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Zeit: 14.11.2004
Von der Beliebtheit des Metastasio-Librettos La passione die Nostro Signore Gesú Cristo im 18. Jahrhundert ist hier bereits anlässlich der Einspielung von Antonio Salieris Komposition die Rede gewesen (siehe Rezension im Archiv). Der Dirigent Christoph Spering verfolgt das ehrgeizige und musikhistorisch höchst spannende Projekt, eine repräsentative Auswahl der überaus zahlreichen Vertonungen dieser Vorlage auf das Konzertpodium zu bringen und beim Label Capriccio auch auf CD zu präsentieren.
Am 14. November stand in der Kölner Philharmonie Joseph Mysliveceks (1737-1781) Passions-Beitrag auf dem Programm. Der Frühklassiker aus Böhmen kommt in seiner 1773 entstandenen Vertonung des Metastasio-Textes mit etwas weniger Theaterdonner als sein Kollege Salieri aus, dennoch kann die Vertonung im heutigen Sinne kaum als beschauliche Kirchen- oder Andachtsmusik bezeichnet werden. Es ist eine extrovertierte Passionsbetrachtung, die unüberhörbar auf den Konzertsaal und ein Publikum zugeschnitten ist, das neben Erbaulichem auch Unterhaltsames erwartete: Die zum Teil hochvirtuosen Arien würden sich in jeder Opera Seria dieser Zeit gut machen.
Joseph Myslivecek |
Zum Star der leider nur schlecht besuchten Aufführung avancierte die junge Sopranistin Sophie Kartäuser. Mit kokettem Charme und opernhafter Attitüde präsentierte sie eine Maddalena von größter stimmlicher Reinheit, Brillanz und dramatischer Lebendigkeit. Für den Hörer ein Hochgenuss, selbst da, wo sich der Sinn der Worte in endlosen Koloraturen auflöste: Wenn Magdalena in einer Arie vorgab, vor Leid kaum mehr atmen oder sprechen zu können, blieb das in virtuosen Musik Mysliveceks ohne Echo.
Dass der Komponist für die Rolle des Petrus einen männlichen Sopran vorsah, macht eine Aufführung in unseren Tagen nicht unbedingt leichter. Hier stand mit Jörg Waschinski aber ein Sopranist zur Verfügung, der in faszinierender Weise über das Stimmpotential verfügt, um die technisch anspruchsvolle Partie überzeugend zu meistern. Dennoch: Die schwierige Stimmlage erforderte eine solche Konzentration auf die Tonbildung, dass für Schattierungen und Nuancen wenig Raum blieb. Waschinskis Darstellung erschien daher trotz makelloser Intonation bisweilen monochrom.
Yvonne Berg schuf mit ihrem jungen, kräftigen Alt einen agilen Lieblingsjünger Johannes, während Andreas Karasiak durch eine gutturale Tongebung und einen sich erst im zweiten Teil steigernden dramatischen Gestaltungswillen eher blass blieb.
Der Chorus Musicus Köln bot bei seinen wenigen Einsätzen eine technisch einwandfreie Leistung, ohne tatsächlich engagiert zu wirken, während Das Neue Orchester unter der Leitung von Christoph Spering gewohnt schwungvoll, präzise und akzentuiert spielte.
Christoph Spering (links) und sein Team |
Spering versuchte zudem, an die barocke Tradition der szenischen Darbietung von Oratorien anzuknüpfen, indem er den Pantomimen Milan Sladek einlud, einige Partien des Werks zu illustrieren; dazu kam die einleitende Rezitation einiger Texte aus dem Libretto durch Carla Siebecke. Während man sich bei der (eigentlich unnötigen) Rezitation zumindest von dem literarischen Können Metastasios überzeugen konnte, erwies sich die Pantomime - vorsichtig gesprochen - als problematisch. Die Nachstellung der Passion durch Sladek mochte von barocken Gemälden inspiriert sein, doch wirkten der Auftritt mit weißgeschminktem Gesicht und Flatterumhang sowie die pathetische Gestik und Mimik unfreiwillig komisch.
Das Label Capriccio wird das Oratorium in gleicher Besetzung im März 2005 auf CD veröffentlichen.
Georg Henkel & Sven Kerkhoff
Georg Henkel
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