····· EP, Buch und Tour - Ringo Starr feuert aus allen Rohren ····· 40 Jahre Steamhammer – 40 Jahre Rockgeschichte  ····· Neues Solo-Album von David Gilmour im September ····· Evildead-Album wird mit einer ersten Single angekündigt ····· Alles ist =1 meinen Deep Purple auf ihrem kommenden Album ·····  >>> Weitere News <<<  ····· 

Reviews

Strozzi, B. – Caccini, F. – Bembo, A. u. a. (Pluhar, Chr. – L’Arpeggiata)

Wonder Women


Info

Musikrichtung: Barock / Ensemble

VÖ: 03.05.2024

(Erato / Warner Classics / CD / DDD / 2023 / Erato 5054197959165)

Gesamtspielzeit: 70:19

BAROCKE FRAUENPOWER

Für gendersensible musikalische Vexierspiele bietet das neue Album „Wonder Women“ von Christina Pluhar und ihrer L’Arpeggiata-Band reichlich Material: Da stehen nämlich italienische Komponistinnen des 17. Jahrhunderts und ihre oft anonymen Schwestern aus der Volksmusik im Fokus (wobei der bei letzteren auch Nord- und Südamerika einbezieht).
Doch gerade in den Libretti der namentlich bekannten Schöpferinnen ist es oft ein Mann, der sich äußert, dies dann aber in jenen hohen Stimmlagen, die im Barockzeitalter nicht nur von Frauen, sondern auch von Männern – in Gestalt von Falsettisten und Kastraten – beherrscht wurden.

Um das Ganze noch reizvoller zu machen, bringen einige der mitwirkenden Sänger:innen eine verwirrende Ambivalenz ins Spiel: Mezzosopranistin Benedetta Mazzucato könnte auch ein sehr guter hoher Countertenor sein, ihre tiefer timbrierte Kollegin Luciana Mancini nicht minder. Auch Altist Vincenzo Capezzuto gelingt eine Quadratur des Kreises: Bei ihm denkt man an eine Altistin, die in der Volks- und Kunstmusik, vielleicht aber auch im Pop, gleichermaßen zu Hause ist.
Auf „Wonder Women“ verschwimmen die Grenzen im Vokalen also auf faszinierende Weise. Zum vokalen Crossdressing kommt das stilistische, denn Christina Pluhar hat wie kaum eine andere vor ihr nicht nur den Jazz, sondern auch Crossover und Pop in der alten Musik entdeckt und verwandelt mit Vorliebe die ostinaten Formen in Arrangements mit Spinett-Keyboards, Theorben-Strings und einem virtuosen Zink, der saxofonisch angehauchte melancholische Soli einstreut. Das ist verwöhnerisch und, zumal in der Häufung, auch mal ein wenig geschmäcklerisch.

Unter den „Wonder Women“ findet sich die mittlereweile schon etwas bekanntere Barbara Strozzi, die als Sängerin und Komponistin nicht nur großen Einfluss im Musikleben Venedigs hatte, sondern auch vier uneheliche Kinder großzog und ihren adeligen Liebhaber finanzierte. Dramatischer ist die Geschichte von Antonia Bembo, die sich aus einer gewaltvollen Ehe ohne ihre Kinder nach Frankreich flüchtete und dort unter der Protektion des Sonnenkönigs zu beachtlichem Ansehen als Komponistin kam. Der Ordensfrau Isabella Leonarda hingegen bot ihr äußerlich rollenkonformes klösterliches Leben Freiräume, sich als Komponistin zu profilieren.
Glaubt man dem Musikwissenschaftler Alessio Ruffati, der zu der Produktion einen akribisch recherchierten und mit vielen Anmerkungen gespickten kulturgeschichtlichen Beitrag geschrieben hat, so gab es damals zahllose Frauen in den Klöstern, die komponiert haben, aber praktisch vergessen sind. Zumindest bei den ausgewählten Beispielen auf dieser CD lässt sich sagen: An der Qualität der Musik kann es nicht liegen.

Mit diesem diversen und eingängig aufbereiteten Programm setzen Christina Pluhar, ihr faszinierendes Vokalquartett und natürlich die fantasievollen Musiker:innen von L’Arpeggiata den komponierenden Frauen des Barock ein verdientes Denkmal.



Georg Henkel

Besetzung

Celine Sheen, Luciana Mancini, Benedetta Mazzucato, Vincenzo Capezzuto: Gesang

L’Arpeggiata

Christina Pluhar, Theorbe & Leitung
Zurück zum Review-Archiv
 


So bewerten wir:

00 bis 05 Nicht empfehlenswert
06 bis 10 Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert
11 bis 15 (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert
16 bis 18 Sehr empfehlenswert
19 bis 20 Überflieger