Artikel
Info
Zeit: März 2007
Stil: Folk Rock
Internet:
http://www.oysterband.co.uk
Folk Rock-Freunden braucht man die Briten OYSTERBAND sicher nicht mehr vorstellen. Gehört sie doch zu den beständigsten Bands in diesem Genre, die konstant qualitativ hochwertige Alben veröffentlicht. Die Wurzeln des Quintetts reichen rund 30 Jahre zurück, als man noch unter dem Namen OYSTER CEILIDH BAND durch die Welt tingelte und seine ersten Gehversuche auf Platte veröffentlichte. In der Heimat gehört die Band zu den größten Folk-Bands. In unseren Breitengraden hat man dafür eher den Status einer Insiderband inne, auch wenn man Anfang der 1990er Jahre von einem kurzzeitigen, durch die Levellers ausgelösten, Folkrock-Boom profitieren konnte.
Nach fünfjähriger Studiopause veröffentlicht die OYSTERBAND jetzt mit Meet you there den Nachfolger ihres letzten Studioalbums Rise above und kann damit, wie nicht anders zu erwarten, wieder kräftig punkten. Aus diesem Grunde nahmen wir mit Sänger John Jones Kontakt auf um Infos rund um die neue CD direkt aus erster Hand zu bekommen. Und diese bekamen wir auch. Zwar gab er sich teilweise ein wenig wortkarg und zurückhaltend, aber wie auch auf der Bühne lässt er lieber die Musik und die Texte für sich sprechen anstatt große Reden zu schwingen. Ganz der zurückhaltende Brite eben. Aber lest selbst:
MAS:
Fünf Jahre sind nun vergangen seitdem ihr Euer letztes Studioalbum herausgebraucht habt. Relativ lange für unsere schnelllebige Zeit. Ihr habt in der Zwischenzeit eine Jubiläums-Live-DVD, sowie Big Session Vol. 1 herausgebracht. Aber was ist sonst noch im Leben der Oysterband seit 2002 geschehen?
John:
Wir spielten drei große Big Session-Touren bei denen wir mit anderen Künstlern zusammen musizierten, nahmen eben dieses Livealbum auf und etablierten auch unser Big Session-Folk-Festival, das mittlerweile jährlich in Leicester stattfindet. Das ist doch Einiges!
MAS:
Im Juni findet wieder ein Big Session-Festival mit zahlreichen Musikern und Bands statt. Was war eigentlich die Intention dahinter, als ihr aus dieser Idee ein Festival gemacht habt?
John:
Das Ziel war einen großen Event mit, nach unserer Ansicht, breiten und qualitativen Auswahl an folkverwandter Livemusik auf die Beine zu stellen und dabei die Leidenschaft der Musik mit dem Publikum zu teilen.
MAS:
Kommen wir nun direkt zu Meet you there. Wann habt wurden die Ambitionen in Richtung neues Album in Euch wieder geweckt?
John:
In den letzten beiden Jahren kehrten wir zurück zu den Wurzeln der Oysterband und schrieben für das neue Album. Wir nahmen uns genügend Zeit dafür. Denn es ist sehr wichtig für uns, die Songs reifen zu lassen. Wir schreiben ja nicht einfach zwei gute Lieder und füllen den Rest des Albums mit Müll.
MAS:
Also ist Meet you there alles andere als ein Schnellschuss.
John:
Kann man wohl sagen. Insgesamt dauerte es zweieinhalb Jahre. Es war sehr herausfordernd zu sehen ob wir immer noch den Drive und die Inspiration in uns haben.
MAS:
Meet you there klingt in meinen Ohren natürlicher und frischer als dessen direkte Vorgänger. So als hättet ihr einen Blick zurück auf Eure alten Werke gewagt um damit einen Schritt nach vorne zu gehen. Wo siehst Du selbst den Unterschied zu Rise above oder Here I stand?
John:
Ich denke Du hast den Unterschied selbst ziemlich gut auf den Punkt gebracht. Es ist das was wir glauben und wir hoffen Andere werden auf dieselbe Art und Weise reagieren. Das Album fühlt sich für uns so natürlich und organisch an.
MAS:
Brachte die Arbeit mit den jungen Musikern im Rahmen der Big Sessions diese neue Frische mit sich?
John:
Die Arbeit mit ihnen gab uns wahrscheinlich einen Tritt in den Hintern! Einige von ihnen sind wirklich gut und es ist eine feine Sache mal wieder richtig herausgefordert zu werden. Allerdings auch nicht ganz einfach.
MAS:
Wie entsteht in der Regel ein Oysterband-Song? Schreibt jeder in der Band seine eigenen Sachen oder entwickelt ihr Eure Ideen in gemeinsamen Jamsessions?
John:
Bei diesem Album haben wir viele von den individuellen, persönlichen Dingen früherer Tage von vornherein außen vor gelassen. Wahrscheinlich hat jeder von uns ein Soloalbum in sich. Aber Vieles davon funktioniert einfach nicht in der Band. Das was wir zusammen machen, unterscheidet sich einfach von den einzelnen Talenten die am Ganzen teilhaben. Es schmerzt zwar wenn deine neue ganz tolle Idee weggeworfen wird, aber wenn es einmal fließt, erfüllt es einen mit großer Freude.
MAS:
Habt ihr bei diesem Album irgendwas am Schreibprozess im Vergleich zu früher verändert?
