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Info
Zeit: 06.07.2011
Ort: München - Circus Krone
Fotograf: Mike Coppola/Getty Images North America
Internet:
http://www.mellencamp.com
Mit seinem wohl bekanntesten Hit „Jack And Diane“ hat sich John Mellencamp in unseren Breitengraden einen gewissen Bekanntheitsgrad erworben. Da mir dieser Song und die gleichnamige CD American Fool sehr gut gefallen, wollte ich mir den amerikanischen Songwriter zumindest einmal live anschauen. Am Circus Krone angekommen wird klar, dass das Konzert sicher ausverkauft sein würde. Sehr viele Fans hatten sich auf den Weg gemacht, um diesen Künstler, der nur sehr selten ein Gastspiel in Deutschland gibt, live zu sehen. Ich habe einen Sitzplatz links von der Bühne mit relativ guter Sicht. Die beiden Männer links und rechts neben mir sind große Fans. Einer hat ihn bereits vor ca. neun Jahren in München live gesehen und schwärmt von einem der besten Konzerte seines Lebens. John Mellencamp hat damals richtig wild gerockt und das Publikum sei förmlich ausgerastet. Ich bin sehr gespannt und freue mich jetzt noch mehr auf das Konzert.
Den Beginn macht die neueste DVD von John Mellencamp mit dem Titel „It’s About You“. Dabei handelt es sich um eine Dokumentation über die Entstehung des neuen Albums No Better Than This. Der Konzertbeginn ist auf der Eintrittskarte um 20 Uhr angekündigt worden, um Punkt 20 Uhr startet der Film. Und ab da geht der Ärger im Prinzip schon los. Der Film ist eine Dokumentation über die Entstehung eines Albums. Klingt spannend, ist es aber nicht. Im Gegenteil, die Dokumentation ist langweilig, drückt auf die Stimmung des Publikums und schläfert total ein. Nicht nur ich hab mit der Ödnis des Films und der Hitze zu kämpfen, sehr viele nicken ein und es legt sich eine seltsame, gereizte Stimmung auf das mit großer Vorfreude eingelaufene Münchener Publikum. Das ganze verschlimmert sich noch erheblich, als klar wird: Der Film dauert 90 Minuten und wird komplett gezeigt! So kommt es, dass bereits gegen Ende des Films erhebliche Pfiffe und Buhrufe durch das Zirkuszelt schallen.
Als die Roadies tatsächlich noch einen Soundcheck beginnen und sich das Ganze ewig in die Länge zu ziehen scheint, werden viele Fans bereits wütend. Als John Mellencamp dann endlich die Bühne betritt, wird er mit einem gellenden, ohrenbetäubenden Pfeifkonzert und durchdringenden Buhrufen begrüßt. Ich bin mir sicher, dass er sich seinen Empfang in „Minga“ deutlich anders vorgestellt hat. Die Buhrufe werden nach dem dritten Song zwar leiser, hören jedoch nicht wirklich auf. Er entschuldigt sich beim Publikum für die lange Umbaupause und dann wird es etwas besser. Irgendwie tut er mir leid. Ich bin kein langjähriger Fan des Musikers und will ihn mir nur einmal live anschauen. Von daher muss ich mit dem vorlieb nehmen, was er live spielt. Aber seine Fans sollten vielleicht schon mal die neue CD angecheckt haben und vielleicht wissen, in welche musikalische Richtung die Reise geht.
Ein Problem bei den Songs fällt sofort auf: So einschläfernd der Film war, so lahm sind auch die neuen Songs. Sie werden teils mit Geige begleitet und sind zwar musikalisch und von den Kompositionen her sehr gut, aber halt sehr langsam, melancholisch, unspektakulär und wirken eher ermüdend. Das Ganze erinnert mich stark an Johnny Cash mit einer Prise Country und Folk-Einschlag. Das neue Album wurde ja bewusst so konzipiert und mit möglichst wenig neumodischer Technik aufgenommen, doch das Publikum war darauf offensichtlich nicht vorbereitet. Nur beim ersten Song packt John Mellencamp kurz seine Telecaster aus, die er jedoch ganz schnell wieder ins Eck stellt. Die meisten Songs spielt er mit einer Akustikgitarre. Ein Hauptproblem des Konzerts ist, dass ein Großteil der Fans mit einem Best Of-Programm seiner großen Rockhits gerechnet hat. Doch gerade diesen Gefallen tut ihnen John Mellencamp eben nicht. Er spielt sein neues Album ausgiebig und hat sichtlich Spaß dabei. Als Künstler kann ich ihn absolut verstehen, er will seinen neuen Songs seinem Publikum vorstellen. Doch das Ganze klappt zumindest an diesem Abend nicht. Selbst „Jack And Diane“ präsentiert er in einem ähnlich stillen Gewand wie seine neuen Songs. Der Song kommt beim Publikum gut an, doch hätte jeder die allseits bekannte Rock-Version erwartet.
Viele Fans, auch die beiden Männer neben mir, sind sehr frustriert. Natürlich vergleicht man mit vergangenen Konzerten, das geht mir ganz genauso. Aber ein Künstler will halt auch mal was Neues machen - was immer sehr schwierig ist für seine Fans. Zu „Longest Days“ erzählt Mr. Mellencamp eine kleine Geschichte über sich und seine Großmutter, die sehr rührend ist und bei dem das Publikum ehrlich Beifall spendet. Der Typ ist an sich sehr cool, authentisch bis auf die Knochen und gibt sich unglaublich viel Mühe. Gesanglich ist er absolut auf der Höhe und er veredelt jeden einzelnen Song mit einer gewaltigen Röhre. Als zum Song „Rain On the Scarecrow“ die E-Gitarre auspackt, wacht das Publikum förmlich auf und fängt begeistert zu applaudieren an. Ein Großteil der Fans auf den Rängen versucht nun, in den Innenraum der Manege zu den Stehplätzen zu kommen, was für einiges Chaos sorgt. Jetzt ist die Stimmung bestens und alle machen mit. Mir gefallen diese Lieder auch wesentlich besser, weil sie einfach wuchtiger und rockiger rüberkommen. Nach dem finalen „Rock In the USA“, bei dem er sogar einen Fan auf die Bühne holt und mitsingen lässt, ist nach fast zwei Stunden dann Schluss. Er bekommt - zumindest jetzt - tosenden Beifall und das Konzert findet doch noch einen würdigen, positiven Abschluss.
Mir hat das komplette Konzert sehr gut gefallen, die neuen Stücke haben eine hohe musikalische Qualität. Der rockige Teil des Konzerts hat mir jedoch wesentlich besser gefallen. Vielleicht wäre es eine gute Sache gewesen, die Songs einfach zu mischen und nicht erst ziemlich am Schluss rockigen Songs vom Stapel zu lassen. Fazit: Ein gutes, sehr abwechslungsreiches Konzert, aber ein zweites Mal schau ich mir John Mellencamp nicht mehr an.
Setlist:
Authority Song
No One Cares About Me
Death Letter
John Cockers
Walk Tall
The West End
Check It Out
Save Some Time To Dream
Cherry Bomb
Don't Need This Body
Easter Eve
Jack & Diane
Jackie Brown
Longest Days
Small Town
Rain On The Scarecrow
Paper In Fire
Crumblin' Down
If I Die Sudden
Pink Houses
R.O.C.K. in the U.S.A.
Stefan Graßl
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