johnny Winter wird gleich danach von seinem Roadie wieder direkt von der Bühne abgeholt, das Quartett verlässt nach exakt 80 Minuten die Bühne.
Das reicht aber auch völlig aus. Ich bin froh, Johnny Winter überhaupt noch live gesehen zu haben. Außerdem war das Konzert musikalisch durchaus gut. Lediglich Johnny Winters Gesundheitszustand sieht für mich als Fan sehr beängstigend aus. Ich habe in einem Interview vor kurzem gelesen, dass er im Jahr 150 Liveauftritte absolviert und er nichts anderes will, als live zu spielen. Anders ist dieses Phänomen nicht zu erklären.

Stefan Graßl


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