John:
Der Schreibprozess war dieses Mal vielleicht etwas lockerer. Die Ideen kamen durch das viele Zusammenspielen. Wir gingen an viele unserer Lieblingsplätze und jammten dort ein wenig. Orte und das Gefühl waren sehr wichtig für den Prozess.
MAS:
Die Oysterband ist schon immer als eine Band mit Inhalten, dessen Texte genauso wichtig am Gesamtergebnis sind wie die Musik selbst, bekannt. Deshalb wäre es sicher interessant zu erfahren um was sich die einzelnen Songs drehen und welches Gefühl Du damit vermitteln willst.
John:
1. “Over the water”: Liebe, Verlassen und ein Leben auf Achse. Wird er sie wirklich mit sich nehmen?
2. “Here comes the flood”: Globalisierung betrachtet als Flut die uns überschwemmt. Ein sarkastisches Lied.
3. “Where the world divides”: Die Liebe der Gefahr … Wir wollen immer dorthin wo wir nicht hin sollten.
4. “Walking down the road with you”: Duellieren mit seiner dunklen Seite - das Biest in dir. Und das Biest spricht …
5. “Bury me standing”: Ich verbrachte mein ganzes Leben kniend - begrabt mich stehend. Trotz.
6. “Everything must go”: Das Leben ist zu kurz für Kompromisse. Beginn noch mal von vorn.
7. “Control”: Ein Schwadronieren über die Kraft von Berühmtheit und Dummheit.
8. “The boy’s still running”: Das Kind ist der Vater des Mannes - und er ist noch immer nicht zufrieden.
9. “Someone somewhere”: Eine kummervolle Seele auf der Suche nach weiteren.
10. “Just one life”: Das Leben wirft dir die gegensätzlichsten Dinge auf einmal entgegen. Ein Lied über Widersprüche.
11. “Dancing as fast as I can”: Finden spiritueller, nicht zwingend religiöser, Zuflucht wenn dich das Leben körperlich ermüden lässt.
MAS:
Mit den Jahren seid ihr immer mehr von explizit politischen Bezügen in Euren Texten weg gekommen. Hat es mit der Zeit ermüdet über gewisse Dinge zu singen, ohne dass sich großartig etwas verändert?
John:
Ich denke nicht, dass sich unsere Wut wirklich verringert hat. Wir wählen mittlerweile lediglich unsere Waffen gewissenhafter aus.
MAS:
Die Oysterband ist nun schon so lange im Geschäft. Gab es da nie den Punkt an dem man die Brocken einfach hinwerfen möchte?
John:
Natürlich gibt es diese Momente. Aber jeder Konflikt ist bekanntlich eine Art Katalysator. Nur die Selbstzufriedenheit bringt einen um.
MAS:
Aber es ereignen sich doch sicher Dinge die man aus heutiger Sicht anders machen würde. Oder bist Du mit allem wie es kam zufrieden?
John:
Da fällt mir spontan nur ein Punkt ein. Ich wünschte wir hätten unsere Auftritte öfter gefilmt.
MAS:
Es ist sicher nicht einfach inspiriert zu bleiben, wenn man schon so viele Lieder in seiner Karriere geschrieben hat. Was motiviert Euch noch heute neue Stücke zu schreiben, aufzunehmen und live auf der Bühne zu präsentieren?
John:
Oh ja, das wird über die Jahre nicht einfacher. Das Livespielen ist eine kraftvolle Droge! Es ist schwer davon loszukommen. Die Kreativität beim Liederschreiben ist unser Weg sich immer noch lebendig und relevant zu fühlen. Es ist das was wir machen.
MAS:
Wenn die Liveauftritte schon so wichtig für Euch sind, siehst Du die Oysterband dann mehr als Liveband und präsentiert dies das Herz und die Seele der Gruppe?
John:
Unsere besten Momente haben wir als Liveband. Auf der anderen Seite wurden wir mit den Jahren auch schlauer im Studio. Es gibt dort eine Menge Dinge die man lernen kann.
MAS:
Bald startet ihr die Tour zu Meet you there. Was können wir davon erwarten? Den traditionellen Mix aus Klassikern und einigen neuen Songs?
John:
Diese Frage hast Du soeben selbst beantwortet! Wir tragen momentan eine sehr positive Stimmung in uns. Die Shows sollten gut werden.
MAS:
Ihr habt hier in Deutschland zahlreiche loyale Fans die ständig Eure Konzerte besuchen. Gibt es vielleicht etwas Spezielles, z.B. eine kleine Geschichte, die Du mit unserem Land verbindest?
John:
Wir viele langjährige Freunde in Deutschland. Und abgesehen davon besteht eine Art Solidarität und gemeinsame Anschauungen mit vielen Leuten die wir hier trafen. Ich erinnere mich daran, in einer dunklen und nebligen Nacht auf einem Feld in der Nähe des atomaren Zwischenlagers von Gorleben zu stehen. Lediglich erhellt von den Blaulichtern der Polizeifahrzeuge, während wir auf den Zug voller atomarer Abfälle aus Frankreich warteten. Und nicht zuletzt hatten wir hier viele großartige Konzerte.
MAS:
Dann hoffen wir, dass noch viele davon dazukommen werden! John, ich bedanke mich ganz herzlich für Deine Zeit und wünsch Dir und Deinen Bandkollegen viel Erfolg mit Eurer neuen CD. Lasst noch viele davon folgen!
John:
Vielen Dank und „Meet you there“!
Mario Karl
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